Pharmacon Meran 2013

Lungenkarzinome bleiben bei Männern die häufigste letale Tumorerkrankung

Nichts Neues beim kleinzelligen Lungenkarzinom und eine Fülle an Innovationen beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, so charakterisierte Prof. Dr. Georg Maschmeyer, Potsdam, die Lage. Doch sind innovative Arzneimittel nicht immer mit einem klinischen Fortschritt gleichzusetzen, und das Wissen, wie sie einzusetzen und einzuordnen sind, weist noch große Lücken auf.
Prof. Dr. Georg Maschmeyer Foto: DAZ/pj

"Targeted Therapy ist ein Euphemismus"

Histologisch werden Lungenkarzinome in mehrere große Gruppen untergliedert. Eine erste Unterscheidung ist die Einteilung in kleinzellige (SCLC, small cell lung cancer) und nicht-kleinzellige Tumoren (NSCLC, non small cell lung cancer). 75 bis 80% der Lungenkarzinome sind nicht-kleinzellige Tumoren, die in Adenokarzinome und Plattenepithelkarzinome (und weitere) unterteilt werden. Eine andere, neue Klassifikation berücksichtigt beim NSCLC die molekulargenetischen Besonderheiten des Tumors. Diese Unterteilung gewinnt zunehmend an Bedeutung, da gegen einige dieser molekularpathologischen Alterationen – die letztendlich zu einer gestörten Signaltransduktion und einem ungehemmten Tumorwachstum führen – zielgerichtete Pharmaka zur Verfügung stehen.


SCLC: Therapiestandard seit 20 Jahren unverändert

Kleinzellige Lungenkarzinome wachsen und metastasieren extrem schnell und können in der Regel nicht operativ entfernt werden. Kurative Therapien sind sehr selten, und die betroffenen Patienten besitzen eine geringe Lebenserwartung. Die Therapie umfasst die Bestrahlung und eine zytotoxische Erstlinien-Therapie mit einer Kombination von Cisplatin oder Carboplatin mit Etoposid. Diese Standardtherapie wird seit 20 Jahren durchgeführt, durchschlagende Neuerungen sind nicht in Sicht.


Zielgerichtete Therapien: Der Weisheit letzter Schluss?


Das Auffinden molekularpathologischer Alterationen und die Entwicklung eines Wirkstoffs gegen eine solche Alteration sind nicht mit der Heilung einer onkologischen Erkrankung gleichzusetzen. Zwar können pathologische Signale über einen gewissen Zeitraum hinweg unterbunden werden, doch entwickelt die Tumorzelle mit der Zeit Ausweichmechanismen, und es kommt zur Resistenzbildung. Darüber hinaus können nicht alle Signalwege blockiert werden, da diese auch für das physiologische Wachstum gesunder Zellen erforderlich sind. Maschmeyer warnte davor, die Therapie nur auf einzelne molekulargenetische Mutationen auszurichten, zumal deren langfristige Auswirkungen nicht bekannt sind. Die Histologie des Tumors, die Praktikabilität einer Therapie und der Allgemeinzustand eines Patienten dürfen darüber nicht vernachlässigt werden.

NSCLC: rasante Entwicklung zahlreicher neuer Arzneistoffe

Die Therapie des NSCLC richtet sich nach dem Tumorstadium. Der einzige kurative Ansatz ist die chirurgische Entfernung des Karzinoms, was aber nur in frühen Stadien möglich ist. Bei fortgeschrittenen Erkrankungen werden neben der chirurgischen Resektion Chemo- und Strahlentherapien durchgeführt; in der palliativen Situation verzichtet man auf den chirurgischen Eingriff. Die Standard-Chemotherapie besteht aus einer "Doublette", das heißt aus einer systemischen Therapie mit zwei unterschiedlichen Zytostatika.

Seit einigen Jahren stehen zur systemischen Therapie des Adenokarzinoms neue Arzneistoffe zur Verfügung. Ihre Entwicklung basiert auf der Erkenntnis, dass bestimmte Mutationen das Tumorwachstum aktivieren und beschleunigen (s. Abb.).


Aktivierende Mutationen bei Patienten mit einem Adenokarzinom der Lunge (NSCLC) – geschätzte Häufigkeit. Bis vor etwa zehn Jahren waren nur wenige Alterationen bekannt, heute sind es etwa ein Dutzend. Gegen einige Alterationen werden bereits zielgerichtete Arzneistoffe eingesetzt.

Die ersten aktivierenden Mutationen oder Alterationen, die bei der Pathogenese des Adenokarzinoms entdeckt wurden, waren Veränderungen am EGF-Rezeptor. Gegen sie wurden die EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren Gefitinib, Erlotinib und Afatinib entwickelt, die bereits in der Therapie eingesetzt werden. Weitere neue Arzneistoffe richten sich gegen andere Mutationen, z. B. Crizotinib gegen das Fusionsonkogen EML4-ALK.

Vorgehen in der Praxis: stratifizierte Therapie

Die Liste aktivierender Mutationen wird immer länger und die Untergruppen der Patienten, bei denen eine solche Mutation vorliegt und die von einer zielgerichteten Therapie profitieren könnten, werden immer kleiner. Wie wird nun in der Praxis eine optimale Therapie für einen Patienten mit einem Adenokarzinom der Lunge festgelegt? Man sucht nach einigen häufigen Mutationen wie z. B. EGFR- und ALK-Mutationen. Liegen diese Mutationen vor, erhält der Patient eine zielgerichtete Therapie, in den anderen Fällen eine Standardtherapie (bestehend aus zwei Zytostatika). Die Therapie richtet sich ferner nach dem Allgemeinzustand, der Vorbehandlung, der Symptomatik, spezifischer Komorbiditäten und der Patientenpräferenz.


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