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Wie war er, der Apothekertag? Wie immer. Und doch anders. Die Politik dankt, lobt und schmeichelt – und hebt Effizienzreserven, sprich: kürzt unser Honorar. Wir malochen, versorgen und kümmern uns, und fordern verzweifelt mehr Honorar. Was bleibt: Vielleicht mehr Geld durch mehr Arbeit (Dienstleistungen? Cannabisverkauf? Impfen?) Aber es fehlen Fachkräfte. Bleiben wir zuversichtlich, muntert uns die Präsidentin auf, das verleiht Flügel. Ja, die brauchen wir, um uns Luft zu zufächeln, wenn das Klima immer heißer wird.
Prolog
Es war die Woche des Deutschen Apothekertags (DAT), der vom 14. bis 16. September in München nach zwei Jahren erstmals wieder vollständig in Präsenz tagte. Man merkte es den Apothekerinnen und Apothekern, die als Delegierte entsandt waren, an: Die Freude darüber, sich persönlich zu treffen, miteinander zu diskutieren und Berufspolitik zu machen, war groß. Als Motto für den DAT hatte man „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ gewählt. So durften sich die Delegierten erstmals mit zahlreichen Anträgen zum Klima und zur Nachhaltigkeit auseinandersetzen, komplex und schwierig.
Der Großteil der übrigen Anträge behandelte mindestens ebenso schwierige Themen: drohender Kassenabschlag, fehlende Honoraranpassungen, Lieferengpässe, Retaxationen, Ja oder Nein zu Cannabis, Gesundheitskioske und vieles mehr. Bei der Fülle der Themen waren schnell knapp 100 Anträge zusammengekommen, über die debattiert und entschieden werden musste. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren: Zu viele Anträge, zu wenig Zeit.
Da lag ein dickes Antragsbuch mit 274 Seiten auf jedem Platz – und schon kam die Anregung: Muss das noch ausgedruckt sein oder geht das ressourcenschonender auch digital? Und wenn ja, dann müsste an jeden Platz eine Steckdose verlegt werden. Die ABDA versprach, für den nächsten DAT darüber nachzudenken. Mein liebes Tagebuch, schauen wir uns erstmal an, was der Apothekertag an wichtigen Ergebnissen und Beschlüssen so brachte.
Dittrich und die Kosten
Zur Einstimmung präsentierte die ABDA den Medien wieder ihren Apothekenklima-Index, eine alljährliche Umfrage zur Stimmung in unserer Branche. Um es kurz zu machen: Die Stimmung ist am Boden. Über 80 Prozent der befragten Apothekers erwarten eine negative wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren, sie haben Personal- und Nachwuchsprobleme, es fehlt an qualifiziertem pharmazeutischem Personal. Dann gibt es zwei große neue Aufgaben zu bewältigen: E-Rezept und pharmazeutische Dienstleistungen. Während Lauterbach den Kassenabschlag erhöhen will, was einer Honorarkürzung für die Apotheken gleichkommt. Dafür findet auch Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, deutliche Worte in seinem Lagebericht. Statt Kürzungen brauchen die Apotheken dringend eine „Dynamisierung des Fixums“, um steigende Kosten für Personal, Energie, Zinsen und vieles andere mehr abzufangen. Auch die Lieferengpässe kosten die Apotheke rund 15.000 Euro im Jahr, Kosten, die nicht von den Apotheken zu verantworten sind – mein liebes Tagebuch, gut, dass er das mal quantifiziert, diese Zahl muss in die Öffentlichkeit! Ebenso das Verhalten des GKV-Spitzenverbands, der im öfters alle Verhandlungen platzen lässt und vor die Schiedsstelle zieht, z. B. beim Honorar für pharmazeutische Dienstleistungen, beim BfArM-Cannabis, bei Zyto-Preisen. Dittrich: „Das ist eine Inflation der anderen Art.“ Richtig, mein liebes Tagebuch, da kann man sich Verhandlungen wirklich sparen und gleich vor eine Schiedsstelle ziehen.
