Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

07.08.2022, 07:30 Uhr

Das Sommertheater für Apothekers – wenig Spaß, kaum Spiel und viel Spannung. (Foto: Alex Schelbert)

Das Sommertheater für Apothekers – wenig Spaß, kaum Spiel und viel Spannung. (Foto: Alex Schelbert)


Das Theaterprogramm im heißen August! Sommerkomödie eines Digitalisierungsfachmanns: „Wir haben zu viele Apotheken in Deutschland!“ Viel Digitalgeschwurbel, aber auch Anregendes: Weg von der rein packungsbezogenen Vergütung. Ein Zukunftsdrama aus den BMG-Studios: Lauterbach und sein Dispensierrecht-Coup – Paxlovid aus Ärztehand zertrümmert Apothekenprivileg. Science-Fiction-Knaller der ABDA: ARMIN für alle – jetzt erst recht, trotz nörgelnder Ärzte. Und ein gefährliches experimentelles Kammerspiel: Was ist Rezeptur und wenn ja, wie viel? Ein Spiel mit dem Feuer, das Teile von Rezeptur und Defektur sublimieren könnte. Viel Spaß in diesem Theater!

1. August 2022

Wenn ein Gesundheitsökonom und Digitalisierungsfachmann mit einem Schulterzucken die steile These raushaut „Wir haben zu viele Apotheken in Deutschland“, dann hat das natürlich superguten sommerlichen Unterhaltungswert. Okay, aber so ganz können wir das leider nicht mit einem Schulterzucken abtun, mein liebes Tagebuch. Denn der Herr Professor David Matusiewicz ist ja nicht irgendwer, der nur mal so eben etwas daher plaudert, sondern – und davon gehen wir aus – sich seine Gedanken zu dem Thema gemacht hat. Und weiß, wovon er spricht. Und auch in der Politik gehört wird. Ja, Digitalisierung ist zwar seine Welt, aber der Apothekenwelt scheint er nicht so nahe zu stehen. Den 3D-Druck von Arzneimitteln, von dem er schwärmt, gibt es doch schon, nur so richtig kommt der wohl nicht in die Puschen und wird es wohl auch lange nicht angesichts der Komplexizität und Vielfalt vieler Arzneistoffe. Und im Gegensatz zu seiner Prognose wird die Arzneiversorgung der Bevölkerung in Zukunft sicher noch eine ganz lange Weile damit auskommen (müssen), dass wir „Packungen über den HV-Tisch schieben“. Wenn der Wissenschaftler von der digitalen Transformation, vom digitalen Wandel, parliert und meint, viele Apotheken werden das nicht überstehen, dann ist mir das erstmal zu abstrakt und klingt nach Digital-Geschwurbel. Kennt er den Digitalisierungsgrad, die Bereitschaft der Apotheken, die Digitalisierung zu nutzen und davon zu profitieren? So schlecht waren und sind viele  Apotheken bisher gar nicht aufgestellt. Natürlich hat er Recht, wenn er sagt, dass eine Apotheke, die sich gegen das E-Rezept sträubt, keine Zukunftschance hat. Richtig ist wohl auch, dass die digitale Entwicklungsphase exponentiell verläuft, dass auch ein Teil des Rx-Geschäfts in den Internet-Versandhandel abwandert und dass Daten und Datenprofile der Kunden Gold wert sind. Und klar, die Telepharmazie wird nicht ein Privileg der Vor-Ort-Apotheke sein, sondern auch Versandhäuser werden Chatrooms einrichten und auf telepharmazeutische Services setzen. Immerhin, der Gesundheitsökonom räumt ein, dass auch im digitalen Raum Platz für das Angebot der Präsenzapotheken sein wird – denn das Vertrauen der Kundinnen und Kunden zur Apotheke vor Ort ist größer als das der Menschen im Internet. Es kommt allerdings darauf an, dass die Apotheke dieses Vertrauen mitnimmt in die digitale Welt, sprich gute digitale Services anbietet. Mein liebes Tagebuch, ich denke, das wird möglich sein. Wir sollten aber nicht lange damit warten und solche Entwicklungen intensivieren. Wenn Matusiewicz sagt, dass die Taktik der Apothekerschaft in den vergangenen Jahren eher war, das Internet schlecht zu machen als selbst zu gestalten, dann mag das auch mit Blick auf unsere Berufsvertretung zum Teil zutreffen. Es gibt im Lande aber viele Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die bereit sind, die Chancen der Digitalisierung zu sehen und bereits auf dem Weg sind. Schade, dass Matusiewicz seine anregenden Diskussionsgedanken mit dem flapsigen Satz „Wir haben ohnehin zu viele Apotheken in Deutschland“ in Misskredit bringt. Sind gut 18.000 Apotheken in Deutschland wirklich zu viel? Wie stark soll denn seiner Meinung nach die flächendeckende Arzneimittelversorgung ausgedünnt werden, was will er den Bürgerinnen und Bürgern denn zumuten, vor allem auf dem Land?

