Kommentar zum aktuellen Umgang mit den Eckpunkten des BMG

Apotheken brauchen mehr Geld – und Ruhe beim Kassenabschlag

Süsel - 23.02.2024, 10:45 Uhr

Wie mit den Eckpunkte der Apothekenreform umgehen? (Foto: Schelbert / DAZ)

Wie mit den Eckpunkte der Apothekenreform umgehen? (Foto: Schelbert / DAZ)


Die Eckpunkte zur Apothekenreform stehen im Raum, aber wie soll die Berufspolitik damit umgehen? Für DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn muss die Forderung nach mehr Geld im Mittelpunkt bleiben. Doch er warnt in einem Kommentar davor, den Kassenabschlag in Frage zu stellen. Denn die damit verbundene Zahlungsfrist ist eine Säule des Systems. Anregungen aus einem neuen Diskussionspapier könnten hingegen hilfreich sein.

Wie soll die Apothekerschaft mit den Eckpunkten des Bundesgesundheitsministeriums für die geplante Apothekenreform umgehen? Das ist derzeit die Kernfrage, mit der sich die Berufspolitik auf allen Ebenen beschäftigt. Die ABDA hält sich mit öffentlichen Äußerungen zurück, um die Suche nach einem Weg nicht zu belasten, aber vielleicht ist gerade dieses Vakuum eher eine Belastung.

Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen hat nun bekräftigt, dass die ABDA zu ihrer bekannten Forderung nach zwölf Euro Rx-Festzuschlag steht. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte nach dem Skonto-Urteil „Sofortmaßnahmen“ für die Apotheken gefordert. Darum darf natürlich auch darüber nachgedacht werden, was andere Honorarmaßnahmen bringen würden.

Jeder Cent beim Honorar zählt

Die Bewertung von zusätzlichen Honoraren ist einfach. Um zukunftsfähig zu werden, brauchen die Apotheken die geforderten zwölf Euro. Doch jeder Cent mehr Honorar ist ein Vorteil gegenüber dem Ist-Zustand. Dabei ist zweitrangig, ob dieser über den Festzuschlag, den Notdienstfonds oder eine neu zu konzipierende Pauschalzahlung an alle Apotheken fließt. Jede Variante hilft unterschiedlichen Apotheken mehr oder weniger, aber alle Varianten würden dem System helfen. Das gilt sogar für einen wie auch immer gestalteten Zuschlag für dünn besiedelte Räume, auch wenn der nur bei wenigen Apotheken ankäme und langen Streit über die angemessene Verteilung bringen könnte. Hier gilt: Jeder Cent zählt.

Kassenabschlag ist unabdingbar für Finanzierung

An einer Stelle gilt das aber nicht: beim Kassenabschlag. Natürlich muss der Kassenabschlag wieder sinken. Die 1,77 Euro hatten sich eingespielt und an dieser Baustelle für erfreuliche Ruhe zwischen Apotheken und Kassen gesorgt. Es darf natürlich gerne etwas weniger sein, aber grundsätzlich wird der Kassenabschlag als systemtragende Komponente gebraucht. Denn er sichert, dass die Krankenkassen innerhalb von zehn Tagen zahlen.

Obwohl die hoch regulierten Apotheken unter sehr vielen Nachteilen leiden, ist das ein wirklich bedeutsamer Vorteil gegenüber dem „normalen“ Wirtschaftsleben. Gemäß § 286 BGB tritt nach 30 Tagen Zahlungsverzug ein. Doch bis das erfasst wird und der Zahlungsempfänger mahnt, dauert es immer noch etwas.

Außerdem wissen die Apotheker, wie erfindungsreich die Krankenkassen sind. Solange noch ein formales Detail umstritten ist, könnte die Zahlung für die betreffenden Rezepte hinausgezögert werden. Derzeit geht das alles nicht. Denn ein höchstrichterliches Urteil, das der Hamburger Apothekerverein vor Jahren erstritten hat, stellt eindeutig klar, dass der Kassenabschlag für eine Monatsrechnung komplett entfällt, wenn die Kasse nicht den gesamten Betrag pünktlich zahlt.

Unverzichtbare tragende Säulen

Die Regeln zum Kassenabschlag und dieses Urteil sind insbesondere in Zeiten der Hochpreiser unverzichtbare tragende Säulen für die Finanzierung der Arzneimittelversorgung. Mit den steigenden Zinsen ist diese Finanzierung für viele Apotheken schon jetzt ein Nadelöhr und für manche das Ende, aber ohne diese Regeln würde eine unbeherrschbare Insolvenzwelle losgetreten.