Die ABDA-Präsidentin und die Zuversicht
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening macht in ihrem Lagebericht deutlich: Seit 2013 wurde das Apothekenhonorar nicht angepasst und jetzt plant Bundesgesundheitsminister Lauterbach auch noch, den Kassenabschlag zu erhöhen: „Es hat uns massiv verstört und verärgert, dass uns ein solcher Gesetzesentwurf gleichsam vor die Füße geknallt wird.“ Mein liebes Tagebuch, man kann es wirklich nicht nachvollziehen: Lauterbach will 17 Milliarden Euro einsparen, um das Defizit der Krankenkassen auszugleichen. Dagegen tragen doch die Einsparungen von 120 Mio. Euro, die er bei uns holen will, nicht wirklich zu Einsparungen bei, schwächen aber unsere Apotheken. Und dennoch will er daran festhalten. Umso unverständlicher, dass er sogar noch fast 1 Milliarde Euro ausgeben will für seine geplanten Gesundheitskioske. Für Overwiening sind diese Kioske eine überflüssige Parallelstruktur – eine Apothekenstärkung wäre besser. Und das E-Rezept? An dem schon 20 Jahre lang herumgedoktert wird? Overwiening bleibt da optimistisch: Das E-Rezept hat das Potenzial, ein Gewinnerthema für Apotheke zu werden. Mein liebes Tagebuch, warten wir’s ab. Überhaupt wollte sich unsere Präsidentin ihre Zuversicht nicht nehmen lassen: „Wer zuversichtlich ist, dem wachsen Flügel“, zitierte sie den schottischen Autor Barrie. Also, seid zuversichtlich. Die Delegierten quittierten es mit viel Applaus, allerdings ohne standing ovations wie bei ihrem Vorgänger. Und, mein liebes Tagebuch, um es vorweg zu nehmen, Delegierte, denen Flügel gewachsen waren, suchte ich vergebens.
Lauterbach und die Effizienzreserven
Und dann kam er! Karl Lauterbach, seines Zeichens Bundesgesundheitsminister. Einer Fata Morgana gleich schwebte er in digitaler Form gestreamt auf der Riesenleinwand über den Delegierten. Tschuldigung, wäre gern persönlich nach München gekommen, aber es gab Terminkollision: „Ich musste noch das Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz durchs Kabinett bringen, da blieb keine Zeit für die Reise nach München.“ Ach so, na dann. Immerhin, er wäre „sehr, sehr gerne gekommen, das können Sie mir glauben“. Glauben wir, oder? Und nächstes Jahr wolle er auf jeden Fall dabei sein. Schon klar. Ja, und überhaupt große Freude über das erste Gespräch mit uns Apothekers, also mit der ABDA, er habe den Austausch als „gewinnbringend und ehrlich“ empfunden. Mein liebes Tagebuch, das hätte er schon eher haben können, aber er hatte ja nie Zeit. Sei’s drum – und auf einmal wurde es richtig warm im Saal: überschwängliche Minister-Worte des Dankes für uns Apothekers für die Arbeit in der Pandemie: „Eine fantastische Leistung!“ Und „in den Apotheken steckt großes Potenzial“ – und daher wolle er die Apotheken stärken über die Arzneimittelausgabe hinaus: mehr Präventionsleistungen, Impfen gegen Grippe und Covid, und natürlich die pharmazeutischen Dienstleistungen. Und das sei nur der Anfang. Schon klar, mein liebes Tagebuch, mehr Geld für mehr Arbeit, kennen wir. Und nein, die Ärzte sollen kein allgemeines Dispensierrecht bekommen, nur beim Paxlovid. Aber erstmal komme das GKV-Finanzierungsgesetz auf die Apotheken zu, mit dem der Kassenabschlag erhöht wird (und unser Honorar gekürzt). Er wisse, dass dies eine begründungspflichtige Mehrbelastung sei, aber „wir müssen hier Effizienzreserven heben“ – und da war es wieder, das Unwort des Jahres: Effizienzreserven. Was