Mit den Matusiewicz-Thesen hat sich auch DAZ.online-Chefredakteurin Julia Borsch auseinandergesetzt. Ihr Fazit: Die Politik wäre gut beraten, nicht dem Mantra der Ökonomen zu unterliegen, dass es ohnehin zu viele Apotheken gibt und den Markt dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, sondern genau hinzusehen und gegebenenfalls regulierend einzugreifen. Sich möglichst digital aufzustellen, sei zwar positiv, sollte aber in Bereichen der Daseinsvorsorge kein Überlebenskriterium für Apotheken sein.

2. August 2022

Teil 2 der Matusiewicz-Thesen befasst sich mit der schönen neuen Welt nach der Digitalisierung der Apothekenlandschaft. Er ist überzeugt: Da winken ganz neue Möglichkeiten. Der Gesundheitsökonom sieht die Apotheken bereits in der Versorgungssteuerung angesiedelt, möglich durch den Datenschatz, den die elektronische Patientenakte bietet. Das könnte den Apotheken mehr Kompetenzen verleihen und zur Entlastung der Arztpraxen beitragen. Neue Geschäftsmodelle für Apotheken sieht er sogar im Selbstzahlerbereich, wo Apotheken an Trends partizipieren können wie Selbstoptimierung der Menschen und im Lifestyle-Bereich. Weitere Chancen für Apotheken liegen im Betreiben kleiner Labore, z. B. zur Bestimmung von Blutwerten. Und ja, bezahlte Dienstleistungen sind laut Matusiewicz ein erster Schritt in die richtige Richtung. Überhaupt muss sich der Wandel in der Honorierungssystematik der Apotheken widerspiegeln: „Wir müssen unbedingt weg von der rein packungsbezogenen Vergütung“, sagt er. Letztlich müssten sich für so manche Zukunftsaufgabe die rechtlichen Hürden lockern – und das sieht er gelassen: „Da wird sich einiges lockern in den kommenden Jahren.“ Mein liebes Tagebuch, im Gegensatz zu seinen forschen Aussagen im ersten Teil lässt sich über seine Gedanken und Vorschläge für neue Apothekenaufgaben ernsthaft diskutieren. Mein liebes Tagebuch, wir brauchen Perspektiven für das digitale Zeitalter – und die müssen wir jetzt erarbeiten. Rasch!

 

