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Versorgungsauftrag geht vor
Selbstständiger Apotheker muss „Pille danach“ abgeben
Vor knapp sechs Jahren machte er seine Apotheke in Berlin-Neukölln bereits zu. Damit kam Andreas Kersten einem jetzt gefällten Urteil des Berufsobergerichts für Heilberufe zuvor. Dieses befand: Weil sich der gläubige Pharmazeut aus Gewissensgründen geweigert hatte, die „Pille danach“ abzugeben, hätte er die Selbstständigkeit aufgeben müssen.
Die Neuköllner Undine Apotheke sorgte vor ihrer Schließung im September 2018 immer wieder für Schlagzeilen. Ihr Inhaber war ein gläubiger Katholik, der schon im Eingangsbereich auf Zetteln darauf hinwies, dass er die „Pille danach“ nicht abgab. Für ihn beginnt das Leben mit der Empfängnis – und es verdient ohne Wenn und Aber absoluten Schutz, erklärte er. Auch mit Verhütungsmitteln tat sich der Apotheker schwer – sie gab er mit einer Beilage ab, in der er betonte, welche Bereicherung des Lebens Kinder sind. Regelmäßig war seine Apotheke Ziel von Farbattacken, speziell am Weltfrauentag. Seine Apotheke gab er allerdings auf, weil ihm andere Rahmenbedingen zu schaffen machten, die steigenden Anforderungen, die wachsende Bürokratie.
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Die Berliner Apothekerkammer kritisierte sein Vorgehen zwar, ließ ihn aber zunächst lange gewähren. Dann kam es doch zu einer berufsrechtlichen Klage. Dem Pharmazeuten wurde vorgeworfen, in vier Fällen „entgegen bestehender Verpflichtung die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht gewährt und damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes nicht gedient zu haben“. Zudem soll er ohne gesetzliche Grundlage personenbezogene Daten zweckwidrig verwendet haben.
Zunächst nur eine Verwarnung wegen Datenschutz-Verstoß
Das Berufsgericht verhängte in erster Instanz aber nur eine „Warnung“ für den Apotheker – die mildeste aller im Berufsrecht vorgesehenen Sanktionen. Und die bezog sich lediglich auf einen Datenschutz-Verstoß. Die Abgabeverweigerung aus Gewissensgründen ließ das Gericht hingegen durchgehen – unter Hinweis auf das Berliner Kammergesetz, das zumindest 2016 noch besagte, dass religiöse Ansichten oder Handlungen nicht Gegenstand eines berufsrechtlichen Verfahrens sein könnten.
Diese Woche hat nun das Berufsobergericht für Heilberufe am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg etwas anders entschieden – für den Neuköllner Apotheker hat sich das Urteil rein praktisch allerdings überholt. Denn das Gericht meint: Einem Apotheker mit einem Gewissenskonflikt wie diesem sei es zumutbar, seine Selbstständigkeit aufzugeben.
Wie entzieht man sich zumutbar einem Gewissenskonflikt?
Wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt, müsse ein selbstständiger Apotheker mit seiner Apotheke dem gesetzlichen Versorgungsauftrag mit Arzneimitteln genügen. Die „Pille danach“ sei ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, dessen Abgabe er nicht aus Gewissensgründen verweigern dürfe. Die grundgesetzlich geschützte Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) setze einen ernsthaften Gewissenskonflikt voraus, dem man sich nicht auf zumutbare Weise entziehen könne. Wer sich zur Führung einer öffentlichen Apotheke entschließe, müsse die umfassende Versorgung gewährleisten – oder eben auf die Selbstständigkeit verzichten. Es gebe andere berufliche Möglichkeiten für Pharmazeuten, in denen dieser Gewissenskonflikt nicht bestehe, so das Gericht.
Berufsobergericht für Heilberufe am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2024, Az.: OVG 90 H 1/20
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