Interview mit Kristine Lütke (FDP)

„Eine reine Umverteilung wird bei der Apothekenvergütung nicht genügen“

Berlin - 02.05.2024, 07:00 Uhr

Kristine Lütke ist seit kurzem innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion für die Apothekenthemen zuständig. (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Kristine Lütke ist seit kurzem innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion für die Apothekenthemen zuständig. (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)


Kristine Lütke ist seit März Obfrau der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss. Zudem ist sie nun Berichterstatterin für Apothekenthemen. Die DAZ sprach mit der Liberalen über die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Apothekenreform – und über mögliche andere Wege, die Apothekenvergütung anzupassen.

DAZ: Frau Lütke, nachdem ihr Parteikollege Lars Lindemann kürzlich aus dem Bundestag ausgeschieden ist, landen die Apothekenthemen nun auf Ihrem Schreibtisch. An welchen Stellen sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf?

Lütke: Im Apothekensektor gibt es viel zu tun. Derzeit kämpfen viele Apothekenteams mit der Einführung des E-Rezepts. Die Sorge vor Retaxationen und die vielen technischen Ausfälle machen der Branche zu schaffen. Hinzu kommen schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die letztlich auch die Suche nach Arbeitskräften erschweren. Und die erleichterten Abgaberegeln aus der Pandemie, die wir eigentlich verstetigen wollten, funktionieren in der Praxis auch noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Da müssen wir nochmals ran. Denn gerade in Zeiten von Lieferengpässen könnte ein bisschen mehr Beinfreiheit für die Apotheken beim Beliefern von Rezepten die Versorgung spürbar erleichtern. Generell sehe ich die Notwendigkeit, bürokratische Hürden im Apothekenwesen zu senken – nicht nur auf gesetzgeberischer Ebene, sondern auch auf Ebene der Selbstverwaltung. Dazu wünsche ich mir konkrete Vorschläge vonseiten der ABDA.

Derzeit warten die Apothekerinnen und Apotheker gespannt auf den Referentenentwurf zur Apothekenreform. Die Eckpunkte liegen bereits seit Dezember 2023 vor. Welche Ansätze gefallen Ihnen und an welchen Stellen wollen Sie nachbessern?

Es ist schade, dass uns der Referentenentwurf noch immer nicht vorliegt. Denn was in den Eckpunkten steht und was sich letztlich im Entwurf wiederfindet, unterscheidet sich manchmal recht deutlich. Für mich ist klar: Wir wollen die Freien Berufe stärken. Ich bin mir sicher, dass wir mit den Koalitionspartnern noch über viele Dinge, beispielsweise die Frage der „Apotheken light“, diskutieren werden müssen. Darüber hinaus müssen wir auch über innovative Ideen und auch darüber sprechen, wie zum Beispiel die Telepharmazie sinnvoll eingesetzt werden kann. Das Pharmaziestudium ist hochkomplex und Apothekerinnen und Apotheker verfügen über sehr viel Fachwissen. Wir sollten uns überlegen, wie wir dieses Wissen effizient nutzen und wie wir das finanziell abbilden können.

Damit sind wir schon beim Apothekenhonorar. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant in den Eckpunkten eine Umverteilung innerhalb der Branche. Reicht das aus oder braucht es mehr Geld im System?

Eine reine Umverteilung wird bei der Apothekenvergütung nicht genügen. Dafür ist zu lange nichts passiert. Gleichzeitig müssen wir im Blick behalten, was innerhalb des Gesundheitssystems refinanzierbar ist – Einsparungen erhoffe ich mir insbesondere von der Krankenhausreform. Meine Fraktion ist jedenfalls durchaus bereit, sich die Vergütungssystematik der Apotheken genau anzuschauen und zu überlegen, wie wir ihnen helfen können. Den Gedanken einer Art Gebührenordnung für Apotheken werden wir noch genauer auf Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit prüfen müssen.