Gut, dass es sie (noch) gibt: die Apothekenrezeptur. Die Pandemie hat gezeigt, was Apotheken leisten können, wenn’s drauf ankommt – auch wenn es in diesem Fall nur einfache Verdünnungen und Abfüllungen von alkoholischen Gemischen war. Aber die aktuellen Lieferengpässe bei Paracetamol- und Ibu-Säften oder bei Präparaten zur Rehydratation u.ä. zeigen, dass die Apotheken auch hier einspringen und selbst zu Reibschale und Pistill greifen können. Juristische Auseinandersetzungen um das Abfüllen von Opiumtinktur haben aber gezeigt, dass es beim Thema Rezeptur und Defektur durchaus Rechtsunsicherheiten gibt: Fällt das einfache Abfüllen und Umfüllen von Arzneistoffen unter das Rezeptur- und Defekturprivileg? Ja, mein liebes  Tagebuch, was ist eigentlich Rezeptur und Defektur genau und wo verlaufen die Grenzen zum Fertigarzneimittel? Der Apothekerverband Westfalen-Lippe hat sich dieser Frage angenommen und will den Gesetzgeber auffordern (Antrag auf dem Deutschen Apothekertag), „für eine sinn- und zweckentsprechende Klarstellung oder Änderung der Gesetzeslage“ zu sorgen, um bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Tja, gut gemeint, mein liebes Tagebuch, aber vielleicht nicht so gut gemacht. Denn so eine Aufforderung an den Gesetzgeber ist ganz schön heikel, wenn die Zielformulierung ziemlich vage ist: „Klarstellung oder Änderung der Gesetzeslage“ – au weia, da weiß man so gar nicht, in welche Richtung das los geht. Der im Antrag vorgezeichnete Weg kann dazu führen, dass das Abfüllen von Stoffen und Zubereitungen in Apotheken praktisch unzulässig wird. Wenn Juristen und der Gesetzgeber zu dem Schluss kämen, dass das Abfüllen von Arzneimitteln (z. B. Opiumtinktur, Cannabisblüten, Alkoholmischungen und vieles mehr), nicht mehr unter den Begriff der Rezeptur fallen, wäre das schon eine mittlere Katastrophe für die Apotheke vor Ort, für ihr Selbstverständnis, für ihre Außendarstellung. Und natürlich ein Argument für die Versender: Ein wesentlicher Unterschied zwischen Versand und Vor-Ort-Apotheken, die Rezeptur und Defektur, würde entfallen. Vielleicht denken die Antragsteller aus Westfalen-Lippe noch mal darüber nach und finden eine smartere Formulierung.

3. August 2022

Es wird langsam ernst und es bleibt dabei: Die Testphase des E-Rezepts wird „erfolgreich zum 31. August 2022 abgeschlossen“, so die Gesellschafterversammlung der Gematik. Und dann geht das E-Rezept ganz offiziell am 1. September an den Start, es wird Pflicht für alle Apotheken. Mein liebes Tagebuch, natürlich werden dann nicht schlagartig ab diesem Datum in allen Apotheken Deutschlands die E-Rezepte auf den Tisch flattern als ausgedruckter Token oder per Gematik-App. Aber man muss damit bundesweit rechnen. Auch wenn zunächst in den Kammerbezirken Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe die erste Stufe des Rollouts für Ärzte und Krankenhäuser gezündet wird und dort wohl die meisten E-Rezepte ausgestellt werden und in den Apotheken ankommen. Die Gematik hat sich als Erfolgskriterium gesetzt, dass in diesen beiden Gebieten jeweils 25 Prozent der Rezepte als E-Rezepte ausgestellt werden. Und die Quote von Patientinnen und Patienten, die aufgrund von Fehlern beim E-Rezept zur Praxis zurückkehren müssen, um sich ein Muster 16 Formular als Ersatz geben zu lassen, muss ferner unter 3 Prozent liegen. Wir werden sehen, mein liebes Tagebuch, wie das läuft. Vermutlich ist da noch ein bisschen Aufklärungsarbeit für die Öffentlichkeit nötig. Und dann drücken wir die Daumen, dass das Internet nicht ausfällt und der Fachserver des E-Rezepts nicht in die Knie geht. Immerhin haben die Kassen zugesichert, dass sie bei technisch fehlerhaften E-Rezepten keine Retaxationen vornehmen und die Kosten für die Arzneimittel übernehmen. Diese „Friedenspflicht bei Retaxationen“ ist ja auch das Mindeste, was wir erwarten dürfen.

