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Pandemie Spezial

„Da ist ja Seife drin …“

Komplexe Sachverhalte einfach erklärt – Folge 7: Der COVID-19-Impfstoff Nuvax­ovid®

 „Damit werde ich mich nicht impfen lassen!“ Für einen winzigen Moment bin ich versucht, den penibel gestylten jungen Mann mit der schlecht ­sitzenden Maske über dem Vollbart einfach am HV-Tisch stehen zu lassen und meinen Kittel in jeglicher Hinsicht an den Nagel zu hängen. Ich habe mich im Laufe der Pandemie „wunderklärt“. Erstaunlich viele Menschen sind immun gegen Fakten, vor allem dann, wenn sie immun gegen SARS-CoV-2 werden sollen. Lohnen sich weitere Worte also? Faktencheck contra Fehlinformation: Funktioniert das? Vor allem beim jetzt neuartigen COVID-19-Impfstoff Nuvax­ovid® (Novavax)? | Von Christine Gitter 

Nie waren wir derart mit Verschwörungserzählungen, Falschinformationen und zu vielen Menschen, die daran glauben, konfrontiert wie in den vergangenen zwei Jahren. Die Beratungsgespräche sind herausfordernd und zeitaufwendig und unser aller Geduldsfaden inzwischen entsprechend kurz. Könnten wir uns die Impfaufklärung mittlerweile nicht einfach sparen?

Fieberten so manche Impfskeptiker einem (vermeintlichen) Totimpfstoff als Alternative zu den mRNA- und Vektor-Vakzinen entgegen, werden wir übertrieben kritische bis ablehnende Reaktionen sicher auch bei Nuvax­ovid® (Novavax) noch erleben. Immerhin wird jetzt schon in so manchen Online-Foren davor gewarnt, dass für Nuvaxovid® ein Extrakt aus dem Seifenbaum als Adjuvans eingesetzt wurde. Dass dieser Wirkverstärker auch bereits in anderen Impfstoffen, z. B. gegen Gürtelrose, enthalten ist, wird dabei natürlich ausgeklammert.

Falschinformationen eindämmen

„Jeder Widerlegungsversuch besser als keiner“ ist die Schlussfolgerung der Autoren einer Studie, die am 3. Februar 2022 im „Nature Human Behaviour“ erschienen ist. Untersucht wurde, inwiefern Faktenchecks gegen den Glauben an Falschinformationen wirken können. Dazu wurde den Probandinnen und Probanden eine Reihe von Faktenchecks vorgelegt. Im Anschluss sollten wahre und falsche Aussagen zu COVID-19 bewertet werden. Das Erfreuliche: Vor allem die für Falschinformationen anfälligsten Personen konnten die Aussagen besser einordnen. Das Frustrierende: Der Effekt ist von kurzer Dauer und bereits nach wenigen Wochen verpufft. Immerhin konnte die Verbreitung von Falschinformationen eingedämmt werden. Daher auch die Aufforderung zum konsequenten Entgegenhalten.

Etwas mehr Mut machen Erkenntnisse aus der COSMO-Befragung (= COVID-19 Snap­shot Monitoring) aus dem Januar dieses Jahres. Dort wird zwar berichtet, dass sich gut 60 Prozent der bislang Ungeimpften „auf keinen Fall“ impfen lassen wollen. Im Umkehrschluss könnten wir jedoch knapp 40 Prozent erreichen. Vielleicht. Aber Grund genug, den Kittel zu behalten. Weitere Details unter https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/files/COSMO_W59.pdf

Patienten fragen – wir antworten

Ist Nuvaxovid® ein klassischer Totimpfstoff?
Jein. Klassische Totimpfstoffe enthalten inaktivierte, also abgetötete Erreger oder Bestandteile davon. Die Erreger können sich im Körper deshalb nicht mehr vermehren und auch keine Infektion auslösen. Beispiele für klassische Totimpfstoffe sind etwa Impfstoffe gegen Tetanus, Diphtherie oder Keuchhusten.
Auch COVID-19-Impfstoffe enthalten keine vermehrungs­fähigen Viren und können deshalb mit den klassischen Totimpfstoffen gleichgestellt werden und werden auch als funktionelle Totimpfstoffe bezeichnet. Das gilt sowohl für die bisher angewendeten m-RNA- und Vektor-Impfstoffe als auch für den neuen Corona-Impfstoff Nuvaxovid®, einem sogenannten Protein-basierten Impfstoff.

Komplexe Sachverhalte aus dem Apothekenalltag einfach erklärt …

… das ist die Idee hinter dieser Serie!

Denn wie alle Experten sind auch wir Apothekerinnen und Apotheker chronisch gefährdet, einen zu hohen Wissensstand beim Gegenüber – unseren Kundinnen und Kunden – vorauszusetzen. Bei der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sind einfache Erklärungen auf die Frage „Warum?“ oft förderlicher als detaillierte Ausführungen, die sich mit dem „Wie“ beschäftigen.

Deshalb finden Sie in dieser Serie regelmäßig ent­sprechend aufbereitete Informationen, die Sie an Ihre Kundinnen und Kunden weitergeben können – wir übernehmen sozusagen die Übersetzungsarbeit aus dem Pharmazeutischen.

