Wie lässt sich Beteiligung bei Kammerwahlen erhöhen?

Mitmachen statt Abtauchen

Berlin - 26.09.2024, 07:00 Uhr

(Foto: Christian Schwier /AdobeStock)

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Freie und geheime Wahlen sind der Grundpfeiler einer jeden Demokratie. Doch innerhalb der Apothekerschaft ist ein bedenklicher Trend zu beobachten: Seit vielen Jahren sinkt die Teilnahme an den Kammerwahlen nahezu im gesamten Bundesgebiet. Was sind die Gründe dafür und wie lässt sich diese Entwicklung bremsen? Die DAZ begibt sich auf Spurensuche.

Alle vier bis fünf Jahre sind die Apothekerinnen und Apotheker in ihren Kammerbezirken aufgerufen, sich einzubringen und bei den Kammerwahlen ihre Stimme abzugeben. Davon macht jedoch nur ein Teil der Kolleginnen und Kollegen Gebrauch: Bei den jeweils letzten Kammerwahlen konnte lediglich Sachsen-Anhalt eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent verzeichnen. In manch einem Kammergebiet nimmt nicht einmal jeder vierte Stimmberechtigte an der Wahl teil – Tendenz sinkend.

In der Standespolitik wird diese Entwicklung mit Sorge beobachtet. Denn zum einen wünschen sich die berufspolitischen Vertreterinnen und Vertreter einen möglichst breiten demokratischen Rückhalt. Zum anderen stellt sich die Frage nach den Gründen für die seit Jahren sinkende Wahlbeteiligung – und damit letztlich auch, wie sich dieser Trend aufhalten lässt.

Der Blick auf die Zahlen (siehe Tabelle) zeigt, dass die meisten Kammern in den vergangenen drei Wahlperioden bei der Wahlbeteiligung bis zu 5 Prozentpunkte eingebüßt haben. Lediglich das Saarland hat ein Plus zu verzeichnen, Berlin und Westfalen-Lippe konnten die Wahlbeteiligung weitgehend stabil halten. Deutliche Einbrüche von mehr als 10 Prozentpunkten mussten Niedersachsen und Schleswig-Holstein hinnehmen. Mehr als 40 Prozent Wahlbeteiligung schafften mit Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fast nur Kammern aus den neuen Bundesländern – zu ihnen gesellt sich aus dem Westen allein das Saarland.

Tab.: Wahlbeteiligung in den einzelnen Bundesländern

KammerbezirkJahrBeteiligungJahrBeteiligungJahrBeteiligung
Baden-Württemberg201131,6 Prozent201629,1 Prozent202124,7 Prozent
Bayern*
Berlin201538,2 Prozent201940,8 Prozent202439,3 Prozent
Brandenburg201245,0 Prozent201744,6 Prozent202142,7 Prozent
Bremen**
Hamburg***
Hessen****
Mecklenburg-Vorp.201539,1 Prozent201945,4 Prozent202336,3 Prozent
Niedersachsen201438,9 Prozent201937,2 Prozent202422,7 Prozent
Nordrhein201436,9 Prozent201936,3 Prozent202432,4 Prozent
Rheinland-Pfalz201134 Prozent201630 Prozent202129 Prozent
Saarland201144,0 Prozent201640,5 Prozent202146,2 Prozent
Sachsen201552,7 Prozent201950,1 Prozent202348,8 Prozent
Sachsen-Anhalt201153,4 Prozent201656,6 Prozent202152,2 Prozent
Schleswig-Holstein201335,1 Prozent201832,4 Prozent202323,5 Prozent
Thüringen201549,0 Prozent201950,6 Prozent202347,0 Prozent
Westfalen-Lippe201439,5 Prozent201940,3 Prozent202439,6 Prozent

* keine Angaben – Wahlbeteiligung nur nach Bezirken erfasst

** Vollversammlung

*** Im Jahr 2023 Umstellung von Vollversammlung auf ein mehrstufiges Wahlsystem zur Delegiertenversammlung; Wahlbeteiligung nicht mit Werten anderer Kammern vergleichbar

**** keine Angaben – Wahlbeteiligung statistisch nicht erfasst

 

Was ist das Erfolgsrezept?

