Stellungnahme zum Apotheken-Reformgesetz

„Verschreibungspflichtig durch Apotheken“: Autorengruppe will neue Abgabekategorie schaffen

Berlin - 10.07.2024, 17:50 Uhr

Für besonders risikobehaftete OTC-Arzneimittel schlägt eine Autorengruppe um HAV-Chef Seyfarth eine neue Abgabekategorie vor: „verschreibungspflichtig durch Apotheken“. (Foto: DAZ/Schelbert)

Für besonders risikobehaftete OTC-Arzneimittel schlägt eine Autorengruppe um HAV-Chef Seyfarth eine neue Abgabekategorie vor: „verschreibungspflichtig durch Apotheken“. (Foto: DAZ/Schelbert)


Risikobehaftete und daher besonders beratungsintensive OTC-Arzneistoffe sollen künftig in eine neue Abgabekategorie einsortiert werden: „verschreibungspflichtig durch Apotheken“. Das ist eine der Ideen, die der selbsternannte Expertenkreis um den hessischen Verbandschef Seyfarth ins Spiel bringt. Was könnte das für die Apotheken bedeuten?

Mit dem Referentenentwurf eines Apotheken-Reformgesetzes von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann sich die ABDA nicht anfreunden. Die geplanten Apotheken ohne Apotheker sind nicht nur ihr ein Dorn im Auge. Solange dieses Vorhaben nicht aus dem Entwurf verschwindet, wird sie ihn weiterhin kategorisch ablehnen, statt auf aktives Mitgestalten zu setzen.

Offenbar will die Standesvertretung damit Druck aufbauen – doch in die kommunikative Lücke stoßen nun andere hinein. Nicht nur die Freie Apothekerschaft, auch ein selbsternannter Expertenkreis um den Vorsitzenden des Hessischen Apothekerverbands, Holger Seyfarth, hat inzwischen Vorschläge vorgelegt, wie eine Reform des Apothekenwesens gelingen könnte. Zu den Autoren zählen neben Seyfarth auch die Branchenkenner Reinhard Herzog (Apotheker und AWA-Herausgeber), David Matusiewicz (Gesundheitsökonom), Dominik und Daniela Klahn (Ökonom und Juristin), Björn Kersting (Apotheker und Gesundheitsökonom) und Ulrich Ströh (Apotheker).

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In ihrer Stellungnahme zum Apotheken-Reformgesetz reißt die Gruppe einige Punkte an, die eine genauere Betrachtung wert sind. Einer davon betrifft eine mögliche neue Abgabekategorie:


„Es wird zudem angeregt, erwiesenermaßen deutlich risikobehaftete OTC-Arzneiwirkstoffe in das System der Rx-Festpreise mit einer vertieften Beratungserfordernis aufzunehmen. (…) Wettbewerbsverzerrungen im Hinblick auf den Versandhandel gilt es zu vermeiden, indem entsprechende regulatorische Vorkehrungen getroffen werden (z. B. Schaffung einer neuen Abgabekategorie ‚verschreibungspflichtig durch Apotheken – persönlicher Kontakt erforderlich‘).“

Stellungnahme zum Apotheken-Reformgesetz


Auch wenn diese Idee noch Feinschliff benötigt, ist doch erkennbar, dass sie grundsätzlich Potenzial bietet – sowohl aus heilberuflicher Perspektive als auch aus Patientensicht. Denn zum einen würde so für jeden erkennbar, dass der Einsatz bestimmter OTC-Präparate einer besonders sorgfältigen Abwägung und Beratung bedarf, die nur das pharmazeutische Personal im persönlichen Gespräch leisten kann. Das kann dazu beitragen, den Wert der pharmazeutischen Beratung in der öffentlichen Wahrnehmung hervorzuheben und hätte gleichzeitig eine Signalwirkung für die Patientinnen und Patienten, die einen entsprechenden Arzneimittelwunsch hegen.

Chancen für weitere OTC-Switches?

Zum anderen ist es denkbar, dass sich daraus Chancen für weitere OTC-Switches ergeben könnten. Denn möglicherweise fiele es dem Sachverständigenrat für die Verschreibungspflicht leichter, bestimmte Wirkstoffe lediglich von der ärztlichen in die apothekerliche Verschreibungspflicht zu entlassen, als sie gänzlich als OTC einzustufen. Ohnehin ist es naheliegend, den Sachverständigenrat damit zu beauftragen, die Arzneistoffe festzulegen, die in die neue Abgabekategorie einsortiert werden sollen.

Durch die in der Stellungnahme vorgesehene Eingliederung in das Rx-Festpreissystem sollte die Wirtschaftlichkeit für die Apotheken gesichert sein und Preisschlachten unterbunden werden. Gleichzeitig ist durch den geforderten persönlichen Kontakt der Versandhandel außen vor – ein weiterer Pluspunkt für die stationären Apotheken.

Zwei Stolpersteine

Aus diesen zwei Aspekten ergeben sich jedoch mögliche Probleme. Zum einen könnten die Preise für einige Arzneimittel steigen, die in die neue Abgabekategorie fallen. Es ist zwar auch der umgekehrte Fall denkbar, aber schon einzelne zusätzliche Belastungen der Patientinnen und Patienten könnten die Umsetzung erschweren. Denn Wählerstimmen gewinnt man mit solchen Initiativen eher nicht. Die Autoren gehen in ihrer Stellungnahme davon aus, dass die Packungspreise in der neuen Kategorie bei 10 bis 12 Euro beginnen dürften, halten das aber für zumutbar und angemessen.

Zum anderen ergäbe sich daraus faktisch ein Versandverbot durch die Hintertür, das mit hoher Wahrscheinlichkeit letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof landen würde. Ob das Konzept dort standhalten würde, ist fraglich.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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2 Kommentare

Was bedeutet das denn für die bestehende Kategorie apothekenpflichtig?

von Mira Bellenbaum am 11.07.2024 um 12:55 Uhr

Wenn eine neue rechtliche Kategorie für Arzneimittel geschaffen wird, die zur Abgabe eine Beratung durch pharmazeutisches Personal voraussetzt, was soll denn dann die logische Konsequenz für die Arzneimittel sein, welche nicht darunter fallen? Ich sehe hier große Begeisterung der Drogeriemärkte, welche sich genüsslich auf diesen Markt schmeißen werden. Der pharmazeutische Beratungsaspekt dürfte im Vergleich zur ausländischen, nicht-regulierten Versand"-Apotheke" nur geringfügig abweichen.

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Experten

von Thomas Kerlag am 10.07.2024 um 20:40 Uhr

Was ich nicht verstehe ist.
An höchster Stelle wird in der Politik von unabhängigen, abhängigen Dilettanten entschieden.
Hier reden wir von studierten Fachleuten auf
ihrem Gebiet und bezeichnen sie als selbsternannte Experten. Es ist apothekertypisch, dass man sich gegenseitig minderwertiger macht als man sich sowieso schon empfindet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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