genau er darunter versteht und wo er glaubt, dass Reserven bei Apotheken zu heben sind, verriet Lauterbach selbst auf Nachfrage nicht. Dafür ließ er keine Zweifel daran, dass der Kassenabschlag auf satte zwei Euro erhöht werden wird. Quasi als Ausgleich dafür will er den Apotheken Perspektiven eröffnen, also mehr impfen, mehr pharmazeutische Dienstleistungen und eine Entlastung bei der Zunahme der Zahl der Hochpreiser: Der ungedeckelte prozentuale Zuschlag komme hier zur Wirkung. Die Krönung: Die Apotheken könnten die Einbußen verkraften, weil sie durch höhere Arzneimittelumsätze kompensiert würden, meinte Lauterbach. Mit Verlaub, Herr Minister, da hat sich ihr Ministerium verrechnet und nicht mit unserem Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn gerechnet. Denn der hat nachgerechnet und herausgefunden, dass die Sache mit den Mehreinnahmen durch höhere Umsätze mit teureren Arzneimitteln gar nicht funktionieren kann. Aber, so lenkte Lauterbach ein klein wenig ein, man werde nichts unternehmen, von dem wir ausgehen, dass es die Apothekenversorgung gefährde. Da zeigte sich unsere Präsidentin dann doch wieder zuversichtlich, gemeinsam „gute und kreative Weichen“ stellen zu können, wenn, ja wenn der Herr Minister die Vokabel „Effizienzreserve“ aus seinem Wortschaft ausradiere. Ob er das tut, mein liebes Tagebuch? Die Apothekertags-Delegierten setzten da am Ende doch lieber noch eins drauf in Form einer Resolution, mit dem sie Lauterbach und sein Ministerium aufforderten, den Kassenabschlag nicht zu erhöhen. Rückenwind kam da vom Bundesrat, der sich tags zuvor dafür ausgesprochen hatte, die temporäre Erhöhung des Apothekenabschlags auf 2 Euro zu streichen. Ob’s hilft, ist fraglich, zumal das Lauterbachsche Spargesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Die Resolution allerdings verabschiedeten sie im Stehen unter tosendem Applaus.
Geschäftsordnung und Ausschüsse
Ja, mein liebes Tagebuch, es war eine Unmenge von Anträgen. Und eine große Lust auf Diskussionen und Debatten waberte durchs Plenum, man und frau wollte sich einbringen, ihre Ansichten zu den Anträge kundtun. Dabei spürten alle: Die Zeit für Diskussionen läuft davon. Obwohl es mehr als schade war, dass die gesundheitspolitische Diskussion ausgefallen war, weil alle eingeladenen Politikerinnen und Politiker abgesagt hatten (Termingründe, was sonst?) – das Plenum war dankbar für diesen Zeitgewinn, der den Antragsdiskussionen zugute kam. Wenn dann dennoch bei dem einen oder anderen Antrag die Rednerliste nicht abzureißen drohte, nun ja, da entdeckte man in diesem Jahr vermehrt so wunderbare Antragselemente in der Geschäftsordnung, mit denen man ganz legal und elegant so manche Diskussion verkürzen konnte, indem man z. B. einen Antrag auf Schluss der Rednerliste, auf Schluss der Beratung oder auf Übergang zum nächsten Antrag stellte. Immer wieder gern genommen auch der Geschäftsordnungsantrag auf Verweisung eines Antrags an einen Ausschuss. Wobei natürlich betont wurde, dass dies keine Beerdigung erster Klasse sei, sondern da würden sich dann wirklich richtige Ausschüsse bilden, um über die vertagten Antragsthemen zu brüten. Mein liebes Tagebuch, und in der Tat, da kann dann wirklich etwas Besseres dabei herauskommen als wenn ein Antrag unter Zeitdruck im Plenum behandelt wird. Auf alle Fälle: Wenn man die Klaviatur der Geschäftsordnungsanträge beherrscht, ist das nicht zum Nachteil.
