DAV-Handlungshilfe

So können sich Apotheken auf einen Blackout vorbereiten

Berlin - 29.12.2022, 17:00 Uhr

Der DAV hat Tipps zusammengestellt, wie sich Apotheken auf einen möglichen Blackout vorbereiten können. (Foto: IMAGO / imagebroker)

Der DAV hat Tipps zusammengestellt, wie sich Apotheken auf einen möglichen Blackout vorbereiten können. (Foto: IMAGO / imagebroker)


Stromausfälle sind in Deutschland sehr selten und können meist binnen weniger Stunden behoben werden. Dennoch fragen sich viele Apothekerinnen und Apotheker, wie sich im Ernstfall die Arzneimittelversorgung aufrechterhalten lässt. Der Deutsche Apothekerverband hat jetzt eine Handlungshilfe veröffentlicht, wie sich Apotheken auf einen Blackout vorbereiten können.

Die fossile Energiekrise schürt die Sorge vor einem flächendeckenden Stromausfall. Innerhalb der Apothekerschaft tauschen sich Kolleginnen und Kollegen bereits seit längerem aus, wie man im Ernstfall die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln aufrechterhalten kann. Jetzt legt der Deutsche Apothekerverband (DAV) eine Handlungshilfe vor, in der er Tipps gibt, wie sich Apotheken für einen möglichen Blackout wappnen können.

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„Weder im Voraus noch zum Zeitpunkt eines Stromausfalls kann dessen Ausmaß abgeschätzt werden“, schreibt der DAV einleitend. „Dieses Dokument soll die Apothekenteams dabei unterstützen, sich auf einen möglichen Stromausfall (sowohl Blackout als auch Brownout) vorzubereiten und die Arbeitsfähigkeit während eines solchen Stromausfalls zu gewährleisten. Die Maßnahmen sollten nach individueller Prüfung und auf Grundlage der – innerhalb der Apotheke – zur Verfügung stehenden Mittel Anwendung finden.“

Zur Erklärung: Während mit einem Blackout ein plötzlicher Totalausfall der Stromversorgung gemeint ist, versteht man unter einem Brownout eine Spannungsabsenkung im Stromnetz. Der Strom fließt also weiterhin zum Endverbraucher, die Spannung fällt allerdings merklich ab. Ziel ist es, durch ein kontrolliertes Absenken der Spannung einen Blackout zu verhindern.

Mitarbeitende in die Planung einbeziehen

Viele Prozesse in den Apotheken sind stromabhängig und können bei einem Stromausfall nicht wie gewohnt weiterlaufen, heißt es in der Handlungshilfe. „Trotzdem hat die Apotheke auch unter diesen Bedingungen – so weit wie möglich – die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“ Um sich auf ein solches Szenario vorzubereiten, empfiehlt der DAV, alle Mitarbeitenden in die Planung einzubeziehen und diese im QMS-Handbuch festzuschreiben.

In der Zeit des Stromausfalls sind die Tätigkeiten in der Apotheke laut DAV „auf das absolut Wesentliche zu konzentrieren. Nicht dringende Tätigkeiten/Abgaben sind auf die Zeit nach Wiederaufnahme der Stromversorgung zu verschieben.“ Sollte eine Schließung unumgänglich sein, ist dies nach Möglichkeit der Kammer und der zuständigen Behörde anzuzeigen. Zudem sollten die umliegenden Apotheken informiert werden.

Auch beim Wiedereinschalten kann es Probleme geben

Wichtig: Nach einem Stromausfall kann das plötzliche Einschalten des Stroms zu einer Überlastung und somit zu einer Beschädigung strombetriebener Systeme führen. Dies kann, unter anderem durch einen Kurzschluss, einen erneuten Stromausfall herbeiführen, warnt der DAV. „Daher ist bei einem Stromausfall darauf zu achten, alle Sicherungen abzuschalten.“ Zudem ist es möglich, dass durch den Stromausfall beziehungsweise das Wiederanschalten des Stroms bestimmte Systeme in der Apotheke beschädigt werden. Das kann teuer werden, falls sich zum Beispiel Arzneimittel mit hohem Warenwert im Kühlschrank befinden. Der DAV rät, den Versicherungsschutz zu überprüfen: „Um den Versicherungsumfang im Falle eines Stromausfalls abzuklären, empfiehlt es sich, vorab Kontakt mit der Versicherung aufzunehmen. Ggf. müssen die Konditionen angepasst werden.“

Risikoanalyse

Bei der Risikoanalyse sind dem DAV zufolge unter anderem folgende Fragestellungen zu berücksichtigen:

