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Das Spargesetz kommt, auch der Bundesrat hat’s verabschiedet: Unsere Apotheken erhalten vermutlich schon ab Februar nächsten Jahres weniger Honorar. Das schmerzt. Aber keine Sorge, unsere Regierung weiß Abhilfe: Haschisch-Joints für alle – dann tut’s nicht mehr so weh. Aber ob Apotheken selbst Genuss-Cannabis verkaufen sollen, weiß Lauterbach noch nicht. Und wir wissen nicht, ob wir es verkaufen wollen. Konzentrieren wir uns besser auf die Covid-19-Impfungen in Apotheken, denn die Impfzentren sollen geschlossen werden, erstmal in Bayern. Insgesamt bleiben die Aussichten düster: höherer Kassenabschlag, vielleicht sogar gekappter Rx-Aufschlag – das treibt Apotheken in den Ruin. Die honorierten Dienstleistungen helfen uns da nicht weiter.
24. Oktober 2022
Europa als großer virtueller Raum für Gesundheitsdaten – davon träumt die europäische Kommission. Im Mai dieses Jahres hat sie einen Vorschlag veröffentlicht, wie sie es sich vorstellen kann, einen solchen Datenraum bis zum Jahr 2025 zu schaffen. Ziel ist es, in diesem virtuellen Raum digital die Gesundheitsdaten aus allen europäischen Ländern auszutauschen. Die Kommission redet bei diesem Projekt sogar von einem Quantensprung. Europaweit sollen Bürgerinnen und Bürger künftig ihre Gesundheitsdaten nutzen und kontrollieren können. Ein Rezept aus Deutschland soll dann beispielsweise in einer Apotheke jedes anderen Mitgliedstaats eingelöst werden können. Ach, mein liebes Tagebuch, wie schön und zukunftsvoll dies doch alles klingt. Dabei wäre es doch erst mal ein kleiner Quantensprung – oder sagen wir ganz liebevoll auf schwäbisch ein Quantensprüngle, wenn das E-Rezept und die E-Patientenakte in Deutschland mal ans Laufen käme. Aber nun ja, träumen darf sie, die Europäische Kommission, Realitäten sehen meist anders aus. Derzeit ist ein Austausch elektronischer Verordnungen bisher nur zwischen Finnland, Estland, Kroatien und Portugal möglich. Unsere ABDA hat zu diesen EU-Träumen ein Positionspapier erstellt. So sieht sie diesen EU-Verordnungsvorschlag als „wichtigen Baustein der übergreifenden europäischen Datenstrategie“. Unsere öffentlichen Apotheken könnten dabei eine wichtige Unterstützung leisten, da sie die geeignete technische Ausstattung besitzen, um vielfältige digital gestützte Dienstleistungen anzubieten. Allerdings sieht unsere Standesvertretung auch erheblichen Verbesserungsbedarf am Verordnungsentwurf. Beispielsweise sind viele Punkte nicht klar und nicht eindeutig genug. Die Definition des Begriffs Telemedizin umfasse auch Online-Apotheken – das gefällt gar nicht. Und dann fehlt der ABDA noch die Bezugnahme der Verordnung auf die speziellen europäischen Vorgaben zum Gesundheitswesen. Außerdem sollte z. B. die Nutzung der Patientendaten auf der Grundlage vorhandener nationaler Telematik-Strukturen und Softwaresysteme erfolgen. Mein liebes Tagebuch, die ABDA-Kritik an diesem EU-Verordnungsentwurf besteht zurecht. Der Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union wird zudem ein eigenes Positionspapier verabschieden, an dem die ABDA mitgewirkt hat. Nun denn, das sieht alles noch nach viel, viel Arbeit aus – und bis 2025 wird sich dieses EU-Vorhaben realistisch betrachtet wohl kaum verwirklichen lassen: EU-Kommission, träum weiter.