Blüten aus dem Antragsgarten
Alle Anträge können wir hier nicht vorstellen, mein liebes Tagebuch, wir suchen uns da mal ganz subjektiv einige Blüten aus dem Antragsgarten raus, bevor wir dann zu den Glanzlichtern der Anträge kommen.
– Zum Beispiel Thema Botendienst: Er bekommt Konkurrenz durch die App-Lieferdienste, die bekanntlich in ihrem Verhältnis zur Apotheke auf rechtsunsicherem Boden stehen. Der Apothekertag fordert daher, in der Apothekenbetriebsordnung klarzustellen: Der Bote muss zum Personal der Apotheke gehören, also bei der Apotheke angestellt sein. Mein liebes Tagebuch, eine Apotheke, die dann doch mit externen Lieferdiensten zusammenarbeiten will, könnte das nur tun, wenn sie eine Versandhandelserlaubnis besitzt. ABDA-Justiziar Lutz Tisch: Das Thema hat bei uns höchste Priorität, wir prüfen!
– Notdienst-Nöte: Keine Einigung gab’s in der Frage, ob es verbindliche Empfehlungen geben soll für die Lagerhaltung der Apotheken im Nacht- und Notdienst. Ein Ausschuss wird sich mit der Frage befassen müssen, ob den Apotheken im Notdienst der Austausch von Arzneimitteln (aut simile) erleichtert werden soll und ob auch Arzneimittel zur Dauermedikation an chronisch Kranke ohne Rezept abgegeben werden dürfen. Einig war sich das Plenum allerdings darüber: notdiensthabende Apothekerinnen und Apothekern müssen besser vor bedrohlichen und belästigenden Anrufen geschützt werden.
– Patientinnen und Patienten sollen einen Rechtsanspruch auf ein interdisziplinäres, sektorübergreifendes Medikationsmanagement haben. Diese Forderung wurde mit großer Mehrheit angenommen.
– Interessant: die pharmazeutischen Dienstleistungen sollen der Apothekenpflicht unterstellt werden. Das hat Sinn, mein liebes Tagebuch, zumal es bereits Visionen anderer Markteilnehmer außerhalb der Apotheken geben soll, solche Dienstleistungen anzubieten. Ein Ausschuss soll das jedoch nochmal durchdenken.
– Einladung an die Ärzteschaft: Bitte lasst uns bei den pharmazeutischen Dienstleistungen wieder ins Gespräch kommen, um uns fachlich auszutauschen und zusammenzuarbeiten zum Wohl der Patientinnen und Patienten. Super, mein liebes Tagebuch, das Plenum steht zu diesem Antrag – die Ärzte sollten diese Einladung nicht ablehnen.
– Ein Ausschuss wird sich mit der Frage befassen müssen: Was ist eigentlich eine Rezeptur bzw. Defektur. Hintergrund: Manche Hersteller stehlen sich da aus der Zulassung, indem sie ihre Arzneistoffe als Rezepturstoffe an die Apotheke geben. Mein liebes Tagebuch, besser, wir klären das als der Gesetzgeber.
– Das gibt Arbeit für den ABDA-Pressesprecher: Die Rolle der Apotheke in der Selbstmedikation mit OTC-Arzneimitteln soll stärker als bislang in die Kommunikations-, Presse- und Kampagnenarbeit eingebunden werden. Dafür hat sich der Apothekertag ausgesprochen. Gut so, da muss etwas getan werden, wenn wir nicht noch mehr Umsatz an die EU-Versender verlieren wollen.
– Ein Adhoc-Antrag der Apothekerkammer Westfalen-Lippe stößt auf große Zustimmung: Der Gesetzgeber soll den Wildwuchs im Corona-Testsektor ein Ende setzen und das Angebot künftig auf heilberufliche Teststellen beschränken. Außerdem, so ein Antrag aus Baden-Württemberg, sollen Apotheken künftig auch symptomatische Personen testen dürfen. Genauso muss es sein. Hoffen wir, dass Lauterbach das ähnlich sieht,
Cannabis, eine harte Nuss?
