Mein liebes Tagebuch

16.10.2022, 07:30 Uhr

Wir müssen viel selbstbewusster auftreten! (Foto: Alex Schelbert)

Wir müssen viel selbstbewusster auftreten! (Foto: Alex Schelbert)


Streik in Apotheken. Aber leider nur ein bisschen. Auch ein bisschen zu spät. Aber immerhin: In vier Bundesländern schließen am kommenden Mittwochnachmittag die Apotheken. Warum dieser Protest gegen Lauterbach und seiner Erhöhung des Kassenabschlags, der für die Apotheken deutlich weniger Honorar bedeutet, erst jetzt kommt und auch nicht bundesweit – diese Frage bleibt uns die ABDA schuldig. Überhaupt, ist so ein zögerlicher Protest für die Politik, für die Öffentlichkeit überhaupt glaubwürdig? Warum sind wir Apothekers nicht selbstbewusster, mutiger? Nach dem Gesetz ist vor dem nächsten Gesetz – und das könnte uns noch mehr zusetzen, wenn wir uns nicht rechtzeitig dagegen stark machen.

10. Oktober 2022

Die Zeichen stehen auf Streik! Aber nur ein bisschen und nur in vier Bundesländern. Es trauen sich Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und allen voran das Saarland. Der Saarländische Apothekerverein (SAV) hat bereits Anfang der Woche seine Protestaktion für den 19. Oktober angekündigt. Und so soll der Protest aussehen: Die Apothekervereine dieser vier Länder rufen ihre Apotheken dazu auf, am kommenden Mittwoch ab 12 Uhr zu schließen, um ein „deutliches Signal nach Berlin“ zu senden: ein Protest gegen das Lauterbachsche GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, gegen den erhöhten Kassenabschlag. Aber mal ehrlich, wie „deutlich“ kann so ein Signal sein, das viel zu spät, zu flau, zu zögerlich rüberkommt? Mein liebes Tagebuch, da hört man zwar vereinzelt Äußerungen von Kammer- und Verbandsseite, es gehe hier letztlich um unsere Existenz, aber wie glaubwürdig kommt das alles draußen in der Öffentlichkeit an: So ein bisschen Streik, in nur vier Bundesländern, und für durchsetzungsstarke politische Wirkungen dazu noch viel zu spät – meinen das die Apothekers im Land wirklich ernst? Geht es denen tatsächlich um die Existenz, wie sie immer tönen? Und so fragt man sich schon, warum haben sich nur die Apothekerverbände dieser vier eher kleineren Bundesländer dazu aufgerafft, eine Protestaktion zu organisieren? Warum ist kein richtig großer Verband dabei? Warum hat die ABDA nicht die Chance für einen bundesweiten Streik genutzt? Dabei ist doch die Bereitschaft unter den Apothekerinnen und Apothekern schon seit einigen Wochen sichtlich gut, mal wirklich deutliche Zeichen zu setzen und nicht nur in vier Bundesländern ein paar Plakate aufzuhängen und Handzettel zu verteilen – mit großzügiger Unterstützung der ABDA. Mein liebes Tagebuch, die Aktivitäten der vier Bundesländer in allen Ehren! Die Frage ist aber doch, ob solche Protestchen  mit der notwendigen Wucht bei Karl Lauterbach und seinem Ministerium ankommen. Mich würde es nicht wundern, wenn sie ihn sogar noch in seiner Meinung bestärken: Die Apotheken trauen sich doch gar nicht zu protestieren, sie wissen um die guten Maskengeschäfte und ihre schönen Dienstleistungshonorare. Also, mein liebes Tagebuch, einen Daumen hoch für die Apothekerverbände im Saarland, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein, die sich trauen, zum Streik aufzurufen. Und ja, ein dickes Danke an alle Apotheken in diesen Ländern, die dem Aufruf folgen und ein Zeichen setzen. Aber es bleibt die Frage: Warum haben wir nicht den Mumm und das Selbstbewusstsein und schließen unsere Apotheken für einen Tag zu – im ganzen Land!