Was ist das Erfolgsrezept jener Kammern, denen es gelingt, besonders viele Mitglieder zum Wählen zu motivieren? Spitzenreiter war zuletzt Sachsen-Anhalt mit einer Wahlbeteiligung von 52,2 Prozent. Keiner anderen Kammer gelang es, mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe zu bewegen. Eine Sprecherin erläutert auf DAZ-Anfrage, die AKSA werbe im Vorfeld der Wahl üblicherweise in öffentlichen Informationsveranstaltungen für die Teilnahme. „Der amtierende Kammervorstand war dabei in landesweit sechs Regionen unterwegs und stellte dort die Arbeit der Kammer vor“, informiert die Sprecherin. „Dabei warb er aktiv, sich auch selbst zur Wahl zu stellen. Das kam gut an und in den Veranstaltungen wurden zahlreiche Kandidatenzettel erstellt und die dafür notwendigen Unterstützungsunterschriften eingesammelt.“ Ausgebremst habe die AKSA zuletzt die Pandemie – flankierend zur Wahl im Jahr 2021 habe es lediglich eine Online-Veranstaltung gegeben. 2016 hatte die Wahlbeteiligung noch bei 56,6 Prozent gelegen, also um 4,4 Prozentpunkte höher als 2021.

Der persönliche Kontakt werde in Sachsen-Anhalt ohnehin großgeschrieben: Vor der Pandemie habe auch die damalige Geschäftsführerin viele Gespräche mit den Mitgliedern geführt. „Insgesamt wurde also sehr viel Wert auf die Kommunikation und auf den Kontakt der Mitglieder untereinander gelegt, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu steigern“, erläutert die Sprecherin. Dass der persönliche Kontakt geschätzt wird, zeige auch, dass Präsenzveranstaltungen wie das Fortbildungswochenende in Wernigerode sehr gefragt seien. „Vielleicht liegt es aber auch nur an unserem kleinen Bundesland, mit eigener Universität, wo sich viele untereinander kennen und es daher nicht so anonym ist.“

Auf einem der Top-Plätze findet sich auch Sachsen: Im Jahr 2023 lag die Wahlbeteiligung im Freistaat bei 48,8 Prozent. Die Freude trübt allein der Blick zurück. Im Jahr 2019 hatte die Wahlbeteiligung noch bei 50,1 Prozent gelegen, 2015 gaben 52,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab und 2011 waren es sogar 58,4 Prozent gewesen. „Im Vergleich zu anderen Apothekerkammern schneidet die SLAK in der Wahlbeteiligung sicher überdurchschnittlich ab, allerdings ist auch hier ein Rückgang zu verzeichnen“, schreibt eine Kammersprecherin auf Anfrage der DAZ. Über anstehende Wahlen informiert die SLAK wie üblich im Kammerblatt, auf der Kammerhomepage und in der Fachpresse. Zudem erinnert sie die Kammermitglieder regelmäßig in E-Mails und Rundbriefen daran, ihre Stimme abzugeben. Weshalb Sachsen im bundesweiten Vergleich so gut abschneidet, ist nicht ohne Weiteres zu erklären. „Gründe für die höhere Wahl­beteiligung im Vergleich zu anderen Kammern konnten wir außer den regelmäßigen Erinnerungen nicht detektieren“, heißt es vonseiten der SLAK.

Geringste Beteiligung in Niedersachsen

Am unteren Ende der Rangliste findet sich die Apothekerkammer Niedersachsen. Im Jahr 2024 gaben lediglich 22,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab – im Vergleich zu den beiden Wahlgängen zuvor steht damit unter dem Strich ein Minus von etwa 15 Prozentpunkten. Dabei hatte die Kammer unter ihren Mitgliedern kräftig dafür geworben, sich zu beteiligen: Neben der postalischen Wahleinladung und ausführlicher Information in der Mitgliederzeitschrift „Mitteilungen“ schaltete Niedersachsen auf der Kammerwebsite einen eigenen Bereich frei, in dem die Stimmberechtigten Wissenswertes rund um die Kammerwahlen fanden, wie eine Sprecherin der Kammer der DAZ schreibt. In den hauseigenen Social-Media-Kanälen sei die Wahl im Wahljahr wöchentlich breit beworben worden. Auch der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) habe sich in zwei Beiträgen für eine Beteiligung an der Wahl stark gemacht. Zudem habe die Kammer zu einer abendlichen Online-Informationsveranstaltung eingeladen, in der Delegierte über ihre Motivation und ihre Erfahrungen aus ihrer Arbeit in der Kammerversammlung berichteten. Ein Umstand könnte zumindest einen Beitrag geleistet haben, dass Niedersachsen solch deutliche Verluste bei der Beteiligung zur Kammerwahl hinnehmen musste: Im Jahr 2024 stellte die Kammer von einer reinen Brief- auf eine reine Online-Wahl um. Ob und wenn ja, weshalb sich dies derart drastisch auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt hat, bleibt Spekulation. Die Sprecherin betont: „Verständnisfragen zum Wahlverfahren oder auch Kritik an der elektronischen Wahl gab es nicht.“