Die wirtschaftliche Lage der Apotheken dürfte sich durch das sogenannte Skonto-Urteil vom Februar 2024 weiter verschärfen. Inzwischen liegen die Urteilsgründe vor – wie wird die Ampel nun reagieren?

Wir haben verstanden, dass dieses Urteil für die Apotheken deutliche finanzielle Einschnitte bedeutet – und das in einer ohnehin angespannten wirtschaftlichen Situation. Allerdings müssen wir auch berücksichtigen, dass hohe Skonti den Pharmagroßhandel sehr belasten. Das müssen wir fein austarieren. Möglicherweise werden wir das Problem schon im Zuge der geplanten Apothekenreform angehen.

Vom FDP-Landesverband Thüringen kam kürzlich ein Vorschlag für eine Honoraranpassung, der innerhalb der Apothekerschaft auf viel Zustimmung gestoßen ist. Inwiefern werden Sie damit auch auf Bundesebene arbeiten?

Die Kollegen greifen berechtigte Punkte auf. Allerdings kann ich zu diesem Zeitpunkt keine Versprechungen machen, was einzelne Werte betrifft. Denn was wir an der einen Stelle geben, müssen wir an anderer Stelle wegnehmen. Das müssen wir beachten, weil die Kosten in der GKV sonst immer weiter steigen werden. Diskutieren werden wir die einzelnen Positionen und auch die Höhe der Vergütung aber sicherlich.

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Sie haben eingangs die Retax-Sorgen im Zuge der E-Rezept-Einführung bereits angesprochen – auch solche Kürzungen tragen zur wirtschaftlichen Unsicherheit bei. Befürworten Sie eine Friedenspflicht, sofern es sich um technische Fehler handelt, die nicht in die Verantwortung der Apotheken fallen?

Ja, natürlich. Und ich weiß, dass auch das BMG dazu aufgerufen hat, eine solche Friedenspflicht zu wahren, bis die technischen Probleme gelöst sind. Dass es am Anfang etwas ruckelt, ist normal. Wir müssen aber dafür sorgen, dass dabei nicht unverhältnismäßige Schäden entstehen – in diesem Fall für die Apothekerinnen und Apotheker.

Ein weiteres Problemfeld im Zusammenhang mit dem E-Rezept ist die Heimversorgung. Ihre Familie betreibt eine Seniorenpflegeeinrichtung. Welche Erfahrungen machen Sie dort mit den elektronischen Verordnungen?

Wir haben bei uns im Ort zum Glück kurze Wege zur Arztpraxis und auch zu unserer Apotheke. Da fährt schonmal der Hausmeister oder die Heimleitung hin und bringt die Gesundheitskarten vorbei. Aber das kann keine Blaupause für alle sein, vielerorts wird es so nicht funktionieren. Die Versorgung wird sicher einfacher, wenn auch die Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur angebunden sind. Bis dahin müssen wir schauen, wie wir die Übergangsphase gut gestalten.

Wie bewerten Sie derzeit die E-Rezept-Einführung insgesamt?

Ich bin froh, dass das E-Rezept jetzt endlich da ist. Noch kämpfen wir mit den Kinderkrankheiten, aber das wird sich alles einspielen. Wenn es erst einmal richtig läuft, bringt es sicher Erleichterungen für alle Beteiligten mit sich.

Frau Lütke, vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Kristine Lütke, geboren 1982, stammt aus dem Nürnberger Land und vertritt im Bundestag den Wahlkreis Roth. Im Jahr 2021 wurde sie erstmals über die Landesliste in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort ist sie Mitglied im Gesundheitsausschuss, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie drogen- und suchtpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Nachdem ihr Parteikollege Lars Lindemann nach der im Februar in Berlin teilweise wiederholten Bundestagswahl sein Bundestagsmandat verlor, wurde Lütke zudem Obfrau der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss und Berichterstatterin für Apothekenthemen. Lütke hat Soziale Arbeit und Gerontologie studiert. Seit 2002 betreibt ihre Familie im mittelfränkischen Lauf eine  Seniorenbetreuung und -pflege für 69 Bewohner.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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7 Kommentare