Wer hätte gedacht, dass Cannabis so eine harte Nuss ist? Thema ist die von der Regierung geplante Legalisierung von Cannabis. Fragt sich vor allem, wer die Droge verkaufen soll oder darf: nur Cannabis-Shops oder nur Apotheken oder beide? Und wollen wir Apothekers überhaupt Cannabis zum Genießen verkaufen? Da bekommt es dann in der Offizin der eine Kunde auf Rezept und die andere Kundin neben ihm kauft es sich (billiger) zum Genuss. Kann das gut gehen? Und wenn es in Apotheken verkauft werden soll, müssen dann alle Apotheken mitmachen? Oder kommt der Cannabis-Verkauf in Apotheken nur in Frage, wenn er exklusiv über Apotheken stattfindet? Wenn schon, denn schon! Und es sollten auch ein paar Euro für uns rausspringen für den Aufwand. Wir müssten ja sonst mit kommerziellen Abgabestellen in lizenzierten Geschäften in Konkurrenz treten. Mein liebes Tagebuch, die Apothekerschaft ist da gespalten. Also vielleicht besser ablehnen, wir machen da nicht mit, der Konflikt ist zu groß? Oder können wir bei der Entkriminalisierung helfen, wenn wir mitmachen? Mein liebes Tagebuch, das müssen wir mal bei einem Gläschen Rotwein in Ruhe ausdiskutieren. Der Apothekertag jedenfalls sah sich außerstande, über diesen Antrag abzustimmen.
Der Fachkräftemangel-Antrag
Personal fehlt hinten und vorn. Fachkräfte sind Mangel, auch in Apotheken. Was tun? Der Apothekertag spricht sich dafür aus, einen „Aktionsplan Fachkräftemangel“ durch die ABDA zu entwickeln. Supi, mein liebes Tagebuch, aber gab’s da nicht schon ein paar Anläufe? Und was ist daraus geworden? Ja, ja, alles schwierig, aber auch bei der ABDA mangelt es an Ressourcen, sagt ABDA-Mitarbeiterin Dr. Christiane Eckart-Lill, dennoch, man habe das Thema im Fokus. Und ABDA-Sprecher Kern springt ihr zur Seite: Nachwuchskonzepte sind schwierig und mehr als Kommunikation. Es gibt Werbematerialien für Apotheken, aber auch in den Apotheken selbst müsse Nachwuchsgewinnung stattfinden. Und die Pharmaziestudierenden meinen, dass sich Apotheken selbst dafür einsetzen müssen, attraktive Arbeitsplätze zu bieten. Und Recht haben sie alle, mein liebes Tagebuch, aber es bleibt nicht einfach. Mit einem einfachen Aktionsplan wird es nicht getan sein. Da müssen alle, wirklich alle viel viel mehr tun.
Die Approbationsordnung und ihre Novellierung
Am runden Tisch saßen sie alle, die Bundesapothekerkammer, die pharmazeutischen Hochschulen, die Berufsfachverbände der Apothekerinnen und Apotheker und die Pharmaziestudierenden, Sie erarbeiteten gemeinsam ein Konsenspapier, wie man sich eine neue Approbationsordnung (dringend nötig!) vorstellen könnte. Konsens? Fast. Unser Nachwuchs machte am Ende einen Rückzieher: zu viel Stress und Arbeit, man bräuchte nicht zwei, sondern drei Semester mehr, meinte die Präsidentin der Studierenden, Miriam Sprafke. Und wenn das Studium noch härter wird, wird es nicht attraktiver. Aber warum haben die lieben Studierenden nicht vor dem Konsens ihr Veto eingelegt? Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, ließ wissen, dass die Konsensfindung ein hochdemokratischer Prozess war. Er habe das Konsenspapier bereits dem Bundesgesundheitsminister überreicht. Das Ende der Diskussion: Das Plenum nahm den Antrag mit großer Mehrheit an: Wir wollen auf der Grundlage der Ergebnisse des Runden Tisches eine Novellierung der Approbationsordnung. Und wenn möglich rasch, mein liebes Tagebuch. Und keine Sorge, liebe Studis, kein Antrag kommt so aus dem Ministerium als Gesetz zurück, wie er hineingegangen ist. Da ist noch Musik drin zum Chillen.