Online-Wahl als Grund für geringe Beteiligung?

Einen Einbruch bei der Wahlbeteiligung erlebte auch die Kammer Schleswig-Holstein. Während die Beteiligung an der Kammerwahl im Jahr 2018 noch bei 32,4 Prozent gelegen hatte, wählten im Jahr 2023 nur 23,5 Prozent der Stimmberechtigten – ein Minus von fast 9 Prozentpunkten. Da auch die AKSH zu diesem Zeitpunkt von einer reinen Brief- auf eine reine Online-Wahl umgestellt hat, liegt die Vermutung nahe, dass dies ein Grund für die geringe Wahlbeteiligung sein könnte. Geschäftsführer Felix-Alexander Litty glaubt das allerdings nicht. „Jede Amazon-Bestellung ist komplizierter“, sagt er im Gespräch mit der DAZ. Technische Hürden sieht er nicht, das Verfahren sei überaus simpel. „Wir haben allen Wahlberechtigten einen Brief mit einem QR-Code und einer sehr detaillierten Anleitung geschickt“, berichtet er. Die Mitglieder seien also wie gewohnt auf postalischem Weg über die anstehende Wahl informiert worden. Lediglich das händische Ausfüllen der Unterlagen und der Gang zum Briefkasten seien durch das digitale Angebot ersetzt worden – aus Littys Sicht ist das eine Erleichterung für die Stimmberechtigten.

Wenn die Umstellung nach Einschätzung des AKSH-Geschäftsführers also nicht der entscheidende Faktor ist, worauf ist die mangelnde Wahlbeteiligung dann zurückzuführen? „Wir erleben gerade eine allgemeine Unzufriedenheit im Berufsstand“, sagt Litty. Das hohe Arbeitsaufkommen in den Apotheken, die wirtschaftliche Unsicherheit und die Rahmenbedingungen der Berufsausübung sorgten für Frust, der auch die Wahlbeteiligung negativ beeinflusse. Als Ausdruck der Geringschätzung der Kammerarbeit oder gar des Präsidenten, Kai Christiansen, lasse sich die niedrige Wahlbeteiligung jedenfalls nicht interpretieren, betont er. „Der Präsident hat einen großen Rückhalt in Schleswig-Holstein. Das lässt sich unter anderem daran ablesen, dass in seinem Wahlkreis Nord die Wahlbeteiligung besonders hoch war.“ Dort haben Litty zufolge etwa 50 Prozent der selbstständigen Apothekerinnen und Apotheker ihre Stimme abgegeben.

Unauffällige Zahlen in Berlin

Ein merkliches Plus bei der Wahlbeteiligung verzeichnet lediglich das Saarland. Im Vergleich zum Jahr 2016 (40,5 Prozent) stieg sie 2021 um mehr als 5 Prozentpunkte auf 46,2 Prozent. Eine eindeutige Erklärung dafür kann die Kammer nicht liefern. Möglicherweise sei das als Zustimmung zum deutlich verstärkten politischen Engagement der Kammer zu interpretieren, vermutet deren Geschäftsführer Carsten Wohlfeil. Konkrete Schritte, um die Wahlbeteiligung zu steigern, seien jedenfalls nicht unternommen worden.

