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Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins
Überstandene Reformideen, aktuelle Probleme und neue Argumente
Die Gesamtlage der Apotheken und die Schwächen der Selbstverwaltung waren wesentliche Themen im Bericht des Vorsitzenden Dr. Jörn Graue bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am Dienstag. Bei der Aufbewahrungspflicht für E-Rezepte droht offenbar neues Ungemach. Außerdem ging es um die argumentative Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Plänen der FDP, die von Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) geteilt werden.
Am Dienstagabend fand die Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins online statt. Der Vereinsvorsitzende Dr. Jörn Graue begrüßte, dass die geplante Systemveränderung nun vom Tisch sei, gab aber zu bedenken, die Honorarerhöhung bleibe bei den leeren Kassen ein Wunschgebilde.
Zur Kündigung der Hilfstaxe erklärte Graue, die Grundlage für die Taxierung bilde jetzt die „renovierungsbedürftige Arzneimittelpreisverordnung aus uralten Zeiten“. Nun gebe es viele Retaxationen und Graue mahnte, hoffentlich gehe dieser Schuss nicht für beide Beteiligte nach hinten los. Denn es entstehe ein „Übermaß an zusätzlicher Arbeit“ durch Retaxationen, Einsprüche und Prozesse. Zu fragen sei auch, ob die retaxierenden Krankenkassen schon bedacht hätten, dass sie bei einem negativen Verlauf auch den Abschlag verlieren würden.
Selbstverwaltung zwischen zwei ungleichen Partnern
Darüber hinaus sieht Graue viel weiter reichende Probleme zwischen den Vertragspartnern. Die Selbstverwaltung zwischen zwei ungleichen Partnern sei ohne staatliche Macht wahrscheinlich am Ende, erklärte Graue und ergänzte: „Denn alle Dinge, die über Ziel und Maß gehen, sind nur von kurzer Dauer.“
Graue kritisierte auch die Pläne, die Zuständigkeit für die Apothekenhonorierung ins Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu übertragen und das Apothekenhonorar zwischen Vertragspartnern mit großem Machtungleichgewicht aushandeln zu lassen. Diese Pläne mögen sich durch die Neuwahl erübrigen, aber auch mit Blick auf eine neue Regierung mahnte Graue, jede Partei habe schließlich „ihre Geister und Dämonen“. Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, solle schon Adenauer gesagt haben.
Neues Ungemach bei Aufbewahrungspflicht für E-Rezepte
Zur derzeitigen Lage beklagte Graue, das Gros der Krankenkassen könne noch immer keine E-Rezept-Abrechnungen in digitaler Form annehmen. Diese müssten auf Papier konvertiert werden. E-Rezept-Retaxationen seien hingegen kryptisch und für die Apotheken nicht zu lesen, solange ein Konverter fehle.
Was dem Fass aber den Boden ausschlage, sei die in der Technischen Anlage 7 niedergelegte Pflicht zur zehnjährigen Aufbewahrung durch Apotheken statt wie bei den Papierrezepten durch Krankenkassen. Graue erklärte, dieser „folgeträchtige Fauxpas“ sei dem Datenschutz Nord vorgelegt worden, der die am HGB orientierte zehnjährige Aufbewahrungsfrist der Gesundheitsdaten als nicht vereinbar mit der Datenschutzgrundverordnung beurteile. Um Rechtssicherheit zu schaffen, hätten die Verbände die Sache an die Landesdatenschützer in Hamburg und Kiel übergeben.
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Zu berufspolitischen Konzepten erklärte Graue, es nütze nichts, über alte und neue Brandmauern zu debattieren. Es müsse ein schlüssiges Gegenkonzept entworfen werden, das die inhärenten Probleme der Arzneimittelpreisverordnung beseitige, insbesondere bei den Hochpreisern. Dazu verwies Graue auf einen Vorschlag, der den Gesundheitsfonds einbezieht. Denn es gehe nicht darum, nur Zahlungsfristen zu verschieben, sondern einen auch für die Krankenkassen kostenneutralen Finanzierungsweg einzurichten.
Bedrohlicher wirtschaftlicher Trend
Zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken erklärte Graue, der Sinkflug der Apothekenzahl setze sich auch in Hamburg fort. Trotz steigender Umsätze seien die Betriebsergebnisse stark rückläufig. „Bricht dieser Trend nicht ab, gibt es morgen die klassische vollversorgende Apotheke nicht mehr“, folgerte Graue.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung erklärte Graue jedoch, er sei überzeugt, dass die Apotheke überleben werde. Zur Arbeit des Hamburger Apothekervereins berichtete Graue über Retaxationen von Hilfsmittelrezepten durch den Dienstleister Davaso aufgrund von Fristregelungen. Nach einer Klage des Vereins vor dem Sozialgericht Hamburg habe die IKK classic die Position der Apotheken jedoch anerkannt und dies sei bundesweit wirksam.
Auseinandersetzung mit Lindner-Papier gefragt
Vereinsgeschäftsführer Georg Zwenke bekräftigte, dass die Honorierung schon seit Jahren das Top-Thema für die Apotheken ist. Er betonte die Spreizung der Betriebsergebnisse. Auch ohne eine belastende Reform werde es weiter viele Schließungen geben. Gemäß Daten der Treuhand Hannover hätte im ersten Halbjahr 2024 das Drittel der Filialbetriebe mit den niedrigsten Betriebsergebnissen erstmals im Durchschnitt ein negatives Ergebnis erzielt.
Zwenke riet, das jüngste Papier des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zur Wirtschaftspolitik intensiv zu betrachten, weil sich CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz diesem angeschlossen habe. Die Idee darin, wirtschaftliche Fragen dem freien Markt zu überlassen, um für Effizienz zu sorgen, sei für die Gesundheitswirtschaft problematisch.
Apothekenhonorar keine Subvention
Der angestrebte Bürokratieabbau sei hingegen gut. Der Hamburger Apothekerverein rege an, die Dokumentationspflichten der Apotheken darauf zu hinterfragen, was sie für die Patienten bringen. Zwenke warnte, Bürokratieabbau dürfe nicht zu einer Flucht in die Selbstverwaltung führen. Der Gesetzgeber müsse insbesondere die Arzneimittelpreise regeln.
Als Grundidee erklärte Zwenke, Vertrauen in die Arbeit der Leistungserbringer sei besser als ein Kontrollzwang. Da Lindner selektive Subventionen ablehne, gelte es zu vermitteln, dass eine pauschale Honorierung der Apotheken für das Vorhalten der Infrastruktur keine Subvention wäre. Zwenke sieht Probleme in der Idee, das Gesundheitswesen solle sich über Effizienzreserven finanzieren. Denn irgendwo müsse das Geld für mehr ältere Menschen und steigende Bedarfe herkommen. Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, aber nicht Sache der Leistungserbringer. Zwenke folgerte, es sei dringend nötig, sich mit diesen Argumenten zu beschäftigen.
Angebot zum Umgang mit Hochpreisern wäre ein neuer Weg
In der Diskussion betonte Kammerpräsident Holger Gnekow, die immer weiter zunehmenden Ausgaben für Hochpreiser würden so hoch, dass alles andere nicht mehr zu bezahlen sei. Darum sollten die Apotheken der Politik anbieten dies zu steuern. Daran würden die Apotheken gemessen. Als ersten Schritt sollten sie sicherstellen, dass die teuren Arzneimittel wirklich angewendet werden. Im Schulterschluss mit den Ärzten sollten diese Arzneimittel sinnvoll eingesetzt werden, auch wenn das ein Stück weit Priorisierung sei, die niemand wolle.
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