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Ende November stoppte Pharmakonzern Eli Lilly die weitere Entwicklung des Antikörpers Solanezumab. Der erhoffte Erfolg für Alzheimer-Patienten war nicht eingetreten. Nach vielen Rückschlägen teilen sich das Lager der Forscher, die einen wollen die gängige Amyloid-Hypothese weiter verfolgen. Die anderen wolle neue Wege bestreiten.
Wirklich überraschend kam die Meldung nicht. Am 23. November verkündete die Pharmafirma Eli Lilly, sie breche eine klinische Studie an 2100 Alzheimerpatienten ab – das getestete Arzneimittel, der Antikörper Solanezumab, zeige nicht den erhofften Erfolg. Die Studienteilnehmer hatten sich in einem frühen Krankheitsstadium befunden und über 18 Monate eine monatliche Infusion des Antikörpers erhalten. Solanezumab bindet an lösliche Amyloid-Proteine im Blut und der Zerebrospinalflüssigkeit und soll so die Bildung von Amyloid-Plaques im Gehirn verhindern. Im Vergleich zur Placebogruppe verlangsamte sich der kognitive Leistungsabfall bei den behandelten Patienten statistisch leider nicht signifikant.
Die Nachricht ist keine wirkliche Neuigkeit – der Antikörper überzeugte bereits 2012 nicht: In zwei klinischen Studien mit jeweils mehr als 1000 Patienten hatte das Arzneimittel nicht den erhofften Effekt gezeigt. Nur eine besonders genaue Analyse der Daten weckte noch einmal Hoffnung, da einige der behandelten Patienten bei einem der drei durchgeführten Kognitionstests etwas besser abschnitten. So hatte man sich auch von der jetzt abgebrochenen Studie eine größere Wirksamkeit erwartet: Die Patienten hatten nur wenige Amyloidablagerungen im Gehirn, ihre Demenz war noch nicht weit fortgeschritten.
Die Meldung von Eli Lilly reiht sich in eine Kette von Misserfolgen. Die Entwicklung von Alzheimermedikamenten gleiche einem Friedhof für klinische Studien, rund 120 gescheiterte Versuche in den letzten 20 Jahren, schrieb die Wissenschaftsredakteurin Emily Underwood in Science. Die Statements von Wissenschaftlern nach dem aktuellen Studienabbruch verdeutlichen, dass sich die Alzheimer-Forschung nach den vielen Rückschlägen immer stärker in zwei Lager teilt – in eines, das die gängige Amyloid-Hypothese nach wie vor unterstützt und eines mit Forschern, die neue Wege bestreiten wollen.
Die Befürworter der Amyloid-Hypothese konzentrieren sich weiterhin auf die Beseitigung der unlöslichen Amyloid-Plaques und betrachten diese als primäre Krankheitsursache. „Die Ergebnisse sind extrem enttäuschend für Patienten, aber ich ändere deswegen nicht mein Denken über die Amyloidhypothese“, sagt Reisa Sperling, Neurologin am Women´s Hospital in Boston. Sperling leitet diverse Studien, in denen die Bildung der Amyloid-Plaques mit verschiedenen Wirkstoffen verhindert werden soll. Christian Haas vom Deutschen Zentrum für neurodgenerative Erkrankungen in Bonn weist darauf hin, dass das aktuelle Studienergebnis eher etwas über die Eigenschaften des Antikörpers Solanezumab aussage als über die Stimmigkeit der Hypothese. „Dieser Antikörper zielt auf lösliche Formen des Amyloids ab. Er könnte im Blut hängen bleiben und daher das Gehirn nicht in ausreichenden Mengen erreichen“, sagt Haas.
Ein neuer Hoffnungsträger ist der Antikörper Aducanumab. Aducanumab wirkt anders und erkennt aggregiertes, unlösliches Amyloid. Die ersten Studien mit diesem Wirkstoff liefen vielversprechend. Bei einem Test verschwanden die Amyloid-Plaques im Gehirn von denjenigen der 165 Alzheimer-Patienten fast völlig, die mit der höchsten Antikörper-Dosis behandelt worden waren. Bei einigen Studienteilnehmern gab es allerdings bedenkliche Nebenwirkungen: Es kam zu Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn. Zurzeit laufen zwei größere Phase-III-Studien mit insgesamt 2700 Patienten, bei denen geprüft werden soll, ob die Behandlung nicht nur die Plaques beseitigt, sondern sich auch positiv auf die Gedächtnisleistung auswirkt. Die Ergebnisse der Studien werden für 2020 erwartet. „Bis die Aducanumab-Ergebnisse da sind, gibt es keinen Grund dafür, die Amyloidhypothese wirklich infrage zu stellen“, sagt der Biotechnologie-Analyst Josh Schimmer aus New York.
Ganz anderer Ansicht sind der Neurowissenschaftler George Perry von der University of Texas und Alzheimerforscher Peter Davies vom Feinstein Institute in New York. „Die Amyloid-Hypothese ist tot“, sagt Perry. Da bisher bei keinem der Ansätze auch nur vorübergehend Erfolge erzielt worden seien, müsse der bisher verfolgte Weg einfach falsch sein, meint Davies. Dringend müssten für Prävention und Therapie andere Wege beschritten und andere Zielmoleküle anvisiert werden als bisher. „Es ist sicherlich nicht hilfreich, die Reduktion von Amyloid beta als alleiniges, therapieorientiertes Forschungsziel zu definieren“, sagt Stefan Remy vom Deutschen Zentrum für neurodgenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn. Die Grundlagenforschung müsse weiter vorangetrieben werden, um neue und bekannte Krankheitsmechanismen besser zu verstehen. „Nur so können neue, zielgerichtete Ansätze zur Therapie entwickelt werden“, sagt Remy.
Die offene Frage ist immer noch: Welche Ereignisse gehen der Plaque-Bildung voraus und sind es womöglich diese Prozesse, die den Untergang der Neuronen verursachen? Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist die Neuroinflammation. Judith Miklossy vom Internationalen Alzheimer Forschungszentrum in Martigny-Croix (Schweiz) und ihr Kollege Patrick McGeer sehen chronische bakterielle Infektionen – unter anderem mit Parodontitis-Erregern – ursächlich für die Alzheimer Demenz. Auch fanden sie Parallelen zur Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2. So könnten neue Behandlungsstrategien in der Alzheimertherapie darauf abzielen, diese ursächlichen Infektionen zu bekämpfen und die damit in Verbindung stehenden chronischen Entzündungsprozesse zu verhindern.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zukunft der Alzheimertherapie eine Kombination von Arzneimitteln mit unterschiedlichen Targets sein wird. Entscheidend für die Wirksamkeit einer solchen Kombinationstherapie wird jedoch sein, zu einem frühen Zeitpunkt mit ihr zu beginnen.
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