Die Zahlen, die Berlin meldet, wirken zunächst unauffällig. Mit 39,3 Prozent Wahlbeteiligung im Jahr 2024 steht die Kammer vergleichsweise gut da, belegt aber keinen der Top-Plätze im bundesweiten Vergleich. Allerdings ist es in der Hauptstadt gelungen, die Wahlbeteiligung in den vergangenen Jahren weitgehend zu stabilisieren – das schafften nur wenige. Kammerpräsidentin Ina Katharina Lucas berichtet von einem intensiven Haustür-Wahlkampf, den ihre Liste geführt hat. „Wir haben insgesamt fast 400 Apotheken besucht, uns dort vorgestellt und nachgefragt, was sich die Apothekerinnen und Apotheker eigentlich von ihrer Kammer wünschen“, sagt sie im Gespräch mit der DAZ. Lucas‘ Liste errang letztlich mit mehr als 45 Prozent der abgegebenen Stimmen einen klaren Wahlsieg. „Es scheint, als hätten die Mitglieder, die wir persönlich angesprochen haben, verstärkt von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht“, schlussfolgert sie. Die aufwendige Wahlwerbung, die ihre Liste betrieben hat, ist dabei aus ihrer Sicht ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Brief- und Online-Wahlen in Westfalen-Lippe

Auch die Kammer Westfalen-Lippe konnte die Wahlbeteiligung zuletzt weitgehend stabil halten. In der Heimat von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening setzt man gezielt auf einen Mix aus Online- und Präsenzangeboten: Die AKWL ist die einzige Kammer, die sowohl Brief- als auch Online-Wahlen anbietet. Im Jahr 2019 war sie die erste Kammer, die ihren Mitgliedern anbot, ihre Stimmen online abzugeben. Damals nutzte etwa ein Drittel der Wahlteilnehmerinnen und -teilnehmer diese Möglichkeit, im Jahr 2024 waren es bereits rund 45 Prozent. Eine Auswertung der AKWL zeigt: Vor allem unter den Jüngeren ist dieses Verfahren beliebt. „Die Option zur Online-Wahl soll gerade online-affineren Mitgliedern die Wahl erleichtern – ohne die Freund*innen der klassischen Briefwahl zu vergrämen“, erklärt ein Sprecher dazu. „Frei nach dem Motto: Das eine tun, ohne das andere zu lassen.“

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Zudem informiert die AKWL über die Debatten und Beschlüsse der Kammerversammlung am Folgetag der jeweiligen Sitzungen in Online-Mitteilungsblättern und bietet mit AKWL-TV eine filmische Aufarbeitung aktueller Themen an. Nach Angaben des Sprechers organisiert sie darüber hinaus Stammtische, um ihre Mitglieder zu erreichen. Im Repertoire hat sie dabei sowohl einen Online-Treffpunkt zum apothekerlichen Austausch als auch analoge Konzepte etwa für junge Kolleginnen und Kollegen, Seniorinnen und Senioren sowie Filialleiterinnen und -leiter. Bemerkenswert: In Westfalen-Lippe stieg die Wahlbeteiligung unter den Pharmazeuten im Praktikum zuletzt deutlich. Ein Grund dafür könnte laut AKWL-Hauptgeschäftsführer Andreas Walter sein, dass die Kammer in den vergangenen Jahren ihre Nachwuchsarbeit an der Universität Münster spürbar intensiviert hat.

Vorteile von Online-Wahlen

Online-Wahlen verdienen im Zusammenhang mit der Wahlbeteiligung offenbar ein besonderes Augenmerk. Während sie in Westfalen-Lippe als ergänzendes Angebot zur Briefwahl eventuell zur Stabilisierung beigetragen haben könnten, verbuchten Niedersachsen und Schleswig-Holstein bei Umstellung von der reinen Brief- auf eine reine Online-Wahl einen deutlichen Rückgang bei der Wahlbeteiligung. Alle drei Kammern setzten bei der technischen Umsetzung auf den Anbieter Polyas. Das Unternehmen blickt auf rund 28 Jahre Erfahrung mit Online-Wahlen zurück. Zu den Kunden zählen neben verschiedenen Arten von Kammern nach eigenen Angaben auch zum Beispiel Kommunen, Kirchen, Parteien und Hochschulen.

