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Stoffliche Medizinprodukte
Zertifizierungsengpass bei Meerwassernasensprays und Co. befürchtet
Die Verfügbarkeit Benannter Stellen könnte sich in Zukunft zu einem ernsten Problem für die Zertifizierung stofflicher Medizinprodukte, wie bestimmte Abführmittel, Heilerden oder Meerwasser-Nasensprays, entwickeln. Davor warnte der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bei einer Informationsveranstaltung am heutigen Mittwoch in Bonn.
Stoffliche Medizinprodukte ähneln vom Erscheinungsbild her Arzneimitteln. Im Gegensatz zu diesen wirken sie aber nicht pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch, sondern physikalisch oder physikochemisch. Dazu gehören zum Beispiel bestimmte Abführmittel, Heilerden und Meerwasser-Nasensprays.
Mit der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR) müssen stoffliche Medizinproduke in Zukunft von einer Benannten Stelle zertifiziert werden. Außerdem müssen die Hersteller Wirksamkeitsnachweise und Studien zur Sicherheit vorlegen. Sie werden in höhere Risikoklassen umgestuft und damit zum Teil auf eine Stufe zum Beispiel mit Produkten wie Herzschrittmachern gestellt. Die Risikoklassifikation, die die Kriterien für den Marktzugang im Einzelnen bestimmt, wird nach den Kriterien Ort der Anwendung, Absorption und Verwendungszweck vorgenommen werden.
Guter Kompromiss gefunden
Die Bedeutung der stofflichen Medizinprodukte war im frühen Gesetzgebungsverfahren für das neue Medizinprodukterecht zunächst nicht gebührend erkannt worden. „Das Verständnis für diese Kategorie ist erst durch die intensiven Diskussionen in den letzten Jahren gewachsen“, hatte der Generaldirektor des Europäischen Dachverbandes für die Selbstmedikation AESGP Hubertus Cranz beim BAH im Dialog Ende September 2016 in Berlin betont. Im Vergleich zu den ersten Überlegungen der EU-Kommission, sie komplett aus dem Medizinprodukterecht herauszunehmen, konnte nun nach allgemeiner Einschätzung ein sachgerechter Kompromiss gefunden werden.
Mit der neuen Verordnung über Medizinprodukte bekennt sich der Gesetzgeber erstmals klar dazu, dass solche Produkte überhaupt existieren. In den Diskussionen um die MDR war zum Teil sogar der komplette Ausschluss der Produktkategorie aus dem Anwendungsbereich des Medizinprodukterechts gefordert worden. Trotzdem sind vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen von den Neuerungen stark betroffen. Sie müssen nun ihr Portfolio sichten, um die zukunftsträchtigsten Produkte herauszufiltern, für die sich der anstehende Aufwand rechnet. Dann müsste für diese eine passende Benannte Stelle zur Zertifizierung gesucht werden, wobei es unter Umständen Probleme geben könne.
Schwund bei den Benannten Stellen
Genau hier hakt der BAH nun mit seiner Befürchtung, die bei der heutigen Informationsveranstaltung laut wurde, ein. Für die Benannten Stellen werden die Karten nach der neuen EU-Verordnung ebenfalls neu gemischt. Sie müssen sich in einem Übergangsprozess neu benennen lassen. Wie viele dabei auf der Strecke bleiben, halten Experten für ungewiss. Nach Angaben des BAH waren bis 2012 europaweit circa 80 Benannte Stellen für Medizinprodukte benannt (notifiziert). Als Reaktion auf den Skandal um verunreinigte Brustimplantate (PIP-Skandal) beschloss die EU-Kommission ein Paket mit Sofortmaßnahmen, mit dem unter anderem die Benennung der zuständigen Stellen insbesondere in Hinblick auf deren Kompetenz überprüft wurde. Infolgedessen ging die Anzahl der Benannten Stellen bereits erheblich zurück, sodass derzeit europaweit nur noch rund 50 Benannte Stellen für Medizinprodukte existieren. In Deutschland sind es laut BAH nur noch zehn. Ein weiterer Rückgang könnte besonders die stofflichen Medizinprodukte treffen.
Zertifizierung unrentabel
„Wir befürchten, dass insbesondere die Hersteller stofflicher Medizinprodukte auf der Streichliste vieler verbleibender Benannter Stellen stehen“, sagt Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH. „Denn einigen Benannte Stellen erachten die Zertifizierung stofflicher Medizinprodukte aufgrund des als ungünstig eingeschätzten Kosten-Nutzen-Verhältnisses als unrentabel.“ Sollte dies dazu führen, dass Hersteller keine Benannte Stelle finden, die ihre Produkte zertifiziert, oder aktuelle Verträge nicht verlängert werden, sei die weitere Verfügbarkeit vieler Produkte fraglich. Benannte Stellen dürften nicht zum Flaschenhals für stoffliche Medizinprodukte werden, sonst sei die Patientenversorgung in Gefahr, ergänzte Kroth.
Die neue EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR) wird voraussichtlich Mitte 2017 in Kraft treten und nach einer Übergangsfrist von drei Jahren in allen EU-Mitgliedstaaten direkt anzuwenden sein
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