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Mehr Impfungen, mehr Risiken
Was die Versicherungspolice von Impfapotheken abdecken sollte
Apotheken sollen künftig weitere Impfungen durchführen können. Vorgesehen ist die Verabreichung sämtlicher Totimpfstoffe. Sollten die notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden, bringt das allerdings nicht nur neue Kompetenzen, sondern auch neue Risiken. Möglicherweise muss der Versicherungsschutz angepasst werden.
entschlossen, das Impfangebot in Apotheken auszuweiten. Zunächst war das im Zuge der Apothekenreform vorgesehen. Die ist aber heftig ins Stocken geraten. Und so wurde das Impfthema per Änderungsantrag ins Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz eingebracht. Dieses befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren. Am 13. November befasst sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags damit in einer öffentlichen Anhörung.
Zwar sind Impfungen – siehe Grippe und Coronavirus – in Apotheken nicht ganz neu, doch nun sollen etliche weitere dazukommen: Im Gespräch sind Polio, FSME, Tetanus und Diphtherie. Wenn aber Impfungen in Apotheken durchgeführt werden, dann kommen für die Inhaber neue Risiken hinzu.
Die gute Nachricht zuerst: Für alle apothekenspezifischen Versicherungspolicen – also solche, die automatisch alle in Apotheken zugelassenen Tätigkeiten rechtsverbindlich mitversichern – greift für Impfungen seit Corona als betriebsübliches Risiko automatisch der volle Versicherungsschutz.
Anders sieht es bei branchenunspezifischen Lösungen, also insbesondere bei Handels- und auch bei allgemeinen Heilberufe-Policen aus. Bei diesen empfiehlt es sich, bei dem zuständigen Versicherungsberater eine schriftliche Bestätigung darüber anzufordern, dass Impfungen mit abgedeckt sind. Erst dann besteht für den Inhaber garantiert Versicherungsschutz.
Über die generelle Impf-Mitversicherung hinaus sollten Inhaber jedoch zudem einen Blick auf die im abgeschlossenen Vertrag vereinbarten Summen werfen. Denn gerade bei Personenschäden im Zusammenhang einer Impfung kann es schnell um extreme Schadensersatzforderungen gehen. Als Mindest-Versicherungssumme sollten 5 Millionen Euro hinterlegt sein, besser aber 10 Millionen Euro. Die Prämie steigt dadurch nur unwesentlich.
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wieder eine rechtlich wenig belastbare Argumentation durch die Branche, mit der die Haftungsfrage vom Tisch gefegt werden sollte: Impfungen seien gar nichts anderes als eine Arzneimittelabgabe, mithin also Tagesgeschäft für die Apotheke. Damit gebe es auch keine zusätzliche Haftungsproblematik. Versicherungstechnisch ist es aber ein himmelweiter Unterschied, ob einem Patienten eine Packung in die Hand gedrückt oder ein Impfstoff in den Körper injiziert wird. Ein körperlicher Eingriff gilt aus juristischer Sicht grundsätzlich zuerst einmal als Körperverletzung. Nur wenn der Impfling explizit sein Einverständnis zur Impfung gegeben hat und korrekt informiert sowie dokumentiert wurde, ist der Vorwurf der Körperverletzung vom Tisch.
Und noch ein Unterschied ist relevant: Bei einer „normalen“ Arzneimittelabgabe hat ein Arzt nach einer Untersuchung entschieden, welches Präparat das richtige ist. Danach ist die Apotheke am Zug. Hat man dort Bedenken – beispielsweise wegen einer möglichen Unverträglichkeit oder einer unerwünschten Wechselwirkung –, kann mit der Arztpraxis Rücksprache gehalten werden. Die Apotheke ist eine Art Kontrollinstanz. Diese zusätzliche Kontrolle entfällt aber, wenn die Apotheke den Impfstoff auswählt und verabreicht. Genau hier würde dann eine gegnerische Rechtsanwaltskanzlei sehr vermutlich ansetzen, wenn es um mögliche Impfschäden ginge.