25. Oktober 2022
In Bayern setzt das Gesundheitsministerium voll und ganz auf Artpraxen und Apotheken, wenn es um Schutzimpfungen gegen Covid-19 geht. Das teilt Klaus Holetschek, der bayerische Gesundheitsminister, mit. Er lässt wissen, dass dann in Bayern die Impfzentren eingestellt werden. Klare Ansage, mein liebes Tagebuch, und mittelbar wohl auch ein Appell an uns Apothekers, hier nicht zögerlich zu sein und diese Chancen wahrzunehmen. Auf Impfzentren soll in Zukunft verzichtet werden, es gebe ausreichend Arzt- und Facharztpraxen, außerdem Betriebsärzte und Apotheken, über die die Corona-Impfungen laufen können. Vermutlich werden auch die übrigen Bundesländer ähnlich reagieren und sich von den Impfzentren verabschieden – letztlich ein Weg zurück zu mehr Normalität.
Die Hoffnungen von Bund und Gematik waren riesig: Das E-Rezept startet am 1. September in Schleswig-Holstein und Westfalen Lippe. Und jetzt? Der große Knall des Roll-Outs ist verpufft! Das E-Rezept dümpelt vor sich hin. Ein Grund dafür dürfte im Handling des E-Rezepts liegen: Den Papierausdruck mögen die Ärzte nicht und die E-Rezept-App können viele Patienten nicht nutzen wegen fehlender PIN der Krankenkassen und zu alter Smartphone-Technik. Die Hoffnung liegt auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), doch die hat vorerst der Datenschutz kassiert, Er verlangt einige Nachbesserungen und mehr Sicherheit, wenn das E-Rezept über die eGK eingelöst wird. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) verlangt daher ganz konkret: Wir erwarten von der Gematik, dem Bundesgesundheitsministerium und den Apothekenverwaltungs-Systemherstellern, dass das E-Rezept spätestens in drei Monaten mit der eGK übertragen und eingelöst werden kann. Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des Rezept und nicht verhandelbar.“ Ende November läuft diese Frist aus. Und noch immer steht in den Sternen, ob und wann der Abruf des E-Rezepts über die eGK kommt. Mein liebes Tagebuch, ist es nicht unglaublich, wie das E-Rezept immer und immer wieder verzögert wird und an neuen Hürden scheitert. Aber, das sei ausdrücklich hinzugefügt, es scheitert nicht an den Apotheken. In Westfalen-Lippe kommen die Apotheken mit dem E-Rezept gut zurecht – sofern mal eins den Weg in eine Apotheke findet.
26. Oktober 2022
Eine Krise jagt die andere. Migration, Inflation, Energie- und Klimakrise, und dazu noch eine Weltpolitik mit Kriegen, die einem das Fürchten lehren. Und unsere Bundesregierung beschäftigt sich wie in einem seeligruhigen Äquilibrium mit der Frage der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken, vulgo den Haschisch-Joints für alle. Böse Zungen meinen sogar, das sei so geplant, denn anders als im Cannabis-Rausch könne man diese Welt, diese Politik nicht mehr ertragen. Mein liebes Tagebuch, wie aus dem Eckpunktepapier des Bundeskabinetts zur geplanten Cannabis-Legalisierung hervorgeht, sollen in Deutschland künftig Erwachsene bis zu 30 Gramm Cannabis zu Genusszwecken kaufen und besitzen dürfen. Noch nicht absehbar ist, ob dieses Cannabis auch in Apotheken abgegeben wird oder nur in anderen dafür lizenzierten Geschäften. Die Ampel macht also ernst mit Cannabis für alle, gleichwohl feiert Karl Lauterbach die Cannabisfreigabe „nicht als großen Durchbruch in der Drogenpolitik“. Vielleicht ist ihm dabei auch nicht so recht wohl, wenn künftig der Cannabis-Dunst über der Republik liegt. Der Cannabiskonsum soll allerdings unter Gesundheitsaspekten reformiert werden, so schwurbelt der Bundesgesundheitsminister vor Journalisten. Wie aus den beschlossenen Eckpunkten hervorgeht, soll sich dabei alles in Deutschland