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FDP-Kuschelkurs, Gegenfinanzierung

von Dorf-Apothekerin am 02.05.2024 um 13:51 Uhr

Von den Streicheleinheiten können wir uns nichts kaufen, davon vegetieren wir seit Jahren.
Auch im Krankenhaussektor soll noch gespart werden, obwohl dort dringend Personal gebraucht würde, das bei Krankenhausschließungen ja nicht unbedingt zum neuen Standort wechselt, schon eher in einen neuen Beruf, wie z.B. als Quereinsteiger bei den Lehrern, wo man auch bisher den Personalmangel ignoriert hat und nun dringend eine Lösung braucht. Falls man bei den KH's tatsächlich noch sparen kann, könnten wir vielleicht auf einen Obulus hoffen! Solche Träumereien sind doch nichts Neues unter der Sonne.
Refinanzierung könnte gelingen, wenn die echten Steuerhinterziehungen nicht durchgewunken würden, wenn man z. B. bei Betrug im Sozialsystem mal die Augen auf machen würde, ein Migrant keinen Anspruch auf ein neues Gebiß oder eine Brustvergrößerung hätte, wenn man nicht Entwicklungshilfe zahlen würde und die Bevölkerung dieser Staaten dann hier noch durchfüttert (entweder oder) u.s.w. Aber dann müßten die Zuständigen ja nachdenken und Verantwortung übernehmen.
Dann müßte die Krankenhausreform auch nicht durch künstliche Befruchtungen oder Abtreibungen refinanziert werden!
Für die Refinanzierung in den Apotheken eignet sich zur Zeit der Drogenhandel besser.
Für die Kostensteigerungen ist im Übrigen ja wohl der Staat selber zuständig, der ohne über die Folgen fürs System nachzudenken Forderungen nach höheren Löhnen unterstützt (Mindestlohn, von Andrea Nales-SPD eingeführt), die zwar Kosten steigern, für den Bürger aber keinen Mehrwert bringen.
Wo man hin schaut geht es doch nur um Wählerstimmen und nicht um echte Korrektur falsch gestellter Weichen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

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F

von Dr. Radman am 02.05.2024 um 13:12 Uhr

Ich weiß nicht, warum ich immer einen Würgereiz bekomme, wenn ich das Wort "FDP" lese. Seltsam!

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.

von Anita Peter am 02.05.2024 um 9:57 Uhr

Wenn wirklich eine Umverteilung stattfinden soll, dann muss man den Apothenmarkt genau segmentieren. Einfach die variable Komponente gewaltig absenken und ein paar cent auf den Fixzuschlag drauf, ist keine Umverteilung, sondern einfach ein amateurhaftes Vorgehen um eine weise Handlung vorzutäuschen.
In einem ersten Schritt gehören Apotheken mit Sterillabor und Zyto Herstellung sowie Blisterzentren aus der Gesamtbetrachtung der Vor Ort Apotheken rausgenommen und gehören gesondert betrachtet.
Der verbliebene Rest gehört sauber im Median betrachtet. Dann, und erst dann, hat man ein klares Bild,wie es um die Vor Ort Apotheken steht.

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AW: .Frau Peter

von Roland Mückschel am 02.05.2024 um 10:22 Uhr

Erstens ist ihr Vertrauensvorschuss in eventuelle mathematisch-statistische Kentnisse der Politiker
wohl gänzlich unbegründet.
Zweitens haben sie den Halbsatz der Kernaussage nicht gelesen: reine Umverteilung wird nicht reichen,
Ist aber besser als gar nichts…

AW: .

von Anita Peter am 02.05.2024 um 10:32 Uhr

"Reine Umverteilung wird nicht reichen" impliziert, dass auch die FDP eine Umverteilung plant, aber eben auch eine zusätzliche Erhöhung des Honorars für notwendig erachtet.

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