Wenn die Impfung nicht reicht

Tecovirimat – ein Arzneimittel gegen Affenpocken

Stuttgart - 08.08.2022, 14:15 Uhr

In Europa produziert und vertreibt die Firma Siga Technologies Tecovirimat in Form von Kapseln. (b/Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Lea Suzuki)

In Europa produziert und vertreibt die Firma Siga Technologies Tecovirimat in Form von Kapseln. (b/Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Lea Suzuki)


Im Idealfall breiten sich Infektionskrankheiten wie die Affenpocken gar nicht erst aus, Impfungen helfen dabei. Doch was, wenn man doch erkrankt und im schlimmsten Fall ein Hochrisikopatient ist? Auch dann gibt es in der EU gegen Affenpocken ein zugelassenes Virostatikum – Wissenswertes dazu lesen Sie hier. Übrigens können zumindest symptomatisch auch Zink-Schüttelmixturen aus der Apotheke die Haut-Läsionen lindern.

Affenpocken gelten mittlerweile als internationale gesundheitliche Notlage. Während bereits breit bekannt ist, dass vor allem Risikogruppen sich mit Imvanex dagegen impfen lassen können und sollten, gibt es seit Jahresbeginn auch ein Arzneimittel, das gegen Affenpocken zugelassen ist: Tecovirimat. Dieses könnte – ähnlich Paxlovid bei COVID-19 – noch wichtig werden. Immerhin sind mittlerweile auch Jugendliche mit dem Affenpocken-Virus infiziert und es wurde beispielsweise aus Spanien über erste Todesfälle berichtet. 

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In der DAZ 12/2022 hat Apothekerin und DAZ-Autorin Dr. Daniela Leopoldt den Wirkstoff Tecovirimat bereits vorgestellt, auch wenn er in der Lauer-Taxe bislang nur für die Niederlande gelistet wird. Denn das Virostatikum Tecovirimat ist erst im Januar dieses Jahres als erstes Medikament gegen Pocken in der EU zugelassen worden (in den USA bereits 2018):

„Tecovirimat ist für Erwachsene und Kinder (Körpergewicht mindestens 13 kg) zur Behandlung von Pocken, Affenpocken oder Kuhpocken zugelassen sowie zur Behandlung von Komplikationen im Zusammenhang mit der Replikation des Vaccinia-Virus nach einer Pocken-Lebendimpfung. Der antivirale Wirkstoff wurde in den USA im Hinblick auf mögliche bioterroristische Angriffe bzw. kriegerische Bedrohungen unter Regierungsbeteiligung entwickelt und ist dort bereits seit 2018 unter dem Warennamen Tpoxx® zugelassen. In Europa wird es unter dem Namen Tecovirimat Siga verfügbar sein. Siga steht dabei für die Firma Siga Technologies, die das Arzneimittel in Form von Kapseln (200 mg) produziert und vertreibt.

Die Kapseln sollen 14 Tage lang zweimal täglich (je 600 mg) mit einer Mahlzeit eingenommen werden. Die angepasste Dosis für Kinder beträgt in Abhängigkeit vom Körpergewicht 200 mg (< 25 kg) oder 400 mg (25 bis 40 kg). Anwendung von Tecovirimat während Schwangerschaft und Stillzeit wird nicht empfohlen.

Die Wirksamkeit des Arzneimittels wurde in Tierstudien nachgewiesen, die Sicherheit und Verträglichkeit an gesunden Menschen. Häufigste Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Übelkeit und Bauchschmerzen. Tecovirimat hemmt die Aktivität des VP37-Proteins, einem peripheren Membranprotein, von Orthopoxviren und verhindert die Interaktion von VP37 mit zellulärer Rab9-GTPase und TIP47. Dadurch wird die Bildung einer Virushülle und Virusfreisetzung aus der Wirtszelle verhindert. So kann die Ausbreitung des Virus im Organismus von Zelle zu Zelle verhindert werden.“ 

Quelle: DAZ 12/2022 

Wie das Robert Koch-Institut (RKI) auf seinem Internetauftritt informiert, ist Tecovirimat in Deutschland bereits in begrenzter Menge verfügbar. Der „Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger“ (STAKOB) hat Hinweise zur Therapie von Affenpocken veröffentlicht. Laut STIKO steht er für Beratungen zum klinischen Management und zur Therapie zur Verfügung. Eine Kontaktaufnahme werde insbesondere bei hoher Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf angeraten, heißt es. Die Hinweise zur Therapie wurden am 29. Juli veröffentlicht. 

Hinweise auf Resistenzentwicklung

Darin heißt es, dass die Indikation für Tecovirimat streng gestellt werden sollte, da es Hinweise auf eine mögliche rasche Resistenzentwicklung gibt. Das Präparat sollte also primär Personen mit der Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs angeboten werden. „Zur Wirksamkeit in Bezug z. B. auf Narbenbildung oder Symptomdauer gibt es bisher keine Daten, weitere Untersuchungen im Rahmen von Studien sind wünschenswert“, ist dort außerdem zu lesen.

Patienten mit schweren T-Zell-Defekten

Bei Kontraindikationen für Tecovirimat sowie fulminantem Verlauf könne zudem die Anwendung humaner Vaccinia-Immunglobuline erwogen werden. Vaccinia Immunglobulin (VIGIV, Emergent Biosolution) sei zur Behandlung von Komplikationen der klassischen Pockenimpfung zugelassen. Daten zur Behandlung oder Prophylaxe von Affenpocken sollen jedoch nicht vorliegen. Bei Patienten mit schweren T-Zell-Defekten, bei denen eine Impfung kontraindiziert ist, empfehle jedoch die US-amerikanische CDC, dass eine Behandlung und auch eine prophylaktische Gabe mit dem Vaccinia Immunglobulin erwogen wird. 

Brincidofovir, wenn Tecovirimat nicht verfügbar ist

Als weitere Substanz, heißt es in den Empfehlungen der STAKOB, hat Brincidofovir, ein Lipidkonjugat von Cidofovir, in den USA eine Zulassung für die Therapie der Pocken. Auch hier sollen zum Einsatz bei Affenpocken keine Daten vorliegen. „Aufgrund der erhöhten Toxizität (insbesondere Hepatotoxizität) sollte die Indikation streng gestellt werden, z. B. bei fulminanten Verläufen und fehlender Verfügbarkeit von Tecovirimat“, heißt es. Brincidofovir sei in Deutschland derzeit nicht frei verfügbar. 


Aktuell ist Tecovirimat für die Therapie einer Affenpocken-Infektion in Deutschland in begrenzter Menge verfügbar. Sollte es aktuell zu einer Affenpocken-Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf kommen, wird dringend geraten, mit dem regional zuständigen STAKOB-Behandlungszentrum (www.rki.de/stakob) Kontakt zur Beratung bezüglich einer möglichen Gabe von Tecovirimat aufzunehmen.“ 

STAKOB: Hinweise zur Therapie von Affenpocken (29. Juli 2022)


Damit sind Apotheken vor Ort nicht gerade die erste Anlaufstelle wenn es um die Prävention und Behandlung von Affenpocken geht. Sollten Patient:innen in der Apotheke dennoch fragen, was sie präventiv für eine eventuelle Erkrankung besorgen könnten, so kann die Apotheke laut STAKOB zumindest die topische Anwendung von Zink-Schüttelmixturen empfehlen – zur symptomatischen Linderung der Hautläsionen. 


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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