Der Apothekertag und die Homöopathie
Über die Homöopathie sind sich unsere Apothekerinnen und Apotheker nicht einig. Es gibt da mindestens drei verschiedene Lager: die naturwissenschaftlich Orientierten (Homöopathie ist Placebo), die naturheilkundlich Interessierten (Homöopathie wirkt und hilft) und die pragmatisch Denkenden (wenn unsere Kundschaft Homöopathie will, verkaufen wir sie). Diese Lager sind schon lange im Clinch miteinander, eine gewisse Einigkeit besteht wohl nur darin, dass Homöopathika aus der Apotheke eher nicht verschwinden sollten. Aber seit Fernsehmagazine Ärzte- und Apothekerkammern fragten, was Homöopathie mit Wissenschaft zu tun habe, ist noch weitere Unruhe in die Reihen gekommen. Die Apothekerkammer Berlin wollte mit zwei Anträgen mehr Klarheit schaffen: Mit dem Antrag zur Musterweiterbildungsordnung sollte die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren und Homöopathie“ ersetzt werden durch „Phytopharmazie und Naturheilkunde“. Und ein weiterer Antrag bemühte sich, die Sonderstellung der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen in der GKV abzuschaffen, im Klartext: Krankenkassen sollten z. B. keine Homöopathika mehr bezahlen, es sei denn, sie erfüllen die gleichen Anforderungen wie Allopathika. Mein liebes Tagebuch, die Diskussionen um beide Anträge hätten mit Sicherheit mehrerer Apothekertage bedurft. Da einigte man sich dann in beiden Fällen auf einen Übergang zum nächsten Antrag – ohne Entscheidungen über die Anträge.
Der PTA-Beruf und seine Attraktivität
Apotheken suchen händeringend PTA. Wie erreicht man, dass mehr junge Menschen diesen Beruf ergreifen? Man macht ihn attraktiver. Die Apothekerkammer Saar schlägt vor, die PTA-Ausbildung auf eine dreijährige duale Ausbildung umzustellen plus höherer Ausbildungsvergütung. Nicht nötig, meinten die Gegner dieses Antrags, denn im Prinzip sieht das PTA-Reform-Gesetz das schon vor: Die PTA-Ausbildung ist sogar in Teilzeit möglich und kann optional auf drei Jahre gestreckt werden. Da liegen doch Chancen! Die Ausbildung wird auch für junge Mütter mit Kind interessant. Na prima, dann braucht’s den neuen Antrag wohl nicht.
Gesundheitslotsen statt Gesundheitskioske
Die Absicht von Lauterbach, die Bundesrepublik mit Gesundheitskiosken zu beglücken, kommt in Fachkreisen, auch bei uns Apothekers, nicht gut an. Mal abgesehen davon, dass der Minister dafür so rund eine Milliarde Euro locker machen will, ohne noch ein genaues Konzept zu haben, was diese Kioske eigentlich genau tun, und bei Apothekers sogar 120 Mio. Euro einsparen will, sehen Ärzte- und Apothekerschaft keinen rechten Sinn in solchen Einrichtungen. Der Apothekertag jedenfalls sprach sich dafür aus, keine Gesundheitskioske zu etablieren. Denn viele Leistungen, so ein Antrag aus Berlin (Kammer und Verband), die künftig in Gesundheitskiosken erbracht werden sollen, werden schon heute durch bereits vorhandene Strukturen der ambulanten Gesundheitsversorgung unter Einbindung von Apotheken erbracht. Mit einem weiteren Antrag der Apothekerkammer Berlin, der sich für eine Fortbildung von Apothekerinnen und Apotheker zu Gesundheitslotsinnen und -lotsen aussprach, konnte sich das Plenum allerdings nicht anfreunden (Übergang zum nächsten Antrag). Schade, mein liebes Tagebuch, wäre das nicht die richtige Konsequenz: Wir Apothekers als Lotsen im Gesundheitsdschungel? Ich erinnere mich, dass wir das schon vor ein paar Jahren mal angedacht haben. Vielleicht befassen wir uns mit dieser Idee nochmal…
Ganz einfach: Mehr Geld
