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Kapitalanlagen

Augen auf oder Beutel auf ...

Kapitalanlage – Balanceakt zwischen Übermut und Misstrauen

... diesen Spruch wird der eine oder andere aus seinen Kindertagen kennen und womöglich selbst seinem Nachwuchs predigen. Solange jemand jeden Euro zusammenhalten muss, passt er erfahrungsgemäß gut auf sein Geld auf. Geldanlagen im größeren Stil liegen noch in weiter Ferne. Wenn irgendwann dann Jahr für Jahr eine hübsche Summe übrig bleibt und ein gewisser Wohlstand erreicht ist, schleichen sich oft gefährliche Nachlässigkeiten ein. | Von Reinhard Herzog

Im Gefolge dessen, was übrigens erstaunlicherweise oft mit großer Angst vor Vermögensverlusten gekoppelt ist, entwickelt sich gerne eine Mischung aus einer beachtlichen Anspruchshaltung („Recht auf hohe Rendite“ ab gewissen Beträgen), bisweilen einer gewissen Gier oder auch einer Steuerspar-Hysterie. Gleichzeitig lässt sich jedoch ein häufiger Unwillen beobachten, Zeit zu erübrigen, sich schlau zu machen und sich um seine Anlagen intensiv zu kümmern. Das mündet in ein oft geradezu groteskes Vertrauen in Finanzberater oder verschiedenste Kapitalanlagegesellschaften. Man könnte das auch leichtfertig nennen. Der Boden ist so bereitet für Enttäuschungen und Verluste bis hin zu massiven Betrügereien. Wer dann den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Kalauer wie „das Geld ist nicht weg, das hat nur jemand anderes“ oder „einfacher Millionär wird am schnellsten, wenn man sich als Multimillionär einem Finanzhai anvertraut“ haben für „gebrannte Kinder“ ihren Unterhaltungswert verloren. Andererseits dürfte der eine oder andere selbst schon geschmunzelt haben, wenn gestandene, ehemalige Multimillionäre aus dem Showbusiness oder Spitzensport finanziell ruiniert in Talkshows sitzen und ihre oftmals tragikomischen Stories zum Besten geben. In aller Regel findet sich immer das gleiche Muster: Man hat auf Berater gehört, Investitionsobjekte wie „Schrottimmobilien“ oder gewerbliche Beteiligungen aller Art nie selbst in Augenschein genommen, Wertpapiere gekauft, deren Namen man nicht einmal buchstabieren kann. Man gibt sich dennoch arglos, schlüpft in die Opferrolle. Der Applaus des Publikums ist sicher, das Geld ist trotzdem „weg“, beziehungsweise steckt in anderen Taschen. In genauso grotesker Form wird auf der anderen Seite der absolut sicheren, risikolosen Anlage „auf der Sparkasse“ das Wort geredet, mit hämischem Seitenblick zu den „Gierhälsen“.

Mentaler „Seitenwechsel“

Doch wie kommt es zu solchen Entwicklungen? Wechseln wir doch einfach mal die Perspektive. Nehmen wir an, Sie und ich möchten uns um das „finanzielle Wohl“ der geschätzten Kolleginnen und Kollegen verdient machen. Wir gründen dazu eine Finanzberatungsgesellschaft, sagen wir die Eagle Eye Capital Investment. Am besten als GmbH oder doch eine Limited (Ltd.)? Domiziliert irgendwo in einem Zwergstaat? Jedenfalls würden wir vor Ort nicht knausern: Repräsentatives Büro, gute Adresse, sinnfreie Sprüche an der Wand, flotte Biene am Empfang, schwere Ledermöbel. Vielleicht etwas moderne Lounge-Atmosphäre, das ist immer noch angesagt. Und vergessen Sie nicht: Kleider machen Leute, teure Armbanduhren gerade im Smartphone-Zeitalter auch, und natürlich tadellose Umgangsformen. Sie sollten idealerweise als Schwiegermamas oder Schwiegerpapas Liebling durchgehen. Läuft dann alles, war die Werbemaschinerie ihr Geld wert (in nicht wenigen Kapitalanlageprodukten stecken 20% „Weichkosten“, also Vorabkosten, die dann gar nicht mehr zur eigentlichen Anlage gelangen), dann kommen sie, die lieben „Kunden“.

