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Zuzahlungsverzicht
Kassen sollen sich von DocMorris nicht täuschen lassen
Ein Leipziger Anwalt hatte den GKV-Spitzenverband Ende 2016 aufgefordert, EU- Versandapotheken, die Rx-Boni gewähren, aus dem Rahmenvertrag auszuschließen. Die Kassenseite wies die Forderung zurück. Doch der Anwalt lässt nicht locker und konfrontiert den Spitzenverband nun mit Testkäufen, die belegen sollen, dass DocMorris die Kassen über die Einziehung der Zuzahlung täuscht.
Im vergangenen November hatte der Rechtsanwalt Fabian Virkus von der Leipziger Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Hönig & Partner den GKV-Spitzenverband im Namen mehrerer Apotheker angeschrieben. Sein Ziel: Er wollte den Spitzenverband bewegen, zwei ausländische Versandapotheken – DocMorris und die Europa Apotheek Venlo – von der GKV-Versorgung auszuschließen.
Warum? Dass sie ihren Kunden Rx-Boni gewährten, verstoße gegen den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung, argumentierte der Anwalt. Das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 entlasse die Versandapotheken nämlich nicht aus ihrer vertraglichen Verpflichtung, die sie mit ihren Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V eingegangen sind. Ausländische Versender stünden daher vor einer Wahl: Sie könnten sich dem Rahmenvertrag und damit der Arzneimittelpreisverordnung unterwerfen, um den Herstellerrabatt erstattet zu bekommen. Wenn sie hingegen abweichende Einzelverträge schließen, würden sie dieses Recht verlieren.
Der Leipziger Anwalt erklärte überdies, mit der Anrechnung der Boni auf Zuzahlungen missachteten die Versender außerdem die gesetzliche Einziehungspflicht für Zuzahlungen. Die Konsequenz auf die Verstöße gegen den Rahmenvertrag und die Pflicht zum Zuzahlungseinzug sollte nach Auffassung von Virkus sein, alle Rezeptabrechnungen mit solchen Boni zu retaxieren – und ihre Anbieter von der Versorgung auszuschließen.
GKV-Spitzenverband: Kein Verstoß gegen den Rahmenvertrag
Der GKV-Spitzenverband wies diese Forderungen Mitte Februar zurück – und ließ seine Auffassung hierzu auch den Bundestagsfraktionen sowie dem Bundesgesundheits- und Wirtschaftsministerium zuteil werden. Die wesentliche Argumentation des Verbandes: Der Rahmenvertrag sei nach dem EuGH-Urteil europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass Rx-Boni erlaubt sind. „Was der EuGH den Versandapotheken aus Gründen des Europarechts gibt, kann der Rahmenvertrag nicht wieder nehmen“, hieß es in der Antwort an den Leipziger Anwalt. Und was die Zuzahlungen betrifft, so würden diese DocMorris zufolge bei den Versicherten eingezogen und mit den Krankenkassen verrechnet.
Anwalt verweist auf Testkäufe bei DocMorris
Nun hat Virkus ein weiteres Schreiben an den GKV-Spitzenverband verfasst. Mit Blick auf letztere Aussage zur Zuzahlung ist der Anwalt ist überzeugt: Der GKV-Spitzenverband wird seine „Verweigerungshaltung” nicht aufrechterhalten können. Denn: Die Behauptung, DocMorris ziehe Zuzahlungen entsprechend § 43c Abs. 1 SGB V ordnungsgemäß ein, sei „nachweislich falsch“. Vielmehr verletze DocMorris nicht nur die Ihr durch Gesetz und Rahmenvertrag auferlegte Verpflichtung, Zuzahlungen einzuziehen – sie täusche die Krankenkassen auch vorsätzlich über die Einziehung der Zuzahlungen, „um ihr Preismodell auf deren Kosten zu finanzieren“, schreibt Virkus.
Seine Behauptungen stützt der Anwalt auf Testkäufe, die Ende vergangenen Jahres durchgeführt wurden. Virkus legt dem GKV-Spitzenverband dar, dass Kunden, die ein Rezept eingereicht hatten, drei verschiedene Belege bekamen: Eine Rechnung, einen Zuzahlungsnachweis und eine Übersicht über das „DocMorris Kundenkonto“.