 

E-Rezept und formale Fehler – das soll eigentlich gar nicht möglich sein: Eine Software kann   doch schon beim Ausstellen des E-Rezepts in der Arztpraxis überprüfen, ob der Arzt alle formalen Kriterien erfüllt hat. Ja, das macht sie eigentlich auch, mein liebes Tagebuch, aber nur eigentlich. Denn es gibt durchaus noch Formalien, die – bewusst – davon ausgenommen wurden: E-Rezepte können genauso wie Papierrezepte ohne Dosierungsangabe ausgestellt werden. Das entsprechende Feld wurde nicht als Pflichtfeld definiert – und das soll auch so bleiben, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) will dies wohl auch nicht ändern. Und sie hat ihre bürokratischen Gründe dafür: Laut Arzneimittelverschreibungsverordnung ist zwar bei Rx-Arzneimitteln eine Dosierungsangabe Pflicht, aber es gibt Ausnahmen (z. B. bei vorliegendem schriftlichen Medikationsplan oder bei Abgabe des Arzneimittels direkt an die verschreibende Person oder bei Verordnung von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln). Und diese Ausnahmen möchte die KBV abgebildet sehen. Mein liebes Tagebuch, so kann man’s natürlich sehen. Aber hätte man nicht einen Weg finden können, dass dieses Feld als Pflichtfeld definiert bleibt und der Arzt es bei der Verordnung ausdrücklich deaktiviert, wenn eine der wenigen Ausnahmen greifen? Nun ja, für die Apotheken heißt das: Supergenau kontrollieren, ob der Arzt die Dosierungsangabe aufgebracht hat, sonst retaxieren die Kassen gnadenlos und brummen den Apotheken die Arzneimittelkosten auf.

 

400 Mio. Euro zusätzlich für die Digitalisierung und den Konnektorentausch in Arztpraxen – diese Summe will Lauterbach der Gesetzlichen Krankenversicherung aufbürden – eine Meldung, die in den vergangenen Tagen nur noch für Kopfschütteln sorgte, vor allem vor dem Hintergrund, dass er auf der anderen Seite 170 Mio. Euro bei den Apotheken durch eine De-facto-Honorarkürzung einsparen will. Computerfachleute haben sich das Unterfangen des Konnektorentausches näher angeschaut und sind zu der Meinung gelangt, dass dies in diesem Umfang gar nicht nötig sei. Wird da also sinnlos Geld verbrannt und Elektronikschrott produziert? Proteste gegen den Konnektorentausch von allen Seiten, auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Sie fordert von der Gematik eine „lückenlose Aufklärung“ und eine Neubewertung der Lage. Es scheint Bewegung in die Sache zu kommen…, auch wenn das Bundesgesundheitsministerium noch nicht wirklich davon überzeugt ist. 

4. August 2022

Jetzt will sie’s wissen, unsere ABDA. Trotz Zoff zwischen Ärztefunktionären und Apothekerschaft wegen der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen lässt sich unsere Berufsvertretung von stänkernden hessischen Ärztefürsten nicht abbringen, sich für Dienstleistungen, vor allem für die Medikationsanalyse und fürs Medikationsmanagement, einzusetzen. Auf dem kommenden Deutschen Apothekertag will der Geschäftsführende Vorstand der ABDA einen Antrag zur Abstimmung bringen, mit dem bundesweit ein Medikationsmanagement nach dem Modell ARMIN auf den Weg gebracht werden soll. Der Gesetzgeber möge doch bitteschön Patientinnen und Patienten einen Rechtsanspruch auf ein interdisziplinäres, sektorübergreifendes Medikationsmanagement – aufbauend auf den Erfahrungen aus der Arzneimittelinitiative Sachsen Thüringen (ARMIN) – einräumen. Beim Modellprojekt ARMIN kümmerten sich Ärzte und Apotheker gemeinsam um die Medikation ihrer Patienten. Das Projekt soll, so war zu hören, „erhebliche gesundheitliche Vorteile“ für die Patientinnen und Patienten gebracht haben. Und deshalb sollte ARMIN mit Medikationsplan, Medikationsanalyse und Medikationsmanagement in die Regelversorgung überführt werden. Na, mein liebes Tagebuch, was sich hier vor dem Hintergrund der ärztlichen Stänkereien fast wie Feuer ins Öl gießen liest, ist der richtige Weg. Die Leistungen, die Apotheken im ARMIN-Projekt Hand in Hand mit den Ärzten erbracht haben, haben den Patientinnen und Patienten nur genützt und gezeigt, was eine strukturierte optimierte Zusammenarbeit der beiden Heilberufe bringen kann. Das wird man der Politik sehr gut vermitteln können. Und die Ärztinnen und Ärzte, die das Wohl ihrer Patientinnen und Patienten im Blick haben, werden das nur begrüßen. Vor den wenigen polemisierenden Medizinerfürsten, die eher ihre eigenen Pfründe im Blick haben, darf man sich nicht wegducken. Selbstbewusstsein zeigen ist die Parole.