  • Welche Systeme und Prozesse sind von einem Stromausfall betroffen und welche Folgen hat dies?
  • Welche Prozesse müssen/sollen während eines Stromausfalls – ggf. mit Einschränkungen – weiter funktionieren, welche sind aufschiebbar?
  • Mit welchen Maßnahmen kann der Stromverbrauch reduziert werden? (Brownout)

Ärztliche Verordnungen sollten im Ernstfall weiter beliefert werden – für E-Rezepte besteht diese Möglichkeit allerdings nicht, da sie weder abgerufen werden können noch Dispensierdatensätze erstellbar sind. Hier bleibt nur die Rücksprache mit der verordnenden Praxis. Ärztinnen und Ärzte dürfen selbstverständlich handschriftliche Papierrezepte ausstellen, sofern dies über die Praxissoftware vorübergehend nicht möglich sein sollte. Fällt die EDV aus, können die Apothekenteams notwendige Arzneimittelinformationen in der gängigen Fachliteratur (Rote Liste, Arzneibuch) nachschlagen. „Die in der Apotheke vorhandene Fachliteratur ist daher dringend aktuell und verfügbar zu halten“, betont der DAV. Die Abgabe ist demnach für die spätere Abrechnung, mit Blick auf mögliche Retaxationen, aber auch aus haftungsrechtlichen Gründen, unbedingt zu dokumentieren.

Darüber hinaus empfiehlt der Verband, vorab zu klären, wie es im Ernstfall um die Erreichbarkeit der Apotheke für den Apothekenleiter und das Apothekenpersonal steht. Dabei ist zu bedenken, dass auch der Straßenverkehr und der ÖPNV von einem Blackout betroffen sein werden.

Problemfall Kommissionierer

Apotheken, die über einen Kommissionierer verfügen, sollten sich zudem damit befassen, wie sie bei einem Stromausfall an die Arzneimittel gelangen. „Es ist vorab mit dem Hersteller abzuklären, inwieweit der Kommissionier-Automat über eine unabhängige Stromversorgung oder ein Backup-Modul verfügt und über welchen Zeitraum diese zur Verfügung stehen“, schreibt der DAV. „Insbesondere empfiehlt es sich, die elektronisch gespeicherten Lagerorte der Arzneimittel regelmäßig (ggf. automatisch) auf einen vollaufgeladenen Laptop herunterzuladen, oder die Artikelbestandsliste einschließlich der Lagerorte ggf. auszudrucken.“ Überdies sollte das Apothekenpersonal geschult werden und wissen, ob und wie der Kommissionierer im Fall eines Stromausfalls betreten werden kann.

Ein besonderes Augenmerk dürfte wohl auf den Kühlschränken liegen – denn wie bereits erwähnt, lagern dort oft recht hochpreisige Präparate, deren Verlust einen hohen wirtschaftlichen Schaden für die betroffene Apotheke bedeuten kann. Folgende Punkte sind laut DAV zu beachten:

  • Wie lange hält der Kühlschrank nach einem Stromausfall die Innentemperatur? (Informationen in der Gebrauchsanweisung, Information des Herstellers, Bereithaltung analoger Thermometer zur Überwachung der Kühlschranktemperatur.)
  • Kann der Kühlschrank an einem anderen, kühleren Ort aufgestellt werden?
  • Der Beginn des Stromausfalls ist zu dokumentieren. Während des Stromausfalls empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung der Kühlschranktemperatur. Diese sollte dokumentiert werden.
  • Individuell kann geprüft werden, ob sich die Anschaffung batteriebetriebener Kühlschränke oder eines Notstromaggregats lohnt.
  • Bereithalten von Stabilitätsdaten für besonders temperatursensible Arzneimittel (Fach- und Herstellerinformation).
  • Gibt es mögliche kommunale Sammelpunkte, wo besonders wichtige kühlpflichtige Arzneimittel im äußersten Notfall gelagert werden können?

Kühlboxen zum Überbrücken

Kühlboxen bieten die Möglichkeit, die Kühlung aufrechtzuerhalten. Hierzu sollten Kühlakkus vorbereitet werden und vorab eine standardisierte Temperaturkontrolle durchgeführt werden. Es empfiehlt sich, den Einsatz von Kühlboxen mit Thermometer/Temperaturlogger-Kombination, Isolierbox-Tiefkühlelemente praktisch auszuprobieren. Hierbei sind Arzneimittel mit Abstand zum Kühlaggregat zu lagern und Arzneimittel vor Kondenswasser durch Umverpackung (Kunststofftüte) zu schützen. Eine Sicherstellung der Kühlung der Arzneimittel nach Stromausfall ist somit auf eine Zeit von 12 bis maximal 24 Stunden verlängerbar.