Christiansen hat auch auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Die ABDA wird dies also berücksichtigen. Es geht hier anders als beim Honorar nicht um jeden Cent, sondern um ein Funktionsprinzip des Systems. Wirtschaftlich gesehen ist dies ein Thema der Liquidität. Die bekannten Forderungen der ABDA betreffen dagegen die Rentabilität. Das sollte sauber getrennt werden.

Neues Diskussionspapier – teils gut, teils für übermorgen

Soweit zu den inhaltlichen Reaktionen auf die Eckpunkte. Eine ganz andere Frage betrifft das Gesprächsklima. In einem neuen Diskussionspapier werden vielfältige Aspekte für weitere Reformschritte aufgeworfen. Wahrscheinlich ist das die Folge des eingangs konstatierten Vakuums in der berufsöffentlichen Diskussion der Eckpunkte. Die Autoren möchten damit „neue Wege“ gehen und für ein „besseres Gesprächsklima“ sorgen, hieß es bei der Kammerversammlung in Schleswig-Holstein.

Das klingt gut, und das erscheint als hilfreicher Ansatz, soweit es um Aspekte aus dem Eckpunktepapier geht. Denn aus den Gesprächen mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird berichtet, dass er nur über seine Punkte reden möchte. Demnach hätten andere Themen dort ohnehin keine Chance. Sie könnten Anregungen für künftige Debatten innerhalb der Berufspolitik sein, sind dann aber eher interessant für übermorgen.

Relevant ist selbstverständlich das Thema Honorar, das auch im Diskussionspapier vorkommt, allerdings ohne klare Positionierung. Denn solange für viele Apotheken die wirtschaftliche Existenzfrage im Mittelpunkt steht, erübrigen sich alle anderen Themen zwangsläufig. Am Ende gilt auch für dieses Diskussionspapier: Die Apotheken brauchen mehr Geld. Konstruktive Ansätze dafür sind willkommen – und hier zählt wieder jeder Cent.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Andere Welten - andere Rechnungen

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 23.02.2024 um 17:11 Uhr

Zu diversen hier präsentierten Rechnungen: In anderen Systemen (Trennung von Ware und Apothekenhonorar) ist natürlich vieles ganz anders, mir ging es um die Abschaffung des Kassenabschlags im bestehenden System und reale Apotheken, die schon jetzt ihre Kreditlinie ausgeschöpft haben und bei den Rechenzentren nach ein paar Tagen vorfälliger Zahlung fragen.

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nicht nur Skonto

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 23.02.2024 um 12:36 Uhr

Der Kassenabschlag ist auch ein Skonto, aber nicht nur ein Skonto. Die vorangegangenen Kommentare (@ Herzog und @ Klahn) machen erst recht deutlich, dass eine Änderung nur in einem komplett neuen System funktionieren würde. Das kann man sich natürlich gedanklich konstruieren, aber tatsächlich würde mit dem Wegfall einer so zentralen Säule erstmal alles zusammenbrechen.

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AW: nicht nur Skonto

von Dominik Klahn am 23.02.2024 um 12:47 Uhr

Lieber Herr Müller-Bohn,
das sind wir einer Meinung. Es geht wie immer um die Frage: aus welcher Quelle soll die Finanzierung kommen? Die "Beschleunigungsfunktion" des Abschlages ist durchaus sehr wichtig. Dennoch stellt scih die Frage nach einem dauerhaft planbaren Vergütungssystem. Aus meiner Sicht udn daher haben wir es im Paper auch nicht festgelegt: die ApothekerInnen müssen entscheiden, wie das System der Zukunft aussehen soll. Nach fast 25 Jahren Erfahrung im System tendiere ich zu der von uns besprochenen Variante mehr Unternehmertum. Aber ich bin kein Vor-Ort-Apotheker und diese Grundsatzentscheidung muss m.E. von den Betroffenen getroffen werden.