 

Noch so ein Beispiel, dass das Gepoltere der Ärzteschaft gegen uns Apothekers eher dem Unterirdischen zuzurechnen ist, zeigt die aktuelle Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Studie unter Federführung von Apotheker Dr. Olaf Rose, der Covid-19-Impfungen in Apotheken wissenschaftlich begleitete und auswertete. Ums kurz zu machen: Alle geimpften Personen, die im Rahmen der Studie befragt wurden, verteilten Bestnoten an die Apotheken. Und alle Apothekerinnen und Apotheker gaben an, dass sie auch weiterhin impfen werden, weil man es für wichtig und richtig erachte. Benachbarte Ärzte waren für die Entlastung durch Apotheken überwiegend dankbar oder standen ihr neutral gegenüber. Kritik an den Impfkompetenzen deutscher Apotheken scheint nach dieser Studie gänzlich unberechtigt. Mein liebes Tagebuch, das ist die Realität und das sollten endlich auch die Ewiggestrigen in der Ärzteschaft akzeptieren. Die Zeiten haben sich geändert, es geht nur gemeinsam.

5. August 2022

Nur weil Ärztinnen und Ärzte die beiden antiviralen Mittel Paxlovid und Lagevrio, die sich zur Behandlung von Covid-19-Kranken als sehr wirksam erwiesen haben, arg zögerlich verordnen, rüttelt unser Bundesgesundheitsminister am Apothekenprivileg, dem alleinigen Dispensierrecht für Arzneimittel. Lauterbach will mit einer Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung den Hausarztpraxen erlauben, sich mit den beiden antiviralen Mitteln zu bevorraten und direkt an Covid-19-Erkrankte abzugeben. Mein liebes Tagebuch, welch ein Unding! Was soll das bringen? Was ist am Verordnen auf Rezept für die lieben Doctores so viel schwerer als Paxlovid dem Patienten direkt auszuhändigen. Wo steckt da der tiefere Sinn, der rechtfertigt, das Dispensierrecht einzuführen und den bewährten Vertriebsweg über die Apotheken zu verlassen? Patienten werden doch über Apotheken schnell, wenn es sein muss auch per Botendienst, versorgt, so dass sie unverzüglich mit der Therapie beginnen können. So stellt auch die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Lauterbachschen Gesetzentwurf klar: Das Problem ist nicht die Verfügbarkeit und Abgabe der Arzneimittel, sondern „vielmehr die fehlende Bereitschaft der Ärzt*innen (aus welchen Gründen auch immer), diese Arzneimittel zu verschreiben“. So ist es. Mal ehrlich, mein liebes Tagebuch, eine Arzneimittelabgabe in Arztpraxen mit allem Pipapo (Bevorratung, Lagerung etc.) kann doch nur schlechter werden. Und sie kostet! Lauterbach will den Ärztinnen und Ärzten 15 Euro pro abgegebener Packung Paxlovid oder Lagevrio quasi als Aufwandsentschädigung überweisen. Der Hausärzteverband jubelt bereits ob diesen schrägen Vorstoßes aus dem Ministerium. Das sei ein Fortschritt, tönt er. Von wegen, mein liebes Tagebuch. So findet es die ABDA grundsätzlich bedenklich, den Ärztinnen und Ärzten direkte finanzielle Anreize zu einer Arzneimittelverordnung und -abgabe zu eröffnen. Mein liebes Tagebuch, ein Gesundheitsminister, der auch nur ein bisschen Ahnung hat über das Handling mit Arzneimitteln, würde das Apothekenprivileg nicht aushöhlen. Manche vermuten bereits, er will mit diesem Coup den nörgelnden Ärztefunktionären, die sich über die pharmazeutischen Dienstleistungen mockieren, entgegenkommen. Also, ist da Lauterbach noch zu überzeugen? Ich wünschte, es wäre so. Leider sind derzeit keine Anzeichen zu sehen, dass er von seinem sinnlosen Paxlovid-Dispensierrrecht-Deal abrückt.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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7 Kommentare

