- DAZ.online
- News
- Recht
- Verfassungsrichter bekrä...
Gescheiterte Verfassungsbeschwerde
Verfassungsrichter bekräftigen Zweifel an Legitimation des G-BA
Der Gemeinsame Bundesausschuss muss sich immer wieder Vorwürfe gefallen lassen, er sei intransparent und undemokratisch organisiert. Auch das Bundesverfassungsgericht äußerte schon Zweifel an seiner demokratischen Legitimation. Allerdings hatte es bislang keine Gelegenheit, sich eingehend mit dieser Frage zu befassen. Nun ist abermals eine Verfassungsbeschwerde gescheitert, die für eine Klärung hätte sorgen können.
Die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wird immer wieder in Frage gestellt. Die Befugnisse des Gremiums gehen weit und betreffen einen höchst sensiblen Bereich, die Gesundheit. Der G-BA kann beispielsweise Verordnungsausschlüsse für Arzneimittel beschließen. Ebenso kann er Mindestmengen festlegen, die ein Krankenhaus erbringen muss, will es versorgungsberechtigt bleiben – dies soll der Qualitätssicherung dienen.
Mit einem solchen Fall von Mindestmengen musste sich nun der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts befassen. Verschiedene Krankenhausbetreiber wehrten sich gegen die Einführung einer Mindestmenge von Versorgungsfällen bei der Krankenhausbehandlung von Früh- und Neugeborenen mit höchstem Risiko. 14 solcher Frühgeburten muss eine Klinik aufweisen, um einen Vergütungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung zu erlangen, entschied der G-BA.
Vorrang der Qualitätssicherung
Vor Gericht wollten die Klinikbetreiber feststellen lassen, dass diese Mindestmengenfestsetzung nichtig ist. Eines ihrer Argumente: Der G-BA sei nicht legitimiert, solche Regelungen zu treffen. Doch der Gang durch die Instanzen blieb erfolglos. Das Bundessozialgericht hielt die Klage zwar für zulässig. Es sei schließlich nicht sicher, ob die Kliniken künftig verlässlich mindestens 14 Geburten erreichten; daher könnte sie durchaus durch die Regelung beschwert sein. Doch die Sozialrichter hielten den G-BA für hinreichend demokratisch legitimiert, um die entsprechende untergesetzliche Norm zu erlassen. Die Mindestmenge von 14 habe er rechtmäßig festgesetzt. Die Quintessenz des Urteils: Die Abwägung der Interessen der Krankenhäuser, uneingeschränkt „Level-1-Geburten“ zu versorgen, mit dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für Patienten ergebe einen eindeutigen Vorrang der Qualitätssicherung.
Verletzung der Berufsfreiheit?
Die Klinikbetreiber wollten sich damit nicht zufrieden geben und zogen auch noch vor das Bundesverfassungsgericht. Dort machten sie geltend, sie seien in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt. Doch ihre Verfassungsbeschwerde ist nun gescheitert, die Karlsruher Richter nahmen sie nicht zur Entscheidung an.
Die Klinikbetreiber hätten zum einen nicht hinreichend konkret
dargetan, dass sie beschwerdebefugt sind. Soweit die Kliniken in kommunaler Trägerschaft betrieben
werden, ergebe sich dies bereits daraus, dass sie sich überwiegend in
öffentlicher Hand befinden und daher nicht grundrechtsfähig sind. Doch vor
allem hätten sie nicht hinreichend dargetan, dass sie in ihren Grundrechten
verletzt sein könnten. Um das Bundesverfassungsgericht von einer Grundrechtsverletzung zu überzeugen, muss ein Beschwerdeführer einiges aufbieten.Nur zwei bis drei Prozent der in Karlsruhe eingerichten Verfassungsbeschwerden gehen letztlich für ihn günstig aus.
In seinem Beschluss führt der Senat aus, die Beschwerdeführer hätten weder geltend gemacht, dass sie durch die Mindestmengenfestsetzung bereits einen konkreten Nachteil erlitten hätten, noch hätten sie substantiiert dargelegt, dass dies künftig absehbar ist. Alle beschwerdeführenden Kliniken in kirchlicher Trägerschaft hätten sogar Fallzahlen von im Schnitt über 20 Level-1-Geburten jährlich ausgewiesen.
„Gewichtige Zweifel an demokratischer Legitimation“
Die Verfassungsrichter monieren noch einiges mehr. Beispielsweise, dass die Verfassungsbeschwerde nicht darauf eingeht, dass der G-BA bei den Mindestmengenfestlegungen mittlerweile Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vorsehen soll, um unbillige Härten zu vermeiden. Und so kommen sie zu dem Schluss: „Nach allem ist eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Argumenten der Beschwerdeführer, vor allem mit den durchaus gewichtigen Zweifeln an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution nicht veranlasst.“
Es ist nicht das erste Mal, dass das Bundesverfassungsgericht nicht bis zum wirklich spannenden Kern durchdringt, die Organisation des G-BA verfassungsrechtlich abzuklopfen. Aber es wird sicherlich auch nicht das letzte Mal sein, dass den Karlsruher Richtern die Frage vorgelegt wird.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Oktober 2016, Az.: 1 BvR 292/16
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.