Bei der Themenauswahl haben wir uns an der Häufigkeit im Apothekenalltag und am praktischen Nutzen für die AMTS orientiert.

Was bedeutet „Protein-basierter Impfstoff“ und wo ist der Unterschied zu den mRNA-Impfstoffen?
Auf der Virusoberfläche des Corona-­Virus sitzen sogenannte Spike-Proteine. Mit diesen dockt das Virus an seine Wirts­zelle im Körper an, um sich dann in der Zelle vermehren zu können.
Diese Spike-Proteine stehen bei allen Impfungen gegen COVID-19 im Mittelpunkt, aber in unterschiedlicher Weise: In den mRNA(„Boten-RNA“)-Impfstoffen ist lediglich der Bauplan für das Spike-Protein enthalten. Dieser Bauplan bringt unsere Muskelzellen an der Einstichstelle dazu, Spike-Proteine selbst herzustellen. Anschließend übernimmt das Immun­system und bildet Antikörper, ganz so, als wären wir mit „echten“ Corona-Viren infiziert. Außerdem speichert unser Immunsystem den Steckbrief des Corona-­Virus ab. Kommt es später zu einer Infektion, ist die Abwehr gut vorbereitet: Die durch die Impfung gebildeten Antikörper schnappen sich das Virus im besten Fall, bevor es uns krank machen kann. Oder sie verhindern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zumindest eine schwere Erkrankung.Die für diese Immunantwort notwendigen Spike-Proteine werden mithilfe der mRNA-Impfstoffe quasi von unserem Körper selbst gebastelt.
Die Spike-Proteine für den Protein-basierten Impfstoff Nuvaxovid® wurden dagegen bereits im Labor hergestellt und sind in der Impfung einsatzbereit enthalten. Deshalb ist der Herstellungsprozess dieser Impfstoffe etwas aufwendiger als bei den m-RNA-Impfstoffen.

Am Anfang steht auch hier der Bauplan für das Spike-Protein. Die Herstellung der Spike-Proteine überlassen wir bei dieser Impfung jedoch anderen: Der genetische Code für die Spike-Proteine wird in Mottenraupenzellen eingeschleust, die anschließend eine große Menge Spike-Proteine herstellen. Diese werden gereinigt und an Nanopartikel gebunden, damit sie für unser Immunsystem möglichst virusähnlich aussehen. Um dem Impfstoff mehr Power zu verleihen, enthält der Impfstoff ein sogenanntes Adjuvans (Wirkverstärker).

Nuvaxovid® enthält einen Wirkverstärker. Warum?
Unser Immunsystem erkennt zwar die Spike-Proteine aus dem Labor als körperfremde Substanzen, aber die Reaktion darauf ist offenbar nicht ausreichend, um uns angemessen vor einer Infektion zu schützen. Mit einem Wirkverstärker, einem sogenannten Adjuvans, wird unsere Abwehr deshalb aus der Reserve gekitzelt. In Nuvaxovid® wird ein Extrakt aus dem Seifenbaum als Adjuvans eingesetzt. Dieser Wirkverstärker ist bereits in anderen Impfstoffen, z. B. gegen Gürtelrose, im Einsatz.

Wie viele Impfungen brauche ich für eine Grundimmunisierung?
Für eine Grundimmunisierung sind zwei Impfungen im Abstand von mindestens drei Wochen notwendig.
Nuvaxovid® ist aktuell für Personen ab 18 Jahren zugelassen. Für Schwangere und Stillende wird Nuvaxovid® derzeit noch nicht empfohlen, weil es noch zu wenige Daten für diese Personengruppe gibt.

Wie wirksam ist Nuvaxovid®? Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Sowohl für die Wirksamkeit als auch für eventuell auftretende Nebenwirkungen gibt es für Nuvaxovid® im Moment nur die Daten aus den Zulassungsstudien. Laut Robert Koch-­Institut ist die Wirksamkeit vergleichbar mit den anderen bereits zugelassenen COVID-19-Impfstoffen. Wie gut Nuvaxovid® vor der Omikron-Variante schützt, ist allerdings noch nicht bekannt, da die Zulassungsstudien bereits vor dem Auftreten dieser Virus­variante abgeschlossen waren.

Im Rahmen dieser Zulassungsstudien wurden bei ungefähr 80 Prozent der Studienteilnehmer lokale Nebenwirkungen (Schmerzen, Rötung, Schwellung an der Einstichstelle) beobachtet. Bei 70 Prozent traten allgemeine Beschwerden wie Kopf- und Gliederschmerzen und Erschöpfung auf. Schwere Nebenwirkungen wurden bis jetzt nicht beobachtet. |

Autorin

Christine Gitter, Apothekerin, sammelte über zwanzig Jahre Erfahrung in der Offizin, davon 16 Jahre als Inhaberin. Die Buchautorin engagiert sich in unterschiedlichen Projekten zur Förderung der AMTS.

Illustratorin

Nadine Roßa ist Designerin, Illustra­torin und „Spiegel“-Bestseller-Autorin für diverse Sketch­notes-Bücher. Sie gibt Workshops und Vorträge rund um das Thema Visualisierung und begleitet Veranstaltungen durch Graphic Recordings (Visuelle Protokolle).

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