Und da sitzen sie dann: Der überkorrekte Herr A, stets bedacht, keinen falschen Schritt zu tun, Gürtel und Hosenträger (und am besten noch einen Klettverschluss) sind das Lebensmotto, Steuervorteile werden indes gerne mitgenommen. Frau O, die von irgendeinem guten Freund eines Onkels des Yogalehrers gehört haben will, dass man doch wieder an Zukunftstechnologien prächtig verdienen kann. Der Typ Oberstudienrat, der alle Finanztest-Berichte in und auswendig kennt, nur bis heute noch keine einzige Aktie oder Anleihe selbst gekauft hat, und der langsam merkt, dass die Renditekarawane an ihm vorbeizieht. Der Bauernschlaue, der schon immer der Steuer ein Schnippchen schlagen wollte und dies vielleicht in seinem Laden auch tut, aber da schweigt das Gewissen. Es bleibt genügend übrig für die offizielle Anlage. Und so gibt es viele andere, potenzielle Opfer.Sie eint jedoch folgende Tatsache: Sie sind offenkundig ganz überwiegend finanzielle (Fast-)Analphabeten. Und so sind sie allzu oft bereit, ihren „gesunden Menschenverstand“, auch und weil sie diesen vielleicht nicht immer in wohlklingende und schlagfertige Worte packen können, an der Garderobe abzugeben.

Damit prasseln die Argumente ungehindert auf die Interessenten nieder: Höchste Sicherheit. Mehrfach ausgezeichnet und getestet. Ausgefeilte, mathematische Modelle. Top-Expertenteam in der ganzen Welt. Immobilien gewinnen immer. Schiffe werden immer mehr gebraucht. Die grüne Energierevolution ist nicht mehr aufzuhalten. Schon die Rothschilds haben bei dieser Gesellschaft angelegt. Und teilweise gibt es auch das: Absicherung gegen Totalverlust, Garantie für den Kapitalerhalt! Und natürlich der Evergreen: Steuerliche Verlustzuweisungen, hohe Abschreibungen…

Ironische Fallbeispiele – trotzdem erschreckend realistisch

Was nun passiert, ist insoweit nur folgerichtig. Herrn A hat das Einkaufszentrum in Kleinkleckershausen überzeugt. Malerisch in einem Flusstal gelegen und 650 km von seinem Wohnort entfernt, neu hochgezogen, beste Prognosen, eingekauft wird schließlich immer – da kann doch nicht viel schiefgehen.

Zwar erschöpfen sich seine Kenntnisse über den Betrieb von Einkaufszentren auf den samstäglichen Großeinkauf, persönlich gesehen hat er es natürlich nicht (650 km!), aber 6% prognostizierte, „sichere“ Rendite lesen sich doch heutzutage nicht schlecht. Die hoch fünfstellige oder gar sechsstellige, geschlossene Beteiligung ist rasch unterzeichnet.

Bei Frau O hat sich das grüne Herz durchgesetzt. Solche an und für sich löblichen Motive trüben allzu oft die nüchterne Sicht auf die Sachlage. Sollte es der Wettergott nicht so gut meinen, oder gar von der Politik an den zahlreichen Förderschrauben gedreht werden, könnte sie bald tatsächlich nicht mehr als „drei Morgen Wind hinter dem Haus“ haben und ansonsten in die windstille Röhre schauen. So manch Windkraft- und Solarprojekt hat sich bereits als windige bzw. dunkle Angelegenheit herausgestellt.

Unser Typus „Oberstudienrat“ hat sich zu einem ganzen Strauß an Fondsprodukten hinreißen lassen. Schließlich soll man ja breit streuen: Fonds mit Aktien im In- und Ausland, Anleihen, Immobilien, Gold-Zertifikate – alles dabei. Mit einem solchen Sammelsurium wird er immerhin in jedem Falle zahlreiche Finanzmanager glücklich machen.

Unser Bauernschlauer hat sich für Investments in südamerikanische Kautschukplantagen sowie Medienfonds (mit steuerlichen Vorteilen!) begeistern lassen. Das ist doch mal etwas Besonderes, zudem ebnet das erstere Investment vielleicht sogar den Weg ins Ausland. Man weiß ja nie, wie es so kommt im Leben…

Vergessen wir an dieser Stelle zudem nicht die zahlreichen, „anonymen“ Anleger, die sich per Internet oder bunten Broschüren in allerlei Anlegerfallen locken lassen.

