Selbstmedikation bei Migräne

Welches OTC-Triptan wann empfehlen?

Stuttgart - 28.05.2024, 07:00 Uhr

Entscheidend für die Auswahl des richtigen Triptans bei Migräne sind die Wirkdauer und der Wirkeintritt der Substanzen. (Foto: Marc Calleja / AdobeStock)

Entscheidend für die Auswahl des richtigen Triptans bei Migräne sind die Wirkdauer und der Wirkeintritt der Substanzen. (Foto: Marc Calleja / AdobeStock)


Naratriptan war 2006 das erste Triptan, das aus der Verschreibungspflicht entlassen wurde. Es folgten Almotriptan (2011) und Sumatriptan (2020). Nachdem die entsprechende Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung nun in Kraft ge­treten ist, wird mit Rizatriptan bald das vierte Triptan für die Selbstmedikation zur Verfügung stehen. Es stellt sich die Frage: Wem kann welches Triptan empfohlen werden?

Als Migräne bezeichnet man Attacken mit heftigen, häufig einseitig pulsierend-pochenden Kopfschmerzen. Diese werden bei körperlicher Aktivität schlimmer und können mit Photo- und Phonophobie einhergehen. Weitere Begleitsymptome sind Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80%) und Erbrechen (40 bis 50%). Die Intensität und Dauer der Attacken kann stark variieren. Unbehandelt kann eine Migräneattacke bis zu 72 Stunden dauern. Migräne kann mit oder ohne Aura auftreten. Beim Aura-Typ kündigen Wahrnehmungsstörungen (z. B. Lichtblitze, Flimmern, Gesichtsfelddefekte, Gefühlsstörungen, Sprachprobleme) die Migräneattacke an. 

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Migräne ist mit einer Jahres-Prä­valenz von 10 bis 15% eine der häufigsten Kopfschmerz­formen. Besonders häufig sind Frauen zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr betroffen. Die Diagnose Migräne wird von einem Arzt anhand der Anamnese gestellt, wenn der neurolo­gische Untersuchungsbefund ansonsten unauffällig ist.

NSAR in der Therapie

Bei leichten und mittelstarken Migräneattacken sollten zunächst nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Kombinationsanalgetika ausprobiert werden. Wenn diese nicht ausreichend wirksam sind oder bei (mittel-)schweren Migräne­attacken haben Triptane die beste Wirksamkeit.

Als NSAR kommen unter anderem folgende teilweise verschreibungspflichtige Wirkstoffe und Dosierungen (Einzeldosis: ED, Tageshöchstdosis: TD) infrage:

  • Acetylsalicylsäure (ED: 500 mg bis 1000 mg; TD: 3000 mg)
  • Diclofenac-Kalium (ED: 50 bis 100 mg; TD: 150 mg)
  • Ibuprofen (ED: 200 bis 600 mg; TD: 1200 bis 2400 mg)
  • Naproxen (ED: 500 bis 1000 mg; TD: 1250 mg)
  • Phenazon (ED: 500 bis 1000 mg; TD: 4000 mg)

Als Kombinationsanalgetika stehen unter anderem folgende Kombinationen zur Verfügung:

  • ASS (250 mg) + Paracetamol (200 mg) + Coffein (50 mg); z. B. Neuralgin®, Neuranidal® N, Spalt® plus Coffein N, Thomapyrin® classic, (ED: eine bis zwei Tabletten; TD: sechs Tabletten)
  • ASS (250mg) + Paracetamol (250mg) + Coffein (50 mg); z. B. Thomapyrin® intensiv (ED: eine bis zwei Tabletten; TD: sechs Tabletten)

Wirkmechanismus der Triptane

Triptane sind im Rahmen der Selbstmedikation bei Erwachsenen Mittel der ersten Wahl, wenn die Migräne nicht ausreichend auf NSAR oder Kombinationsanalgetika anspricht. Triptane sind Agonisten an verschiedenen Serotonin-Rezeptoren (5-HT1B/1D/1F-Rezeptoren). Es wird angenommen, dass die Dilatation von Blutgefäßen für Migräneattacken mit verantwortlich ist. Durch die Aktivierung der Serotoninrezeptoren kommt es zu einer Konstriktion von extrazerebralen und intrakraniellen Blutgefäßen. Außerdem wird die Freisetzung von Neuropeptiden inhibiert und in der Folge die zentrale trigeminale Schmerzleitung reduziert.

Nebenwirkungen der Triptane

Der Wirkmechanismus der Triptane ist auch für die wichtigste Nebenwirkung verantwortlich. Durch Stimulation peripherer 5-HT1B-Rezeptoren kontrahieren Gefäße des Herz-Kreislauf-Systems und in der Folge kommt es zu Blutdruckanstieg oder kardialen Ereignissen (z. B. Koronar­spasmen, Myokardinfarkt, Angina pectoris). Daher gelten Koronare Herzkrankheit (KHK), Angina pectoris, Myokard­infarkt, transiente ischämische Attacke (TIA), Schlaganfall und fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) in der Anamnese als Kontraindikation für die Einnahme eines Triptans.

