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Lauterbach und die Effizienzreserven
Und dann kam er! Karl Lauterbach, seines Zeichens Bundesgesundheitsminister. Einer Fata Morgana gleich schwebte er in digitaler Form gestreamt auf der Riesenleinwand über den Delegierten. Tschuldigung, wäre gern persönlich nach München gekommen, aber es gab Terminkollision: „Ich musste noch das Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz durchs Kabinett bringen, da blieb keine Zeit für die Reise nach München.“ Ach so, na dann. Immerhin, er wäre „sehr, sehr gerne gekommen, das können Sie mir glauben“. Glauben wir, oder? Und nächstes Jahr wolle er auf jeden Fall dabei sein. Schon klar. Ja, und überhaupt große Freude über das erste Gespräch mit uns Apothekers, also mit der ABDA, er habe den Austausch als „gewinnbringend und ehrlich“ empfunden. Mein liebes Tagebuch, das hätte er schon eher haben können, aber er hatte ja nie Zeit. Sei’s drum – und auf einmal wurde es richtig warm im Saal: überschwängliche Minister-Worte des Dankes für uns Apothekers für die Arbeit in der Pandemie: „Eine fantastische Leistung!“ Und „in den Apotheken steckt großes Potenzial“ – und daher wolle er die Apotheken stärken über die Arzneimittelausgabe hinaus: mehr Präventionsleistungen, Impfen gegen Grippe und Covid, und natürlich die pharmazeutischen Dienstleistungen. Und das sei nur der Anfang. Schon klar, mein liebes Tagebuch, mehr Geld für mehr Arbeit, kennen wir. Und nein, die Ärzte sollen kein allgemeines Dispensierrecht bekommen, nur beim Paxlovid. Aber erstmal komme das GKV-Finanzierungsgesetz auf die Apotheken zu, mit dem der Kassenabschlag erhöht wird (und unser Honorar gekürzt). Er wisse, dass dies eine begründungspflichtige Mehrbelastung sei, aber „wir müssen hier Effizienzreserven heben“ – und da war es wieder, das Unwort des Jahres: Effizienzreserven. Was genau er darunter versteht und wo er glaubt, dass Reserven bei Apotheken zu heben sind, verriet Lauterbach selbst auf Nachfrage nicht. Dafür ließ er keine Zweifel daran, dass der Kassenabschlag auf satte zwei Euro erhöht werden wird. Quasi als Ausgleich dafür will er den Apotheken Perspektiven eröffnen, also mehr impfen, mehr pharmazeutische Dienstleistungen und eine Entlastung bei der Zunahme der Zahl der Hochpreiser: Der ungedeckelte prozentuale Zuschlag komme hier zur Wirkung. Die Krönung: Die Apotheken könnten die Einbußen verkraften, weil sie durch höhere Arzneimittelumsätze kompensiert würden, meinte Lauterbach. Mit Verlaub, Herr Minister, da hat sich ihr Ministerium verrechnet und nicht mit unserem Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn gerechnet. Denn der hat nachgerechnet und herausgefunden, dass die Sache mit den Mehreinnahmen durch höhere Umsätze mit teureren Arzneimitteln gar nicht funktionieren kann. Aber, so lenkte Lauterbach ein klein wenig ein, man werde nichts unternehmen, von dem wir ausgehen, dass es die Apothekenversorgung gefährde. Da zeigte sich unsere Präsidentin dann doch wieder zuversichtlich, gemeinsam „gute und kreative Weichen“ stellen zu können, wenn, ja wenn der Herr Minister die Vokabel „Effizienzreserve“ aus seinem Wortschaft ausradiere. Ob er das tut, mein liebes Tagebuch? Die Apothekertags-Delegierten setzten da am Ende doch lieber noch eins drauf in Form einer Resolution, mit dem sie Lauterbach und sein Ministerium aufforderten, den Kassenabschlag nicht zu erhöhen. Rückenwind kam da vom Bundesrat, der sich tags zuvor dafür ausgesprochen hatte, die temporäre Erhöhung des Apothekenabschlags auf 2 Euro zu streichen. Ob’s hilft, ist fraglich, zumal das Lauterbachsche Spargesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Die Resolution allerdings verabschiedeten sie im Stehen unter tosendem Applaus.
9 Kommentare
Homöopathie
von Heike Gabriel am 19.09.2022 um 12:39 Uhr
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Apotags-Erkenntnisse
von Dr.Diefenbach am 18.09.2022 um 13:36 Uhr
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Kommentaranzahl
von Conny am 18.09.2022 um 11:07 Uhr
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Mitarbeitermangel und Honorierung
von Ulrich Ströh am 18.09.2022 um 10:25 Uhr
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Presseschau
von Reinhard Rodiger am 18.09.2022 um 10:08 Uhr
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Antragsvalidator
von Dr. Radman am 18.09.2022 um 9:39 Uhr
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DAT Einschätzung
von Daniela Hänel am 18.09.2022 um 8:51 Uhr
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von Anita Peter am 18.09.2022 um 7:58 Uhr
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