Wir brauchen dringend eine Erhöhung unseres Apothekenhonorars. Aber die Politik will davon nichts wissen. Stattdessen kommen ständig neue Ideen um die Ecke, wie man uns Honorar wegnehmen könnte. Erst vor Kurzem hat die FDP-Bundestagsfraktion das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gebeten zu prüfen, was eine Deckelung der 3-Prozent-Marge für Rx-Arzneimittel auf 45 Euro bringen würde. Wahnsinn! Wie absurd und abwegig solche Kürzungen wären und was mit so einer Deckelung zusammenhängt, rechnet DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr.  Thomas Müller-Bohn vor. Denn zum einen sind wir Apothekers auch Kaufleute und haben beim Erwerb unserer Waren, den Arzneimitteln, besondere Risiken und Kosten zu tragen, die mit der 3-Prozent-Marge aufgefangen werden müssen. Eine Deckelung würde vor allem die hochpreisigen Arzneimittel über 1500 Euro vollkommen unrentabel machen. Und letztlich würde mit einer Deckelung eine Belastung von etwa 270 Millionen Euro pro Jahr auf uns zukommen, also eine weitaus höhere Belastung als bei der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags. Mindestens ebenso irritierend ist eine weitere Frage der FDP-Fraktion an das BMG: „Um welchen Betrag müsste der Apothekenabschlag zusätzlich erhöht werden, um die Streichung der Importförderklausel daraus vollständig zu refinanzieren.“ Auch darauf weiß der Beitrag von Müller-Bohn klare Antworten. Also, unsere Standesvertretung sollte diese Prüf-Vorgänge peinlichst genau verfolgen. Mein liebes Tagebuch, es gibt für diese Fragen nur einen Weg – nämlich den in die Tonne.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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9 Kommentare

Streik

von Gerhard Zibulak am 16.10.2022 um 17:16 Uhr

Der Streik in der 4-Bundesländer-Lightversion dürfte verpuffen. Wenn schon, dann alle Apotheken! Rechtliche Konsequenzen…so what!!
Besser wäre ein Streik der schmerzt. Siehe VC Cockpit!
Ab dem 19. Oktober bundesweiter Notdienststreik! Bis das Kürzungsgesetz zurückgenommen wird und unsere Forderungen nach neuer Vergütung laut Apothekertag 22 erfüllt worden sind. Schon eine Ankündigung seitens der ABDA darüber würde helfen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Streik

von Ulrich Ströh am 16.10.2022 um 21:30 Uhr

Das Kürzungsgesetz wird durch einen Streik von Apotheken am Tag zuvor -nicht -zurückgenommen werden.

Einschätzung

von Conny am 16.10.2022 um 16:57 Uhr

Neuste Schlagzeile in der SZ zum Grünen-Parteitag : So brav wie ein Apotheker-Kongress ! Tja, mehr Connys wäre mutiger und wahrnehmbarer gewesen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mein liebes Tagebuch

von Bernd Haase am 16.10.2022 um 10:44 Uhr

Liebe DAZ-Redaktion,

Unter welchen Bedingungen würden die Gerichte denn einen Streik der Apotheken während der Dienstzeiten akzeptieren ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das ist erst der Anfang!

von Linda F. am 16.10.2022 um 10:13 Uhr

Der Anfang mag zögerlich sein, aber hier kommt gerade ein neuer, aktiver Widerstand seitens der Apothekerschaft ins Rollen, der noch deutlich ausgebaut werden wird und schon lange überfällig ist!

In vielen Gesprächen mit Kollegen stelle ich fest: noch nie waren Unmut und Frust innerhalb der Apothekerschaft so groß, noch nie in über 20 Jahren Apotheke war die Streikbereitschaft so hoch.
Das wird erst der Auftakt einer langen und intensiven Protestwelle seitens der Apothekerschaft sein, wenn die Politik bei der geplanten Erhöhung des Kassenabschlags nicht einlenkt und uns endlich eine auskömmliche Basisfinanzierung nach etlichen Jahren des Stillstandes bei der Packungspauschale trotz hoher Inflation gewährt. Das ist eine Entwicklung, die viele von uns inzwischen in existenzielle Not bringt!

Wir haben die Schnauze gestrichen voll. SO KANN UND DARF ES NICHT WEITERGEHEN! Dagegen werden wir protestieren!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Das ist erst der Anfang

von Conny am 16.10.2022 um 10:54 Uhr

Naiv

Kurz gesagt

von Karl Friedrich Müller am 16.10.2022 um 8:53 Uhr

Die Kürzungen helfen den Krankenkassen nicht. Ein Tropfen auf den heißen Strin.
Sie schaden uns aber massiv
Es werden Unsummen verplempert, siehe Gematik
Es geht ums Schaden zufügen
Woher kommt der Hass?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kurz gesagt

von Roland Mückschel am 16.10.2022 um 9:23 Uhr

Ganz einfach Herr Müller.
Früher war es der jüdische Geldverleiher,
Heute ist es der einheimische Apotheker.
Der Kristallisationspunkt des Bösen.

Die Zeit

von Holger Rummel am 16.10.2022 um 8:44 Uhr

In der Zeit am 15.Oktober : 300 Millionen Euro Krankenkassenbeiträge für die Elektroschrott-Tonne. In diesem sachlich geschriebenen Artikel geht es wunderbar um die Machenschaften der Gematik. Eine Pflichtlektüre für jeden Gesundheitspolitiker. Deshalb habe ich ihn auch Herrn Edgar Franke zukommen lassen mit Bitte um eine Stellungnahme. Sollten viele machen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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