Anwendungsbeschränkungen der Triptane

Da Personen über 65 Jahre in den Zulassungsstudien ausgeschlossen waren, dürfen auch OTC-Triptane ab diesem Alter nicht mehr abgegeben werden. Für Jugendliche ab zwölf Jahren stehen mit Sumatriptan-Nasensprays (z. B. Imigran nasal 10 mg) und Zolmitriptan-Nasensprays (z. B. Ascotop® nasal 5 mg) nur verschreibungspflichtige Arzneiformen zur Verfügung. Folglich beschränkt sich der OTC-Einsatz von Triptanen auf Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren.

Aufgrund der agonistischen Wirkung im Serotonin-System ist theoretisch bei allen Triptanen eine Wechselwirkung mit Antidepressiva, welche die Wiederaufnahme von Serotonin hemmen, möglich. Serotonerge Syndrome wurden bislang nur selten beschrieben. Am sichersten ist bei Einnahme entsprechender Antidepressiva (MAO-Hemmer, SSRI, SNRI, Johanniskraut-Extrakt) jedoch im OTC-Bereich Naratriptan, da dieses über viele CYP-Enzyme metabolisiert wird und keine relevante Interaktion zu erwarten ist.

Literaturtipp

Wenn der Schädel brummt

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Wirkdauer und Wirkeintritt der Triptane

Entscheidend für die Auswahl des richtigen Triptans sind die Wirkdauer und der Wirkeintritt der Substanzen. Generell gilt: Für eine gute Wirksamkeit sollten die Analgetika (NSAR, Kombinationsanalgetika, Triptane) früh in der Kopfschmerzphase der Migräneattacke eingenommen werden. Wenn jedoch eine Aura auftritt und noch kein Kopfschmerz eingesetzt hat, wirken Triptane nicht. Bei lang dauernden Migräne­attacken kann der Kopfschmerz nach initialer Wirksamkeit des Triptans wieder auftreten (Wiederkehrkopfschmerz, headache recurrence). Dann darf frühestens zwei Stunden nach der initialen Dosis eine weitere Dosis eingenommen werden. Die Kombination eines Triptans mit einem langwirk­samen NSAR wie Naproxen wirkt besser als die Einzel­komponenten und kann den Wiederkehrkopfschmerz teilweise verhindern.

Abb.: Beratungsschema für Kunden mit Migräne

Wenn ein Triptan bei einer Migräneattacke nicht wirkt, ist die Einnahme einer weiteren Dosis des gleichen Triptans ebenfalls wirkungslos. Dann sollte stattdessen ein Kombinationsanalgetikum oder ein schnell wirksames NSAR eingenommen werden. Die Einnahme eines anderen Triptans wird dann nicht empfohlen, sondern kann bei einer neuen Migräneattacke probiert werden. Bei einer Kontraindikation gegen NSAR kann auch Paracetamol (ED: 1000 mg, TD: 4000 mg) oder das verschreibungspflichtige Metamizol (ED: 500 bis 1000 mg; TD: 4000 mg) eingenommen werden.

Patienten, die während einer Migräneattacke unter Übelkeit und Erbrechen leiden, können außerdem von der Kombi­nation mit den verschreibungspflichtigen Antiemetika Meto­clopramid (ED: 10 mg; TD: 30 mg) oder Domperidon (ED: 10 mg; TD: 30 mg) profitieren. Dadurch bessern sich oftmals nicht nur die vegetativen Symptome, sondern auch die Wirksamkeit des Schmerzmittels. Die Tabelle bietet einen Überblick der OTC-Triptane inklusive der wichtigsten Einnahmehinweise.

Tab.: Triptane zur Selbstmedikation der Migräne für Erwachsene (18 bis 65 Jahre) [nach Leitlinie], Stand: 14. Mai 2024

 NaratriptanAlmotriptanSumatriptanRizatriptan
Beispiele für PräparateFormigran, Naradex, Naratriptan HexalAlmotriptan Heumann, Dolortriptan

Sumatriptan Hexal bei Migräne

Sumatriptan ratiopharm

noch kein OTC-Präparat verfügbar
IndikationMigräne mit und ohne AuraMigräne mit und ohne AuraMigräne mit und ohne AuraMigräne mit und ohne Aura
Dosierung

