Widerstand gegen Regierungspläne

Union rüttelt am geplanten Tabakwerbeverbot

Stuttgart - 12.07.2016, 16:30 Uhr


Zwar halten Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) und Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) weiter am Tabakwerbeverbot fest, doch gibt es erhebliche Kritik aus ihrer Fraktion. Deren Vorsitzender Volker Kauder soll schon im Mai vom Aus der Regierungspläne gesprochen haben. Die Argumente ähneln denen der Zigarettenlobby.

Für das schon länger diskutierte Verbot von Tabakwerbung auf Plakaten und in Kinos sieht es derzeit schlecht aus: Wie auch von Seiten der Tabaklobby gab es aus der CDU/CSU-Fraktion erhebliche Kritik am Gesetzentwurf, so dass dieser nicht wie geplant in der vergangenen Woche im Bundestag diskutiert wurde. Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder soll sich nach Informationen von DAZ.online bereits im Mai auf einem Empfang der Jungen Union überzeugt gezeigt haben, dass das Vorhaben nochmal gekippt werden könnte.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer, erklärte auf Nachfrage, dass das Tabakwerbeverbot nicht der im Koalitionsvertrag vereinbarten „1:1-Umsetzung“ von europäischen Vorgaben entspräche. Dies hatten auch Tabakhersteller gefordert, wie beispielsweise auf ihrem Stand beim CDU-Bundesparteitag. „Auch aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Erwägungen ist ein solches Verbot abzulehnen“, sagt Pfeiffer. „Es ist nicht die Aufgabe der Politik, die Kaufentscheidung des mündigen Verbrauchers zu beeinflussen.“

Öffnet die Regierung Pandoras Büchse?

Obwohl ein vergleichbares Tabakwerbeverbot in der EU ansonsten nur in Bulgarien noch nicht beschlossen ist, sieht er es als große Gefahr an. „Mit dem erstmaligen Verbot der Werbung für ein legales Produkt würde die Büchse der Pandora geöffnet“, erklärt er. Es sei widersinnig, dass ein Produkt selbst legal sein soll, aber die Werbung für dieses verboten – weitere Werbeeinschränkungen würden bereits gefordert. „Dabei sind der Phantasie potenzieller Menschheitsverbesserer keine Grenzen gesetzt: Zucker, Fette, Fast Food, alkoholische Getränke könnten folgen“, sagt Pfeiffer. 

(Foto: Laurence Chaperon / CDU)
Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte auf dem letzten CDU-Bundesparteitag den Stand von Philip Morris – wie auch jenen des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums.


Auch weitere Vorschläge des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) zielen Pfeiffers Meinung nach auf staatliche Bevormundung der Bürger ab: Maas hatte ein Verbot sexistischer Werbung gefordert. „Mit dem freiheitlichen Menschenbild der CDU ist dies nicht vereinbar“, erklärt der Wirtschaftspolitiker Pfeiffer. Daher habe sich der CDU-Parteitag im Dezember 2015 auch klar gegen weitere Werbe-Einschränkungen ausgesprochen.

Totschlagargumente gegen Gesundheitsschutz

Viele seiner Fraktionskollegen teilen Pfeiffers Einschätzung bezüglich der Tabakwerbung. „Etliche Abgeordnete haben große Vorbehalte gegen weitere Verbote“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Gitta Connemann – ihr Büro sprach von einem Bedarf für eine „grundlegende inhaltliche Diskussion“. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, bewertete die aktuelle Lage als „sehr ausreichend“.

Nachdem Ernährungsminister Schmidt und Drogenbeauftragte Mortler – beide CSU-Bundestagsabgeordnete – sich mehrfach für das Verbot von Tabakwerbung starkgemacht hatten, kann der suchtpolitische Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Blienert, die Haltung des Koalitionspartners nicht mehr verstehen. „Das ist erstaunlich“, sagte er gegenüber DAZ.online – er sähe „unauflösliche Widersprüche“ in der Union.

Wirksame Möglichkeit zur Verkürzung des Lebens

Die angegebenen Gründe sind für Blienert „Totschlagargumente“ – so beispielsweise die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken, die sowohl von Seiten der Tabaklobby als auch der Union vorgebracht wurden. „Sie haben nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gelesen: Es ist Aufgabe des Staates, die Gesundheit der Bürger zu schützen“, erklärte der SPD-Politiker.

Auch die Bundesdrogenbeauftragte Mortler hält weiter an den Zielen fest. „Wir haben nach wie vor das Tabakwerbeverbot im Auge“, sagte eine Sprecherin ihres Hauses angesichts der 120.000 Menschen, die jedes Jahr an den Folgen des Rauchens sterben. Für Mortler ist die Tabakpolitik die zentrale Baustelle des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. „Wir wollen erreichen, dass Rauchen gerade bei jungen Menschen nicht mehr als ‚Lifestyle‘ und ‚Inbegriff von Freiheit‘ verstanden wird, sondern als das, was es ist: Eine der wirksamsten Möglichkeiten, das eigene Leben zu verkürzen“, erklärte sie.

Werbeverbote gibt es auch bei Arzneimitteln

Ihrer Einschätzung nach wäre ein Werbeverbot daher mehr als angemessen. „Es kann nicht sein, dass wir uns Jahr für Jahr anstrengen, einige Millionen Euro für die Rauchprävention zusammenzusammeln, die Tabakwirtschaft aber mit dem Vielfachen auf öffentlichen Plätzen, an Bushaltestellen und in Bahnhöfen für das Rauchen wirbt“, sagte sie. Auch würde sich die Werbung in erster Linie an Jugendliche und junge Erwachsene richten. „Ich bleibe dabei: Damit muss jetzt Schluss sein. Das sehen alle anderen Staaten in der EU genauso“, erklärte Mortler.

Einschränkungen sind kein Problem

Davon müsste die Bundestagsabgeordnete nun allerdings noch ihre Fraktionskollegen überzeugen. Deren Wunsch nach weiterer Diskussion könne sie zwar verstehen. „Nicht nachvollziehen kann ich es, wenn man meint, für jedes legale Produkt müsse auch jede Form der Werbung zulässig sein“, sagte Mortler jedoch – und verweist darauf, dass es in anderen Bereichen durchaus Einschränkungen gibt: „Für verschreibungspflichtige Medikamente darf man gar nicht werben.“

Anders als von der Tabaklobby oder Fraktionskollegen vorgebracht, seien die Beschränkungen der Werbung verfassungsrechtlich „überhaupt kein Problem“, erklärte Mortler gegenüber DAZ.online. „Sie dienen einem legitimen Zweck, dem Schutz junger Menschen vor den Gefahren des Rauchens“, sagte die Bundesdrogenbeauftragte. „Brächte die Werbung nichts, würde die Industrie wohl kaum Geld dafür ausgeben.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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