Und nun seien Sie an dieser Stelle einmal ehrlich zu sich selbst: Was würden Sie – in der Rolle eines Finanzproduktanbieters, siehe oben – von Ihrem Gegenüber denken, der mal eben 250.000 Euro für etwas unterschreibt, was er weder versteht noch je gesehen hat? Richtig, Sie würden sich wahrscheinlich vor Lachen krümmen, den „Kunden“ eher als eine leicht ausnehmbare Weihnachtsgans begreifen, als Renditebringer für Ihr eigenes Auskommen…

Um nicht falsch verstanden zu werden: Etliche Kapitalanlageprodukte mögen durchaus ihre Versprechungen wenigstens halbwegs erfüllen, bisweilen sogar übertreffen. Doch viele eben auch nicht, nicht wenige enden in massiven oder gar Totalverlusten. Und wir reden da nicht nur über Risiken im Promille-Bereich. Spielen Sie Russisch Roulette, weil das Risiko des „Totalverlustes“ ja auch nur ein Sechstel beträgt?

Nach diesen heiter-ironischen Bemerkungen bleibt jedoch die alles entscheidende Frage: Was lernen wir daraus?

Schlussfolgerungen

Sicher lässt sich das komplexe Thema nicht in ein paar Zeilen abhandeln. Aber einige grundlegende Erkenntnisse lassen sich sehr wohl gewinnen:

  • Geld verdienen mit Geld ist recht harte Arbeit - von Nichts kommt Nichts, wie überall im Leben! Und wer sich nur auf Andere verlässt, ist schnell selbst verlassen…

  • Gesundes Misstrauen schadet nicht! Kluge Menschen fragen immer auch: Cui bono? Wem nützt etwas? Die ganzen Anbieter, Vermittler und Berater sind durchwegs keine karitativen Unternehmen!

  • Entwickeln Sie realistische Vorstellungen hinsichtlich des Vermögensaufbaus. Gehen Sie davon aus, dass es stets bessere und auch mal magere Zeiten gibt, somit lässt sich nicht mit konstanter Verzinsung über viele Jahre hinweg rechnen.

  • Hinterfragen Sie für sich die Begriffe Sicherheit und Risiko. Stecken Sie immer die Verlustrisiken bzw. Ihre maximal verschmerzbaren Verluste ab, und handeln Sie durch Verlustbegrenzungsstrategien konsequent danach („Stopp loss“).

  • Wer einen raschen Vermögensaufbau (von welcher Basis aus?) anstrebt, muss sich weitaus stärker einbringen und auch Risiken eingehen, die sich jedoch durch kluge Strategien limitieren lassen. Etwas „ruhiger“, doch ebenfalls nicht ohne eigene Leistung kann es zugehen, falls eher der Vermögenserhalt im Vordergrund steht.

  • Dauerhaft hohe Renditen sind durchaus möglich, aber ein Privileg von „Eliten“, sprich eingeschworenen Finanzeliten oder aber eben durch lange Erfahrung hart erarbeitet. Hingegen sind langfristig hohe Gewinne für die große Masse der Anleger schon mathematisch gar nicht möglich: Gewinnen über das allgemeine Wirtschafts- und Firmengewinnwachstum hinaus müssen auf der anderen Seite zwangsläufig schwache Renditen oder gar Verluste gegenüber stehen.

  • Verabschieden Sie sich von den zahlreichen „Stammtisch-Parolen“ und Allerweltsweisheiten (wie z.B. hohe Rendite = immer hohes Risiko, Profis für sich arbeiten lassen statt sich selbst kümmern, Mythos Immobilien als stets wertbeständiges „Betongold“ und viele andere…).

  • Sie sollten stets verstehen, was mit Ihrem Geld zumindest in Grundzügen passiert. Geben Sie sich lieber mit weniger und etwas für Sie Überschaubarem zufrieden, als irgendwelchen „Profis“ blind zu vertrauen.

  • Die Königsdisziplin schlechthin: Was ist etwas wert? Der geschärfte „Adlerblick“ für Werte ist eine elementare Grundlage der Kapitalanlage. Mathematische Modelle und Berechnungsmethoden sind unverzichtbare Werkzeuge.

  • Kein Engagement ohne eine „Exit-Strategie“! Können Sie die Anlage stets zu fair und laufend ermittelten Marktpreisen verkaufen? Oder sind Sie in teils kaum durchschaubaren, schwer justiziablen Vertragskonstruktionen gefangen?

Beherzigen Sie die obigen Punkte, sind Sie der überwiegenden Zahl der Anleger bereits deutlich voraus. Und das ist in der heutigen Welt, in welcher überall „Freunde“, „Partner“ und „professionelle Berater“ stets Ihr Bestes wollen, schon sehr viel wert! 

Autor

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, Philosophenweg 81, Heilpharm.andmore@t-online.de

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