initial: 2,5 mg

maximal 5 mg in 24 Stunden

initial: 12,5 mg

maximal 25 mg in 24 Stunden

initial: 50 bis 100 mg

maximal 300 mg in 24 Stunden

initial: 10 mg

maximal 20 mg in 24 Stunden

Wirkeintrittbis zu 4 Stunden45 bis 60 Minuten45 bis 60 Minuten30 Minuten
Eliminations­halbwertszeitt½ = 6 Stundent½ = 3,5 Stundent½ = 2 Stundent½ = 2 bis 3 Stunden
schwere Niereninsuffizienznicht empfohlenDosisanpassung, maximal 12,5 mg in 24 StundenVorsicht gebotenkontraindiziert
schwere Leberinsuffizienznicht empfohlenkeine Studiendaten vorhandennicht empfohlenkontraindiziert
Schwangerschaftstrenge Indikations­stellungVorsicht gebotenstrenge Indikations­stellungstrenge Indikations­stellung
Stillzeitsorgsam abwägen, ggf. 24 Stunden nicht stillensorgsam abwägen, ggf. 24 Stunden nicht stillensorgsam abwägen, ggf. 12 Stunden nicht stillensorgsam abwägen, ggf. 24 Stunden nicht stillen

Triptane sollten im Rahmen der Selbstmedikation nur an Erwachsene mit ärztlich diagnostizierter Migräne abgegeben werden (s. Abb.). Diese Personen haben daher meistens bereits Erfahrung mit verschreibungspflichtigen Triptanen. Wenn die bisher eingenommenen Triptane effektiv waren, sollte versucht werden, ein Triptan auszuwählen, welches in der Wirkdauer und im Wirkeintritt vergleichbar ist (s. Kasten „Wirkeintritt und -dauer von Triptanen“).

Möchte ein Patient einen möglichst schnellen Wirkeintritt kombiniert mit einer langen Wirkdauer, hat sich in Studien die gemeinsame Einnahme von Sumatriptan mit Naproxen als besonders effektiv herausgestellt. Migränepatienten, welche häufig unter Wiederkehrkopfschmerz leiden, nützt oftmals ein Triptan mit langer Wirkdauer wie Naratriptan am besten, da hier die Wahrscheinlichkeit für einen wiederkehrenden Kopfschmerz geringer ist. Mit Rizatriptan wird demnächst ein orales Triptan mit schnellem Wirkeintritt im OTC-Bereich zur Verfügung stehen. Die Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung, die notwendig war, um Rizatriptan aus der Rezeptpflicht zu entlassen, ist am 9. Mai 2024 in Kraft getreten. Noch stehen aber keine entsprechenden Präparate in der Sichtwahl. Die Hersteller müssen zunächst noch die nötigen Änderungen etwa bezüglich der Deklaration und Indikation beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen. Von Rizatriptan profitieren vor allem Patienten, die unter kurzen, heftigen Migräneattacken leiden. Da die Einnahme nach dem Essen den Wirkeintritt bei Rizatriptan um circa eine Stunde verzögert, sollte es auf möglichst nüchternen Magen eingenommen werden.

Wirkeintritt und -dauer von Triptanen

schneller Wirkeintritt:

  • Sumatriptan subkutan (3 mg, 6 mg)
  • Zolmitriptan nasal (5 mg)
  • Eletriptan per oral (20 mg, 40 mg)
  • Rizatriptan per oral (5 mg, 10 mg)

mittelschneller Wirkeintritt und längere Wirkdauer:

  • Sumatriptan per oral (50 mg, 100 mg)
  • Zolmitriptan per oral (2,5 mg, 5 mg)
  • Almotriptan per oral (12,5 mg)

langsamer Wirkeintritt und lange Wirkdauer:

  • Naratriptan per oral (2,5 mg)
  • Frovatriptan per oral (2,5 mg)

Nicht-medikamentöse Tipps

Patienten, die häufiger unter Migräneattacken leiden, sollten ein Schmerztagebuch führen. Das dient einerseits dazu, zu objektivieren, wie häufig Schmerzmittel eingenommen werden müssen, andererseits können hiermit potenzielle Auslöser identifiziert werden. Neben hormonellen Schwankungen kommen unter anderem Nahrungsmittel, Stress und Bewegungsmangel als Auslöser in Frage. Prophylaktisch können daher Entspannungsverfahren, Ausdauersport und eine ausgewogene Ernährung hilfreich sein. Während der Migräneattacke tut es den Patienten meistens gut, sich hinzulegen und Lärm sowie Licht möglichst abzuschotten.

Fazit

Migräne ist eine häufige Erkrankung, die mit einem hohen Leidensdruck einhergeht. Mit den Wirkstoffen Rizatriptan, Sumatriptan, Almotriptan und Naratriptan stehen nun vier Triptane im OTC-Bereich zur Verfügung, welche vom schnellen, über den mittelschnellen bis hin zum langsamen Wirkeintritt alles abdecken. Somit ist eine rasche und effektive Hilfe für die meisten Migränepatienten im Rahmen der Selbstmedikation nun möglich.

Literatur

Diener H, Förderreuther S, Kropp P. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie(DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), Stand: Oktober 2022, AWMF-Registriernummer 030/057

Fachinformationen der genannten Präparate


Dr. Karin Schmiedel, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von QDmqBNaxkAXMGIgc am 19.06.2024 um 20:56 Uhr

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