Angesichts der Zahlen aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen betonen Peter Schraeder, Teamkoordinator und Senior Content Marketing Manager bei Polyas, und seine Kollegin Nina Bauerfeind gegenüber der Redaktion die Vorteile, die eine reine Online-Wahl dennoch haben kann. Insbesondere die Kosten sind demnach ein wichtiger Faktor. „Briefe zu verschicken, ist teuer“, sagt Bauerfeind. Selbst wenn die Institutionen die Möglichkeit nutzen, die Wahleinladungen per Brief zu verschicken – so wie es alle drei Kammern getan haben –, sei das letztlich noch immer preiswerter als die klassische reine Briefwahl. Zudem sei es bei Nutzung eines Online-Wahlsystems unkompliziert und kostengünstig möglich, Wahlerinnerungen zu verschicken, sofern die E-Mail-Adressen der Wahlberechtigten vollständig vorliegen. „Wir registrieren, dass diese Erinnerungen durchaus etwas bringen“, unterstreicht die Wahlexpertin. Nach dem Versenden sei zu beobachten, dass anschließend besonders viele Menschen ihre Stimme abgeben.

Tipps vom Experten

Wie es gelingen kann, die Wahlbeteiligung zu steigern, damit beschäftigt sich auch Schraeder in seinem Berufsalltag. Er hat einige Tipps zusammengestellt, wie sich Wahlberechtigte animieren lassen, tatsächlich ihre Stimme abzugeben. So sei es etwa eine Option, im Wahlzeitraum eine Umfrage unter den Wählerinnen und Wählern zu starten, die bisher noch nicht gewählt haben. „Man kann zum Beispiel fragen, ob diese Personen planen zu wählen, ob ihre Wahlentscheidung schon feststeht und ob sie eher auf der Arbeit oder von zuhause aus wählen werden“, zählt Schraeder auf. Das rege dazu an, den Wahlvorgang zu visualisieren und sich innerlich mit der Wahl zu befassen. Eine eigene Wahl-Website erleichtere es den Stimmberechtigten, sich über das Prozedere und die Wahlmöglichkeiten zu informieren.

Social-Media-Kampagnen können ebenfalls dazu beitragen, Aufmerksamkeit für die Wahl zu schaffen. „Dabei sollten auch die zur Wahl stehenden Kandidatinnen und Kan­didaten ihre Reichweite nutzen“, sagt der Marketing-Fachmann. Auch wenn sich seiner Erfahrung nach viele damit schwertun: Der persön­liche Appell eines Kandidierenden, sich an der Wahl zu beteiligen, könne recht wirkungsvoll sein. Aufrufe von sogenannten Wahlbotschaftern seien ebenfalls geeignet, zum Wählen zu animieren. „Das sollten innerhalb des Wählerkreises möglichst bekannte Persönlichkeiten sein, mit denen sich die Stimmberechtigten identifizieren können“, erläutert Schraeder.

Nicht zuletzt gelte es, die potenziellen Wählerinnen und Wähler durch die Ansprache zu motivieren. „Man kann zum Beispiel schreiben: ‚Lieber Wähler, Ihre Stimme zählt und wirkt‘“, schlägt Schraeder vor. Denn oft hätten Wahlberechtigte das Gefühl, sie könnten eh nichts verändern und ihre Stimme sei nicht so wichtig. Vor diesem Hintergrund sei es auch denkbar, den Wählerinnen und Wählern nach der Abstimmung für ihre Teilnahme zu danken und über die Ergebnisse zu informieren.

Was sind Hindernisse für die Stimmabgabe?

Was aber sind Faktoren, die potenzielle Wählerinnen und Wähler an der Stimmabgabe hindern? Das Ergebnis einer nicht repräsentativen DAZ-Umfrage (siehe Kasten) zeigt: Gut ein Drittel (35 Prozent) der Nichtwähler ist der Meinung, Wählen brächte nichts. Fast jede:r Fünfte (19 Prozent) gibt an, nicht zu wissen, was er oder sie da genau wählt. Sonstige Gründe nannten 28 Prozent der Teilnehmenden, die zuletzt nicht gewählt hatten. Aus den Freitext-Antworten ist vor allem abzulesen, dass sich einerseits viele von ihnen nicht angemessen vertreten fühlen, es andererseits aber auch an Kenntnis der Programme der einzelnen Listen, den zur Wahl stehenden Personen und an Zeit mangelt, sich mit den Inhalten zu befassen. Zwar stellen alle Kammern diese Informationen bereit, zumeist sowohl online als auch in speziellen Mitgliederzeitschriften. Offenbar fühlen sich die Apothekerinnen und Apotheker dadurch jedoch nicht ausreichend angesprochen oder können sich auf Basis solcher Zusammenfassungen kein konkretes Bild machen, welche Kandidaten oder Listen ihre Interessen am besten repräsentieren.