abspielen, also auch der Anbau von Cannabis. Und was die Apotheke betrifft, so ließ Lauterbach durchblicken, dass er nicht unbedingt damit rechnet, Apotheken als Abgabestellen einzusetzen. Mein liebes Tagebuch, da werden viele Apotheken aufatmen und manche auch nicht – die Meinungen dazu gehen bei uns Apothekers weit auseinander. Vielleicht sollte und könnte dies der Auftakt sein, intensiver darüber zu diskutieren, wie wir uns hier positionieren wollen. Andererseits, so schnell wird eine mögliche Freigabe von Cannabis dann doch nicht kommen, denn die EU sitzt hier mit am Tisch und raucht mit. Daher will Lauterbach der EU-Kommission seine Eckpunkte zur Vorabprüfung vorlegen. Und das kann dann dauern…
27. Oktober 2022
Mein liebes Tagebuch, also, so wie es derzeit aussieht, werden unsere Apotheken wohl kein Cannabis für Genusszwecke verkaufen können, dürfen oder müssen. Die Medien zeigen derzeit jedoch reges Interesse daran, wie wir Apothekers uns selbst dazu positionieren – ein immer wieder gern hierzu interviewter Apotheker ist Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein. Er macht vor den Mikrofonen der Medien klar, dass sich die Apotheken bei der geplanten Cannabis-Legalisierung in einem heilberuflichen Konflikt sehen, obwohl sie „aufgrund ihrer fachlichen Expertise bestens geeignet“ wären, „die notwendigen hohen Qualitätsstandards bei der Abgabe und Beratung zu erfüllen“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, da stimmen wir ihm zu. Hinzu käme dann noch die mögliche Wettbewerbssituation mit den rein kommerziellen Anbietern, wie Preis hinzufügt. Und, mein liebes Tagebuch, wir ergänzen noch: Es gäbe auch den „Wettbewerb“ mit dem Cannabis-Schwarzmarkt, der durch die Legalisierung nicht weg wäre, zumal Genuss-Cannabis aus der Apotheke nicht superbillig wäre vor dem Hintergrund der Qualitätsstandards und der Steuern. Und dann gibt es zudem das Spannungsfeld und das Geschäft mit dem Medizinal-Cannabis: Wenn Genuss-Cannabis wesentlich günstiger verkauft wird wie Medizinal-Cannabis – machen das die Krankenkassen mit? Mein liebes Tagebuch, wollen wir uns stark machen, in den Wettbewerb mit Genuss-Cannabis einzusteigen? Oder ist der Verkauf von Rauschmitteln zum Genuss eher nicht unser Ding. Ehrlich gesagt, ich tendiere da eher zu Letzterem.
Über ein Viertel aller Apothekeninhaberinnen und -inhaber in Schleswig-Holstein fürchten um den Fortbestand ihres Betriebs, wenn der Apothekenabschlag erhöht wird und die Kosten wie zuletzt weiter steigen. Das ergab eine Umfrage des Apothekerverbands Schleswig-Holstein unter seinen Mitgliedern. Und wenn dazu noch der dreiprozentige Aufschlag bei Rx-Arzneimitteln gekappt würde (worüber bereits gesprochen wird), dann haben sogar 56 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber größte Bedenken für den Fortbestand ihrer Apotheken. Mein liebes Tagebuch, ich bin überzeugt, die Meinung aus dem Norden Deutschlands findet sich so oder so ähnlich auch im Westen, Osten und Süden unseres Landes. Der schleswig-holsteinische Apothekerverband fragte seine Mitglieder auch danach, ob pharmazeutische Dienstleistungen zur Kompensation der erwarteten Rohertragsverluste geeignet seien. Die Antwort fällt deutlich aus: 99 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker, die an der Umfrage teilnahmen, verneinten das. Mein liebes Tagebuch, ganz klar, pharmazeutische Dienstleistungen, und schon gar nicht in dem kleinen Umfang wie heute und mit gedeckeltem Budget können Rohertragsverluste kompensieren. Von pharmazeutischen Dienstleistungen als zweites Standbein, von dem die ABDA einst träumte, sind wir noch weit entfernt.