Auch die Kommunikation über elektronische Hilfsmittel dürfte bei einem Stromausfall beeinträchtigt bis nicht mehr möglich sein. Die Tipps des DAV:

  • Bereithalten bzw. Anschaffung eines Laptops mit funktionsfähigem Akku und zusätzlicher Powerbank/Powerstation.
  • Prüfung des Vorhandenseins oder Anschaffung eines mobilen LTE-Routers mit eigenem Akku und entsprechender Sim-Karte vom Provider.
  • Bereithalten eines Smartphones/Handys und ggf. zusätzliche Powerbank
  • Ggf. Anschaffung eines batteriebetriebenen Radios oder Kurbelradios für Behördeninformation.
  • Eingehende Faxe zusätzlich als E-Mail konfigurieren.
  • Ggf. Anschaffung eines Funkgeräts.

Das Dokument enthält zudem Hinweise unter anderem zu den Dokumentationspflichten bei Betäubungsmittelabgabe, der Rezepturherstellung, der elektronischen Datenverarbeitung (EDV), der Bestellung beim Großhandel sowie der Krankenhaus- und Heimversorgung. Interessierte finden es im geschützten Bereich auf der ABDA-Website.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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4 Kommentare

Stromausfälle und E-Rezept

von Linda F. am 30.12.2022 um 10:04 Uhr

Das E-Rezept weist durch seine Abhängigkeit von einer funktionierenden Stromversorgung Sollbruchstellen auf, die bei herkömmlichen Papierrezepten nicht bestehen.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Gefahr von Stromausfällen zeigt sich, wie anfällig das E-Rezept ist und wie schwachsinnig es ist, ein solchen System gerade in Zeiten wie diesen einzuführen.
Die Arzneimittelversorgung ist ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge und darf nicht durch ein nicht etabliertes und anfälliges System wie das E-Rezept geschwächt werden!

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Ernsthaft: Apotheke ist per Definition nicht kritische Infrastruktur

von Andreas Grünebaum am 29.12.2022 um 21:07 Uhr

Per Definition ist die Apotheke keine kritische Infrastruktur.
Wäre es so, müsste der Staat auch für die notwendigen Maßnahmen zur Vorsorge im Falle eines Ausfalles der definierten kritischen Infrastruktur (vor allem Strom und Kommunikation) aufkommen
Da aber Apotheken eben nicht zur kritischen Infrastruktur zählen, dürfen diese auch nicht zur Aufrechterhaltung auf eigene Kosten gezwungen werden, um ihren Versorgungsauftrag aufrecht zu erhalten.

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Alles

von Karl Friedrich Müller am 29.12.2022 um 21:04 Uhr

Bürokratenquatsch.
Ohne Strom wird es sehr analog.
Also Kuli, Block. Hoffen, dass der Strom bald wieder da ist, bevor der Mob die Regie übernimmt. Dass nachbestellt werden kann. Wer bekommt was? Priorsierung? Das Lager ist endlich. Sieht man doch jetzt. Plötzlich braucht man ein Vielfaches, weil nicht alle Apotheken lieferfähig sind. Ein Warenlager wird eben teilweise nicht für eine Woche reichen, auch wenn ein Monatsbedarf da ist.
Ich hab keine Vorstellung, wie lange so ein Black out dauern kann. Ein paar Stunden? Gut? 2 oder 3 Tage. Gut. Mehr? Schlecht. Je länger es dauert, um so anarchischer wird das. Fürchte ich.
Wie wird bezahlt? In Zeiten, da kleinste Beträge mit Karte bezahlt werden? Wieder Block und später Rechnungen schreiben?
Ja, das Personal? Wenn alles langsam geht, braucht man mehr oder mehr Zeit. Können überhaupt alle oder müssen die sich um die Familie kümmern?
Auf jeden Fall braucht es dann Geduld. Bei allen.

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Vorgehensweise nach EMP?

von Andreas Grünebaum am 29.12.2022 um 20:45 Uhr

Wie ist die Vorgehensweise nach einem EMP? Muss auch nach einem Atomalarm ein Approbierter die Stellung halten, auch wenn die Apotheke nicht über einen ABC-Schutzbunker verfügt?
Sollten wir vorsorglich nicht gleich wieder die Rote Liste in gedruckter Form anfordern und die Arzneimitteln in Schubschränken lagern? Gibt es diesbezüglich schon Zusagen des GKV-Spitzenverbandes zwecks Erstattung auf Basis der Möglichkeiten der 1980er? Behelfsweise auch ohne Rechenzentren mit Direktabrechnung via Deutsche Post Briefdienst. Bezüglich der Kühlung sollte die Aufsichtsbehörde auch die Füße flach halten, wenn schon die Apokalypse über Deutschland tobt.

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