Entschädigungsfonds

Conterganopfer befürchten Entmachtung durch Bundesregierung

Berlin - 30.11.2016, 08:50 Uhr

Contergan: Ein Arzneimittel mit schwerwiegenden Folgen. (Foto: picture alliance / JOKER)

Contergan: Ein Arzneimittel mit schwerwiegenden Folgen. (Foto: picture alliance / JOKER)


Entdemokratisierung und Willkürherrschaft statt Beteiligung der Betroffenen?

Bei der Bundestagsanhörung erklärte auch Stiftungsratsmitglied Andreas Meyer vom „Bund Contergangeschädigter und Grünenthalopfer“, die Pläne der Regierung seien eine „Entdemokratisierung und massive Beschneidung“. Sie verpasse die Möglichkeit zur „Weiterentwicklung der demokratischen Strukturen der Stiftung bis hin zu einer Selbstverwaltung durch die Contergangeschädigten“, wie er in seiner Stellungnahme betonte – in welcher er das Haus von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) mehrfach hart anging. „Der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD manifestiert die bisherige rechtswidrige Willkürherrschaft des Bundesfamilienministeriums“, erklärte Meyer.

Laut Ministerium gibt es keine Kompetenzbeschneidungen

Aus Sicht des Ministeriums sind derartige Vorwürfe haltlos. „Die Änderung des Conterganstiftungsgesetzes lässt die Struktur der Stiftung … unverändert“, erklärte eine Sprecherin gegenüber DAZ.online und meint damit offenbar das Fortbestehen von Vorstand und Stiftungsrat. „Im Änderungsgesetz wird künftig aufgezählt, welche Zuständigkeit der Stiftungsrat genau hat – entsprechend der Formulierungen, wie sie seit vielen Jahren in der Satzung der Stiftung aufgeführt sind“, erklärt eine Sprecherin. „Hiermit erreichen wir nun auch eine rechtliche Klarstellung.“ Und weiter: „Die Kompetenzen des Stiftungsrates werden auch durch das Gesetz in keiner Weise beschnitten, sondern er entscheidet nach dem vorliegenden Gesetzentwurf über alle grundsätzlichen Fragen und überwacht die Tätigkeit des Vorstands.“

Die vom Bundestag geladene Gerontologin Christina Ding-Greiner von der Uni Heidelberg, die sich intensiv mit der Situation von Contergangeschädigten beschäftigt hat, teilt hingegen eher die Einschätzung der Betroffenen. „Die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Strukturänderungen geben Anlass zur Sorge“, erklärte sie bei der Anhörung. „Es geht unseres Erachtens um eine Verschiebung von Kompetenzen im Sinne einer Einschränkung der Kompetenzen der Betroffenen.“ Doch sei es sinnvoll, sie einzubeziehen und ihre Ressourcen zu nutzen. „Nach über 50 Jahren sollten den Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, sich an Entscheidungen, die ihre Zukunft betreffen, zu beteiligen, sie aktiv mitzugestalten in einem gemeinsamen Prozess, wie dies in einer modernen Demokratie selbstverständlich ist“.

„Weitgehende Aufgabe des Minderheitenschutzes“ 

Auch für den gleichfalls als Experten geladenen Rechtsanwalt Oliver Tolmein zeige sich, „dass die Betroffenen keine unangemessenen, unvertretbaren Forderungen stellen — weder was konkrete Leistungsansprüche angeht, noch was ihre Position innerhalb der Stiftung betrifft“, wie er in seiner Stellungnahme erklärte. Handlungsmöglichkeiten der Leistungsberechtigten würden „strukturell geschwächt“, auch drohe eine „weitgehende Aufgabe des Minderheitenschutzes“ der Betroffenen im Stiftungsrat.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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