Nicht eingezogene Zuzahlung wird „verschleiert”
Die Rechnung weise zunächst die zu leistende Zuzahlung einschließlich der Umsatzsteuer aus. Daneben enthalte das Blatt die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum und den Hinweis: „Die offene Forderung ist mit Erhalt der Rechnung fällig“. Da die Seite mit 1/1 benannt sei, werde der Eindruck erweckt, der Kunde erhalte nur diese Rechnung. Doch es gebe noch einen Zuzahlungsnachweis zur Vorlage bei der Krankenkasse oder dem Finanzamt. Dieser bestätige die Zuzahlung und enthalte keinen Hinweis, dass sie gegebenenfalls nicht vollständig eingezogen wurde. In der Übersicht über das „DocMorris Kundenkonto“ würden dem Patienten abschließend die als „Guthaben“ benannten „Boni“ aufgelistet und schließlich vom Rechnungsbetrag – der nur aus der Zuzahlung besteht – abgezogen. Am Ende stehe somit ein niedrigerer Zahlbetrag und dadurch eine niedrigere Zuzahlung. Auch diese Übersicht sei wieder als Seite 1/1 bezeichnet, erklärt der Anwalt. Dadurch und weil das „Kundenkonto“ die Nummer der Rechnung, mit der das „Guthaben“ verrechnet wird, nicht benenne, werde verschleiert, dass die Zuzahlung nicht (vollständig) eingezogen wird. Da die Unterlagen nicht miteinander korrespondierten, sei es der Krankenkasse nicht möglich, ihrem Patienten eine nicht (vollständig) geleistete Zuzahlung nachzuweisen, sollte dieser versehentlich alle Unterlagen weiterreichen oder die Übersicht über das „Kundenkonto“ auf anderem Wege zu ihr gelangen.
DocMorris-Zuzahlungsquittungen vor dem OLG Stuttgart
Zum Beleg, dass der Verzicht auf die Zuzahlung nicht banal ist, führt Virkus ein im vergangenen Sommer ergangenes Urteil des Landgerichts Ravensburg an. Auch hier ging es um DocMorris-Quittungen über Zuzahlungen, die tatsächlich gar nicht geleistet haben. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen das geltende Wettbewerbsrecht. DocMorris hatte gegen die Entscheidung Berufung eingelegt – diese Woche Donnerstag soll das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart fallen. Laut Virkus habe das Gericht schon in der mündlichen Verhandlung Ende Februar zu erkennen gegeben, dass es die Rechtsauffassung des Landgerichts teile.
Ein Ausschluss von DocMorris aus dem Rahmenvertrag ist aus Sicht des Leipziger Anwalts zuletzt auch deshalb erforderlich, weil ihr Versandhandelskonzept die Arzneimittelsicherheit und die Gesundheit der Patienten „vorsätzlich und in erheblicher Weise gefährdet“. Es beruhe nämlich maßgeblich darauf, „mit den Patienten möglichst nicht in Kontakt zu treten, sondern diese nur zu beliefern“, erklärt er. Dabei hebt Virkus ab auf das kürzlich im Eilverfahren ergangene Urteil des Landgerichts Stuttgart: Dieses untersagte DocMorris die Verwendung von Freibriefumschlägen zur Rezepteinreichung, wenn hier nicht die Telefonnummer des Patienten für eine möglicherweise nötige Kontaktaufnahme abgefragt werde.
Virkus endet seinen Brief mit einer neuerlichen Aufforderung: Bis zum 31. März 2017 soll der GKV-Spitzenverband DocMorris von der Versorgung der GKV-Patienten ausschließen – um „die Rechtsverstöße so umgehend abzustellen“.
Virkus zufolge hat für seine im November gestartete Initiative mittlerweile die Unterstützung von rund 180 Apothekern.
2 Kommentare
Irrglaube der Kassenfunktionäre
von Thomas Brongkoll am 22.03.2017 um 10:50 Uhr
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Achtung: der Rabatt geht nicht auf die Zuzahlung
von Thomas Luft am 20.03.2017 um 20:23 Uhr
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