AW: nicht nur Skonto

von Peter am 23.02.2024 um 15:04 Uhr

Herr Dr., da muss ich widersprechen wenn das Argument nur die pünktliche Zahlung betrifft die ja bei UNS vorausgesetzt wird :)

Wenn man sagt, dass die Ware von uns eigentlich sofort bezahlt werden muss und alles andere für "danach" vertraglich geregelt sei, könnte man auch so gegenüber den Kassen argumentieren: Den Wareneinsatz monatlich zahlen lassen, wobei täglich heute bereits auch ohne Probleme möglich wäre (KK liegt beim GKV Rezept vor, am Ende des Tages "Kassenschnitt" über den WE iHd Taxe EK an die entsprechenden GKVen) das Honorar aber wie bei den Ärzten nur einmal im Quartal die darum bekanntlich KEINEN Abschlag zahlen müssen.
Durchschnittsapo 3,3 Mio NU, 80% GKV RX, 40 000 Packungen.
IST beim Honorar: 40 000 X 6,87=274 800
WÄRE beim Honorar: 40 000 X 8,55= 342 000

"Vorfinanzierung" unseres Honorars und der 3% für drei Monate (Finanzierung weil es fehlt, mit ca der Hälfte des Rohertrags im Monat aber die Kosten wollen ja auch bezahlt sein):
342 000 + 71 000 aus 3% -->103 000/Quartal
12% böse Zinsen: 12 360 aufs Jahr, 3090 im Quartal
Differenz: Honorarplus bei 8,55 im Quartal 16 800, Kosten 3090=13 716 im Quartal, 54 900/Jahr Plus
Wobei die Rechnung jetzt vereinfacht ist, denn ich zahle ja im ersten Monat 1/12 für 34k, im zweiten 2/12 für 34k und erst im dritten Monat 3/12 also 343+ 686+1029 sogar nur +/- 2060 Euro Zinsen für das Quartal, somit ein Quartalsplus von 14740 und 58960/Jahr

Man müsste sich mit den Kassen nur einigen, dass die Ware isoliert von unserem Honorar betrachtet wird was natürlich nicht gewollt, da gerne Arzneimittelausgaben=Apotheke und DAS schön herausposaunt werden kann, jedoch würde der Übertrag auf die GKV wonach Ware sofort bezahlt werden muss, aber das Fixum unangetastet bleibt, also täglich, wohl größere Probleme bereiten. Außerdem sollte man auch nicht vergessen, dass sich die GKV von unserer Wertschöpfung aus Honorar + 3% ca 17,5% als Zwangsskonto gönnt.

Kassenrabatt ....

von Reinhard Herzog am 23.02.2024 um 11:24 Uhr

Nun ja, ob der Kassenrabatt eine tragende Säule sein muss, sei mal dahingestellt. Alles eine Frage künftiger Vertragsgestaltung. Dann werden eben 10 oder 14 Tage Zahlungsfrist (nicht unüblich im Geschäftsleben) ohne Abzug vereinbart.

Nein, der Kassenrabatt ist eine rein fiskalische Maßnahme und spart zurzeit reichlich 1,2 Mrd. Euro brutto p.a. für die Kassen, mit 1,77 brutto um 1,1 Mrd. €.

Rein rechnerisch sieht es doch so aus:
12% Zins p.a. (1% p.M.) angenommen, Zeitgewinn 20 Tage = 0,67 Monate (10 ggü. 30 Tagen Zahlungsfrist).

Nehmen wir 75 € Brutto-Packungswert Rx an, würden darauf 0,67% für die schnellere Zahlung fällig. Das macht im Schnitt ziemlich genau 50 Cent brutto an angemessenem Kassenrabatt je Rx-Packung, kaufmännisch gerechnet.

Selbst wenn wir mit im Geschäftsleben üblichen 1% bis 1,5% Skonto rechnen, landen wir weit tiefer als heute. Ob man im Umfeld einer strikten Preisregulierung überhaupt übliche Geschäftspraktiken zugrunde legen kann, ist eine weitere Frage.

Im Grunde könnte man sogar soweit gehen, und den Rabatt nur auf den Rohertrag der Apotheke erheben. Dann wären wir bei wenigen Cent ...

Aus o.a. Gründen ist eine Abschaffung des Kassenrabattes zurzeit schwierig bis unmöglich. Aber aus monetären Gründen, nicht aus strukturellen. Denn die lassen sich gestalten.
Und kaufmännisch rückgerechnet bewegt sich der heutige Abschlag (2 Euro brutto) mit 48% Zins p.a. (!!) im Grunde auf Wucherniveau.

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AW: Kassenrabatt

von Dominik Klahn am 23.02.2024 um 12:24 Uhr

Lieber Herr Herzog, ich stimme Ihren Ausführungen zu. Auch ist zu bedenken, dass die entstandene Skontolücke bislang nicht durch das GKV-System ausgefüllt bzw. finanziert wurde. Eben das macht das Thema im politischen Raum schwierig. Bester Gruß, D. Klahn.

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