Unveränderte Impfstoffe meist unproblematisch
Bislang haben Apotheken Impfstoffe unverändert an Praxen abgegeben, in Haftung konnten sie dabei nicht genommen werden. Es sei denn, in der Apotheke wäre ein Fehler unterlaufen, der dazu geführt hat, dass der Impfstoff unbrauchbar wird, zum Beispiel wenn die Kühlkette unterbrochen wurde. In solchen Fällen können Haftungsfragen auftreten. Komplizierter wird es, wenn Impfstoffe in der Apotheke bearbeitet, zum Beispiel rekonstituiert, werden. Im Zusammenhang mit Corona-Impfungen hatte beispielsweise der Berliner Apotheker-Verein (BAV) seinen Mitgliedern davon abgeraten, für Arztpraxen oder Impfzentren Spritzen aufzuziehen. „Die Rekonstitution von Comirnaty von Biontech und die Befüllung der Spritzen in der Apotheke ist nicht vorgesehen und wird mit Blick auf haftungsrechtliche Fragen nicht empfohlen“, so der BAV damals. Apotheken, die selbst COVID- Impfungen durchführen, können sich um das Aufziehen von Spritzen nicht herumdrücken. Daher stellt sich die heikle Frage nach einer Versicherung, die Herstellerrisiken nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) abdeckt, einer sogenannten AMG-Deckung.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte seinerseits in der Pandemiezeit betont, dass Apotheker keine pharmazeutischen Unternehmer seien und deshalb auch keine arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung nach § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) benötigen. Sicher ist, dass mindestens bei der Überschreitung der 100er-Regel für Defekturen die Argumentation des BMG ausgehebelt wird. Dazu kommt, dass es bei der Mehrheit der Haftpflichtfälle um behauptete Tatbestände geht. Diese werden vor Gericht entschieden. Ob also Apotheken einer AMG-Haftung unterliegen, werden am Ende Gerichte klären, nicht das BMG. Deshalb ist es für impfende Apotheken sinnvoll, zumindest eine AMG-Vorsorgedeckung mitversichert zu haben. Diese kostengünstige Lösung ist übrigens grundsätzlich empfehlenswert für Apotheken, die des Öfteren Tätigkeiten durchführen, die unter die Herstellung fallen, z. B. das Auseinzeln oder das Umverpacken von Drogen. Denn leider ist vorher nie absehbar, wie Anwälte und Gerichte im Streitfall die konkrete AMG-Situation bewerten.
Lücke bei Vermögensschäden
Eine weitere Sicherheitslücke im Zusammenhang mit Impfungen in der Offizin gibt es bei Vermögensschäden auf Kundenseite. Die Deckung einer Apothekenhaftpflichtversicherung bietet in der Regel keinen Versicherungsschutz für Vermögensschäden, wenn nicht ein Sach- oder Personenschaden Auslöser für den Vermögensschaden war. Wird beispielsweise im Impfnachweis ein Fehler gemacht und der Impfling kann deswegen eine Reise nicht antreten, handelt es sich um einen reinen Vermögensschaden.
Risiken jenseits von Haftung
Aber auch jenseits von Haftungsfragen gibt es potenzielle Versicherungslücken. Beginnen wir mit dem Offensichtlichsten: Steigt eine Apotheke ins „Impfgeschäft“ ein, muss meist in eine neue Ausstattung investiert werden. Es braucht möglicherweise einen Impfraum und eine Ruhezone, vielleicht einen neuen Kühlschrank, insbesondere dann, wenn noch keiner mit den gültigen DIN-Normen vorhanden ist. Schließlich dürfte die Apotheke nun deutlich mehr Impfstoffe vorhalten. Möglicherweise sind auch noch Investitionen für eine Notfallversorgung nötig. Das alles führt zu einer Erhöhung des Apothekenwerts.
Bei den meisten Inhaltsversicherungen müssen Apothekeninhaber jährlich einmal den aktuellen Apothekenwert melden, damit der Versicherer die Höhe der neuen Jahresrechnung darauf abstellt. Sollte sich im Schadenfall dann herausstellen, dass dieser z. B. wegen der Impf-Investitionen höher liegt als angegeben, kann der Versicherer Unterversicherung geltend machen – sprich weniger auszahlen, als der Schaden kostet. Diese Regelung führt sehr häufig zu Problemen im Schadenfall. Deutlich besser sind deshalb Policen, die keine Unterversicherung kennen, weil sie z. B. nur die Mitarbeiter-Wochenstunden abfragen, die alle Apotheker im Gegensatz zu aktuellen Apothekenwerten jederzeit genau kennen.
Temperatursensible Impfstoffe
Verkompliziert wird die Sache noch dadurch, dass bei temperatursensiblen Impfpräparaten auch der Kühlgutschutz zu prüfen ist. Hier sollten in impfenden Apotheken mindestens 75.000 Euro Warenwert auch gegen Verfall durch Abweichung von der Lagerungsvorgabe (2 bis 8 °C) versichert sein, was die wenigsten Apotheken versichert haben dürften. Diese Versicherung setzt jedoch auch die Lagerung in zertifizierten Arzneimittelkühlschränken für Apotheken voraus, erkennbar an den DIN-Normen 58345 und/oder 13277.
Die häufigsten Schadensfälle sind jedoch kleinere Missgeschicke im Arbeitsalltag, wenn beispielsweise
Glasfläschchen oder Spritzen auf den Boden fallen und zu Bruch gehen. Um auch diese teils hohen Verluste ersetzt zu bekommen, sollte der Baustein „Eigenschäden“ in der Inhaltsversicherung eingeschlossen sein. Der sorgt dafür, dass Schäden durch Unachtsamkeit von Mitarbeitern ebenso wie von fremden Dritten vollen Versicherungsschutz genießen.
Expertentipp zum Schluss: Eine schriftliche Versicherungsbestätigung für alle Impfrisiken anfordern.
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