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Gut 70 Prozent aller Generika werden in Indien hergestellt. Für ärmere Länder werden viele Arzneimittel erst dadurch erschwinglich. Nun will man die Übernahme der Konzerne durch ausländische Firmen erleichtern. Ist die Produktion bezahlbarer Medikamente gefährdet?
Ein neues Gesetz soll es Unternehmen aus dem Ausland leichter machen, indische Generika-Hersteller zu übernehmen. 75 Prozent einer Pharmafirma dürfen sie in Zukunft ohne weiteres übernehmen. Experten befürchten, dass das die Versorgung von Schwellenländern mit günstigen Medikamenten gefährdet.
Die Neu-Regelung ist Teil eines größeren Maßnahmenpakets zur Förderung von Investitionen. Im Rahmen der nationalen Kampagne „Make in India‟ wurde die Pharmaindustrie als einer von 25 Kernsektoren ausgewählt, die Indien liberalisieren will: in der Hoffnung, so die Produktion anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen.
Es könnte aber noch einen weiteren Grund dafür geben, dass Bestimmungen in der indischen Pharmabranche gelockert werden: So war Indien in den vergangenen Jahren immer stärker unter Druck geraten. Große Hersteller von Originalprodukten forderten eine strengere Auslegung des Patentschutzes. Aus demselben Grund führt der Handelsvertreter der Vereinigten Staaten Indien in einer „Priority watch list‟ von Ländern auf. Im offiziellen Bericht dazu wird kritisiert, dass Indien Patente für „innovative pharmazeutische Produkte‟ verweigere. Indiens Entscheidungen zum Patentschutz seien für Antragsteller zudem unvorhersehbar.
Indien wegen Patentregelungen in der Kritik
Mit seinem „Kaufangebot‟ wolle Indien nun womöglich Kritiker ruhigstellen, sagte Tahir Amin, Patentexperte von der Initiative for Medicines, Access & Knowledge (I-MAK) gegenüber dem Branchendienst STAT. Vor einigen Wochen hatte das indische Ministerium für Handel und Industrie bereits eine Stellungnahme veröffentlicht, wonach man geistiges Eigentum besser schützen wolle. Die 75 Prozent-Regel ist nun eine weitere, positive Geste an ausländische Firmen.
In der Vergangenheit hatte Indien die Konzerne mehrfach durch seine Auslegung des Patentrechts verärgert. So hatte das indische Patentamt 2012 den Patentschutz für das Krebsmittel Nexavar von Bayer aufgehoben. Die Begründung: Bayer habe das Präparat zu einem zu deutlich zu hohen Preis in Indien angeboten. Verkauft wurde das Original-Präparat für umgerechnet etwa 4400 Euro. Der indische Generikahersteller Natco Pharma wollte eine Kopie herstellen, die in Indien für 140 Euro zu haben sein sollte. Bayer klagte bis zum höchsten indischen Gericht – und unterlag.
2013 verlor der Schweizer Pharma-Konzern Novartis nach sieben Jahren Gerichtsstreit endgültig den Patentschutz für sein Krebsmittel Glivec. Der Oberste Gericht in Delhi erkannte das Produkt nicht als Neuheit im Sinne des Patentschutzes an. Was den Großkonzernen missfällt, kommt Millionen Patienten zugute. Die indischen Hersteller können günstige Kopien nun nicht nur im eigenen Land, sondern auch in viele Schwellenländer verkaufen. Und so hatten auch Ärzte ohne Grenzen die Patentfreiheit begrüßt: Es sei wichtig, dass Indien weiterhin bezahlbare Medikamente für Millionen Patienten in ärmeren Ländern produzieren könne, hieß es in einer Stellungnahme.
Indien: Bleibt es ein riskanter Markt?
Die neue Regelung könne nun als Einladung ans Ausland verstanden werden, kleinere Konzerne aufzukaufen, sagte Tahir Amin von I-MAK gegenüber STAT. Tatsächlich könnten ja ausländische Firmen, denen der Umgang mit Patenten nicht passt, die Generika-herstellenden Konkurrenten nun ganz einfach schlucken – und anschließend die Preispolitik ändern, die die Versorgung der Arme sicherstellt. Auf der Kampagnen-Seite „Make in India‟ gibt es ein Kurz-Video, das mit Zahlen für Investitionen in die Branche wirbt. Es zeigt eine sprudelnde Arzneimittelkapsel, dazu werden vielversprechende Zahlen eingeblendet. „World's 6th largest Pharmamarket‟, „ 3rd largest Market by 2020‟, „US-Dollar 200 Billion planned infrastructure investment by 2024‟, und schließlich die Aufforderung: „Make pharmaceuticals in india.‟
Tatsächlich lief in den letzten Jahren in der Branche aber nicht alles so rosig. Mögliche Käufer könnte es abschrecken, dass es immer wieder zu Qualitätsmängeln bei der Herstellung von Arzneien kam. Aus diesem Grund hatten die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA und auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA mehrfach Importe verboten.
Welches Risiko das für Investoren bedeutet, zeigt das Beispiel Ranbaxy Laboratories. Der japanische Konzern Daiichi Sankyo hatte 2008 Mehrheitsanteile von Ranbaxy erworben – ohne informiert zu werden, dass die FDA Qualitätsmängel bei der Produktion festgestellt hatte. Vor drei Jahren wurde die US-Tochter des Konzerns dann wegen des Verkaufs minderwertiger Medikamente zu einer Strafe von 500 Millionen US-Dollar (etwa 365 Millionen Euro) verurteilt. Arzneien, die vom Produktionsstandort Toansa stammten, durften nicht mehr in die USA und zeitweilig auch nicht nach Europa eingeführt werden. Nicht nur lagen dort Sicherheitsmängel vor: Auch waren Tests zur Qualitätssicherung manipuliert worden. Daiichi Sankyo musste vor Gericht um eine Entschädigung streiten.
Infolge solcher Skandale wird nun strenger kontrolliert, was ebenfalls nicht im Interesse möglicher Investoren ist. Nicht zuletzt wird ein Ausverkauf der indischen Generikahersteller vermutlich auch deshalb ausbleiben, weil das neue Gesetz keine so große Änderung mit sich bringt. Schon vorher konnten Investoren bis zu 50 Prozent der indischen Konzerne erwerben – und schlugen dennoch nicht im großen Stil zu. Den Patienten in armen Ländern bleibt das zu wünschen.
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