28. Oktober 2022
Jetzt gibt es kein Zurück mehr: Auch der Bundesrat hat das Spargesetz passieren lassen, trotz aller Kritik. Für die Apotheken bedeutet dies nun endgültig, dass vermutlich schon ab 1. Februar 2023 ein höherer Kassenabschlag zu Lasten der Apotheken gilt: Für jede auf Rezept verordnete, Arzneimittelpackung erhalten die Krankenkassen zwei Jahre lang 23 Cent mehr – und wir bekommen entsprechend 23 Cent weniger Honorar. Das schmerzt. Die Schizophrenie dabei ist, dass dieser Beitrag nicht spürbar zur Verminderung des Krankenkassendefizits beitragen kann. Aber er belastet jede Apotheke empfindlich. Mein liebes Tagebuch, und damit bei uns erst gar keine Freude aufkommt, dass die zwei Jahre vielleicht bald vorbeigehen, droht unser Bundesgesundheitsminister mit dem Inkrafttreten dieses Spargesetzes gleich schon mal die große Finanzreform an, die nötig sei und kommen werde. Es wird nicht besser werden.
Klar, sauberes Wasser wollen wir alle. Und bevor es als Abwasser in unsere Flüsse, Gewässer und Meere gelangt, sollte es geklärt werden und frei von umweltschädlichen Stoffen sein: Dafür sind Kläranlagen da, deren Betrieb je nach Aufwand der Reinigung natürlich Geld kostet. Die EU-Kommission hat einen Legislativvorschlag für die Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie veröffentlicht. Mit ihm will die EU-Kommission erreichen, dass die vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen über zwei Industriezweige finanziert wird: die Pharma- und die Kosmetikindustrie. Aber wäre das überhaupt rechtens? Die Verbände der Arzneimittel - und Kosmetikindustrie sind sich da einig: Eine Sonderabgabe für Arzneimittel-Hersteller zur Finanzierung einer vierten Reinigungsstufe für Kläranlagen wäre verfassungswidrig. Mein liebes Tagebuch, nehmen wir das Beispiel Diclofenac: ein Wirkstoff, der als umweltschädlich gilt und möglichst nicht ins Wasser gelangen sollte. Allerdings dürfte dies illusorisch sein und daher muss das Abwasser aufwändig gereinigt werden (vierte Reinigungsstufe von Kläranlagen) und das kostet. Die Diclofenac-Hersteller und -Vertreiber sollen sich, so das EU-Vorhaben, also daran beteiligen. Wie die EU-Kommission selbst ausführt, ist es Sinn solcher Gesetze, Anreize zu schaffen, dass weniger schädliche Produkte auf dem EU-Markt vertrieben werden. Mag sein, mein liebes Tagebuch, aber lässt sich dieser Gedanke auf wichtige Arzneimittel übertragen? Sollen dann Diclofenac und andere Arzneimittel, die nur teuer aus Abwässern zu entfernen sind, vom Markt verschwinden? Oder werden diese Arzneimittel dann noch teurer, weil Hersteller die Abwasserkosten auf die Preise umlegen? Das letzte Wort ist da noch nicht gesprochen.
10 Kommentare
Schweigen der Lämmer
von Dr.Radman am 30.10.2022 um 13:24 Uhr
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Was geschieht, ist richtig ... !??
von Reinhard Herzog am 30.10.2022 um 10:24 Uhr
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Zukunftsmisere
von Dr.Diefenbach am 30.10.2022 um 9:52 Uhr
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30.10.2022
von Dr. Dr. Thomas Richter am 30.10.2022 um 8:50 Uhr
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AW: 30.10.2022
von Conny am 30.10.2022 um 9:19 Uhr
Strukturgesetz und pharm. Dienstleistungen
von Ulrich Ströh am 30.10.2022 um 8:45 Uhr
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von Anita Peter am 30.10.2022 um 8:43 Uhr
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AW: Versagen
von Conny am 30.10.2022 um 9:21 Uhr
AW: .
von Linda F. am 30.10.2022 um 9:36 Uhr
Mein liebes Tagebuch
von Bernd Haase am 30.10.2022 um 8:31 Uhr
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