Gesundheitsökonomen

von ecke2 am 08.08.2022 um 9:23 Uhr

Wo uns diese Gesundheitsökonomen hinführen sehen wir in Amerika. Das teuerste Gesundheitssystem der Welt. Optimal für die Reichen. Mittelstand und Unterschicht bleiben maximal auf der ´Strecke. Das muß ganz deutlich klar gemacht werden was da auf die Leute zukommt. Diese Ökonomen müssen entzaubert werden.

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Mein liebes Tagebuch

von Bernd Haase am 07.08.2022 um 19:39 Uhr

Liebe DAZ Redaktion,

Wissen Sie welche Ziele die ABDA mit Ihrer Lobbyrbeit in den letzten 18 Jahren für die Anpassung der Vergütung der öffentlichen Apotheken entwickelt hat?

Zum Beispiel Inflationsausgleich von X% für jedes Jahr.

Gibt es dazu irgentwelche Pressemitteilungen oder andere Veröffentlichungen der ABDA ?

Wie wird die Lobbyarbeit der ABDA evaluiert ?

Wie Helmut Kohl das einmal so treffend formuliert hat

"entscheidend ist was hinten rauskommt"

Bernd Haase

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Als Minister hat er uns in der Hand

von Dr. Radman am 07.08.2022 um 10:58 Uhr

Herr Lauterbach hat uns in der Hand. Er will uns zeigen, wo der Hammer hängt. Als Minister kann er nun seinen tief sitzenden Hass und Groll gegenüber Apothekern in Gesetzen und Verordnungen gießen. Manche Kollegen sehen das als Amtsmissbrauch.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mein liebes Tagebuch

von Bernd Haase am 07.08.2022 um 8:56 Uhr

Liebe DAZ Redaktion,

Wissen Sie wer für die Verhandlungen mit dem Bund und den Krankenkassen über die apothekerliche Vergütung verantwortlich ist ?
Der ADA, der DAV, die BAK, die ABDA oder wird einfach gar nicht verhandelt ?

Bernd Haase

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Mein liebes Tagebuch

von DAZ-Redaktion am 07.08.2022 um 15:07 Uhr

Lieber Herr Haase,

mit dem Bund wird nicht verhandelt. Die ABDA kann nur durch Lobbyarbeit versuchen, Einfluss auf die Gesetzgebung und somit aufs Honorar, soweit es gesetzlich geregelt ist, zu nehmen. Wir gehen mal davon aus, dass sie das tut. Die endgültigen Verträge handelt dann der DAV mit den Kassen aus, was die Verhandlungen umfassen, kann unterschiedlich sein. je nachdem wie der Auftrag an die Selbtsverwaltung ist. Bei PharmDL ging es zum Beispiel auch ums Honorar, beim Rahmenvertrag für die AM-Versorgung geht es um die Rahmenbedingungen, das Honorar ist gesetzlich geregelt.
Viele Grüße
Ihre Redaktion

Selbstbewusst oder schweigend?

von Ulrich Ströh am 07.08.2022 um 8:51 Uhr

…Selbstbewusstsein zeigen , ist die Parole…

Stimmt Herr Ditzel .

Was aber, wenn aus Berlin , auch zu diesem Thema von der Abteilung Pressearbeit der ABDA nichts kommt?

Beredtes Schweigen hilft nicht hier weiter..

Quo vadis, Dr. Kern?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 07.08.2022 um 7:32 Uhr

https://www.handelsblatt.com/video/unternehmen/flugverkehr-lufthansa-und-verdi-einigen-sich-auf-lohnerhoehung-fuer-bodenpersonal/28578044.html

Verdi:
Maximale Forderung - Maximaler Druck - Maximales Ergebnis
ABDA:
Keine Forderung - Maximales Mimimi - Tritt in den Arsch

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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