100 Prozent Zustimmung: Wir brauchen mehr Honorar! Es waren die Power-Anträge: Der Apothekertag fordert den Gesetz-/Verordnungsgeber auf, das Apothekenhonorar zu erhöhen. Alle Maßnahmen, die das Honorar senken, sind abzulehnen. Basta. Da waren sich alle einig. Und die meisten waren auch dafür, die Honorierung zu erhöhen, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Apotheke mehr Gehalt zahlen zu können. Geld soll es auch geben, wenn wir Einträge in der elektronischen Patientenakte (ePA) vornehmen (müssen) für die Versicherten oder technische Hilfestellung geben bei Apps zum E-Rezept oder zur ePA. Nicht zu vergessen: Die Kassen sollen verpflichtet werden, unseren Arbeitsaufwand bei Lieferengpässen und für das Inkasso des Herstellerabschlages zu honorieren. Außerdem: Die Retaxation auf Null muss weg. Und ja, unser Beruf muss endlich entbürokratisiert werden und die Präqualifizierung gehört abgeschafft.
Klimawandel und Nachhaltigkeit
Erstmalig befasst sich ein Apothekertag mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Pharmazie und die Gesundheit. Ja, spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Drei Vorträge stimmten darauf ein: Prof. Dr. Markus Rex, Polar- und Klimaforscher und Leiter der größten Arktisexpedition aller Zeiten, berichtete über seine Erlebnisse und Ergebnisse an Bord des Forschungsschiffs Polarstern. Das ist das Schiff, das sich am Nordpol hat einfrieren lassen. Alles sehr beeindruckend. Und Prof. Dr. Claudia Traidl-Hofmann machte deutlich, dass die zunehmende Hitze uns mehr zusetzen wird als wir glauben. Und Dr. Martin Herrmann versuchte nahezubringen, was wir Apothekers gegen die Klimakrise tun können. Mein liebes Tagebuch, allein 50 Seiten des Antragsbuches befassten sich mit Anträgen zum Klimaschutz. Da gab es viel Konkretes wie Abschaffung der Bonpflicht (Antrag angenommen), aber auch Allgemeines, wie beispielsweise den Antrag, die Berufsorganisationen sollen sich dafür einsetzen, dass Apothekerinnen und Apotheker ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Mein liebes Tagebuch, viele der Anträge landeten in einem Ausschuss, oder es wurde nicht über sie entschieden – das deutet darauf hin, wie komplex das Thema Klimaschutz und Apotheke ist. Und möglicherweise waren da auch die eine oder der andere überfordert. Eigentlich bräuchte man dafür eine Art Sonder-Apothekertag oder ein eigenes Symposium, zumindest eine eigene Arbeitsgruppe, die diese Themen aufbereitet. Mit digitalen Antragsmappen und keiner Reisekostenerstattung, wenn Delegierte mit dem Flieger anreisen, ist es beim Klimaschutz nicht getan.
9 Kommentare
Homöopathie
von Heike Gabriel am 19.09.2022 um 12:39 Uhr
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Apotags-Erkenntnisse
von Dr.Diefenbach am 18.09.2022 um 13:36 Uhr
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Kommentaranzahl
von Conny am 18.09.2022 um 11:07 Uhr
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Mitarbeitermangel und Honorierung
von Ulrich Ströh am 18.09.2022 um 10:25 Uhr
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Presseschau
von Reinhard Rodiger am 18.09.2022 um 10:08 Uhr
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Antragsvalidator
von Dr. Radman am 18.09.2022 um 9:39 Uhr
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DAT Einschätzung
von Daniela Hänel am 18.09.2022 um 8:51 Uhr
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von Anita Peter am 18.09.2022 um 7:58 Uhr
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