Wirkstoffe der zweiten Generation

OTC-Antihistaminika: Alle gleich oder doch Unterschiede?

München - 11.04.2023, 07:00 Uhr

Heuschnupfengeplagte greifen oft zu OTC-Antihistaminika. (Foto: IMAGO / Revierfoto)

Heuschnupfengeplagte greifen oft zu OTC-Antihistaminika. (Foto: IMAGO / Revierfoto)


Die H1-Antihistaminika der zweiten Generation, die kaum noch sedieren, sind die Mittel der Wahl in der Selbstmedikation von allergischer Rhinitis und Urtikaria. Zu den vier etablierten Substanzen Cetirizin, Loratadin, Levocetirizin und Desloratadin kam kürzlich mit Bilastin eine weitere oral wirksame Substanz hinzu. Wenngleich die Gemeinsamkeiten in dem Quintett dominieren, bestehen doch anwendungsrelevante Unterschiede.

In Leitlinien zur allergischen Rhinitis werden intranasale und orale nicht-sedierende H1-Antihistaminika bei leichten bis moderaten Beschwerden (Stufe 1 von 4) gleichrangig als erste Wahl empfohlen [1]. Der Stellenwert der Tabletten sollte im Beratungsgespräch bedacht werden: Im ARIA-Therapiealgorithmus (ARIA = Allergic rhinitis and its impact on asthma) stehen als wirksamste Arzneimittel und Goldstandard bei allergischer Rhinitis intranasale Glucocorticoide. 

Diese werden als erste Wahl unbedingt empfohlen für alle Patienten mit mäßig bis schwerer Heuschnupfensymptomatik und sind ebenfalls verschreibungsfrei erhältlich [2]. Ihr Wirkeintritt erfolgt allerdings erst nach Tagen. Und auch Wissenschaftler räumen ein, dass viele Patienten orale Arzneimittel per se gegenüber Nasensprays bevorzugen. Allgemein empfohlen wird die regelmäßige Einnahme über die gesamte Saison, auch an Tagen mit wenigen Symptomen. Tatsächlich verwendet die überwiegende Mehrheit der Patienten Allergiemedikamente nur bei Bedarf: wenn Symptome nicht gut kontrolliert sind oder wenn man sich auf eine absehbar hohe Pollenbelastung einstellen möchte, etwa bei vorausgesagtem Pollenflug, einer geplanten Wanderung, einem Grillabend im Freien oder anderen Anlässen.

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Hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit werden bei oralen Präparaten der 2. Generation in der ARIA-Leitlinie keine Unterschiede gemacht [3]. Tatsächlich dominieren in der Anwendung mehr die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede, auch wenn dies werbeseitig gerne anders dargestellt wird:

Die Gemeinsamkeiten

  • Cetirizin, Loratadin, Levocetirizin, Desloratadin und Bilastin sind potente, selektive, periphere H1-Rezeptor­antagonisten.
  • Alle fünf bessern Rhinorrhoe, Pruritus und okulare Symp­tome, ohne in relevanter Weise zu sedieren.
  • Bei allen ist die tägliche Einmalgabe empfohlen, außer bei den reduzierten pädiatrischen Dosierungen von Cetirizin und Levocetirizin.
  • Die Anwendungsdauer soll bei saisonalen Beschwerden auf den Zeitraum der Exposition beschränkt sein. Bei ganzjähriger Allergie ist eine Dauerbehandlung möglich.
  • Falls keine schwerwiegende Symptomatik vorliegt oder diese kürzer als vier Wochen andauert, müssen die Patienten die verschreibungsfreien Präparate selbst bezahlen.

Es gibt anwendungsrelevante Unterschiede

Unterschiede, die für eine Empfehlung interessant sind, bestehen in 

  • der Zeit bis zum Wirkungseintritt,
  • bei Wechselwirkungen mit der Nahrungsaufnahme,
  • bei Vorliegen von Nieren- oder Leberinsuffizienz und
  • bedingt in der Schwangerschaft und Stillzeit.

So gestatten die Fachinformationen beispielsweise eine Anwendung in der Schwangerschaft bei strenger Indikationsstellung für Cetirizin und sein Enantiomer Levocetirizin. Nach der Datenbank des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin (embryotox.de) können die beiden Substanzen in allen Phasen der Schwangerschaft eingenommen werden, das gilt laut Embryotox auch für Loratadin* [4]. Bei Desloratadin und Bilastin liegen zur Anwendung bei schwangeren Frauen bislang zu wenige Daten vor.

Mehr zu den anwendungsrelevanten Unterschieden zwischen den fünf Substanzen lesen Sie in der DAZ 2023, Nr. 14, S. 46.

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*Dieser Text wurde am 21.02.2024 zuletzt redaktionell überarbeitet und um 12:45 Uhr inhaltlich aktualisiert (dm).

Literatur: 

[1] Merz R. Allergische Rhinitis: Therapieoptionen und aktuelle Trends: Zertifizierte Fortbildung der Landesärztekammer Hessen

[2] Ärzteverband Deutscher Allergologen e. V. Achtung: Beitrag der Stiftung Warentest zum Thema Heuschnupfen widerspricht gültigen Leitlinien. Pressemitteilung vom 23.02.2023

[3] Klimek L et al. ARIA-Leitlinie 2019: Behandlung der allergischen Rhinitis im deutschen Gesundheitssystem. Allergo J Int 2019; 28: 255 – 276

[4] Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin https://www.embryotox.de


Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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