Grund für das Nichtwählen: „Es bringt ja eh nichts“

Warum nehmen viele Kolleg*innen die Möglichkeit zur Mitbestimmung bei den Wahlen der Standesorgane nicht wahr? Diese Frage haben wir unseren Leser*innen in einer Umfrage gestellt. Insgesamt haben sich 290 Personen daran beteiligt. Davon sind 113 in der öffentlichen Apotheke beschäftigt, darunter 101 als Angestellte. 112 der Teilnehmenden sind Inhaber*innen. Die übrigen sind in Krankenhausapotheken oder anderweitig als Apotheker*innen tätig, zum Beispiel in der Industrie oder an der Universität. Die Mehrheit der Befragten (191) hat bei der letzten Kammerwahl tatsächlich auch gewählt.

Nennenswerte Unterschiede zwischen Inhaber*innen und Angestellten sowie zwischen den Geschlechtern gab es bei der Erhebung nicht. Der Hauptgrund für das Nichtwählen ist der nicht repräsentativen Erhebung zufolge, dass die Wahlberechtigten der Meinung sind, dass es eh nichts nützt, die Stimme bei Kammerwahlen abzugeben, bzw. man sich von Kammern und Co. nicht vertreten fühlt. Mehr als ein Drittel vertritt diese Auffassung. Das deckt sich mit den Ergebnissen von 2021, als wir diese Umfrage schon einmal durchgeführt haben. Ein weiterer relativ häufig angegebener Grund waren fehlende Informationen über die Kandidat*innen und für welche In­halte diese Personen stehen. Letzteres lässt sich vermutlich leichter beheben als die allgemeine Unzufriedenheit innerhalb der Apothekerschaft mit der Arbeit der Standesvertretung. Die hat zumindest gefühlt eher zugenommen. Inwiefern sich das in den kommenden Jahren auf die Wahlbeteiligung auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Wie den Abwärtstrend stoppen?

Um den Abwärtstrend bei der Wahlbeteiligung zu stoppen, gibt es also kein Patentrezept. Ein Ansatzpunkt könnte der – recht aufwendige – Haustürwahlkampf sein, wie ihn Lucas‘ Liste in Berlin praktiziert hat. Intensive Nachwuchsarbeit bereits ab Studienbeginn wie in Westfalen-Lippe schafft möglicherweise Identifikation und damit mittelfristig eine Perspektive, die Wahlbeteiligung unter den jungen Apothekerinnen und Apothekern anzukurbeln. Und in Sachsen-Anhalt scheinen regionale Informationsveranstaltungen und die generelle Nähe zur Wählerschaft ein Baustein zu sein, um die Kolleginnen und Kollegen zur Stimmabgabe zu animieren. Es deutet sich also an, dass das Mantra der Präsenzapotheken auch für die Berufspolitik gelten könnte: Der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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2 Kommentare

Kammerwahlen

von Landapothekerin am 26.09.2024 um 10:38 Uhr

ABDA reformieren: ja. Aber Achtung: wenn wegen zu niedriger Wahlbeteiligungen die Politik unsere Standesvertretungen nicht mehr als offizielle Vertretung der Apothekerschaft betrachten sollte und uns womöglich statt dessen fachfremde Nicht-Pharmazeuten vor die Nase setzen sollte, hätte dies katastrophale Folgen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Kein Wunder

von Dr. Radman am 26.09.2024 um 9:34 Uhr

Meiner Meinung nach, so lange die Kammern einen Teil des ABDA Konstrukts bilden, interessiere sich Niemanden mehr für sie. Erst wenn die ABDA, als Geldverbrennungsofen ohne jegliche Effizienz, sich auflöst, werden die Mitglieder wieder bei Kammerwahlen aktiv werden. .

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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