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Versandhandels-Konflikt
DAK-Chef bringt Bedarfsplanung für Landapotheken ins Spiel
Am morgigen Mittwoch wird sich der Koalitionsausschuss voraussichtlich mit dem Rx-Versandverbot beschäftigen. Bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller zeigte sich, dass im Konflikt um den Versandhandel alle Beteiligten immer noch so weit sind, wie einen Tag nach dem EuGH-Urteil. Für Überraschung sorgte allerdings der Vorschlag von Andreas Storm, Chef der DAK.
An der „Berliner Runde“ des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) beteiligten sich am heutigen Freitag DAV-Chef Fritz Becker, Christian Buse, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA), DAK-Chef Andreas Storm sowie der BAH-Vorstandsvorsitzende Jörg Wieczorek. Das Thema der Diskussionsrunde lautete „Das EuGH-Urteil und seine Folgen für die Arzneimittelversorgung“. Doch bevor die Diskutanten ihre seit Monaten weit auseinander liegenden Meinungen erneut austauschen konnten, betrat der Rechtsanwalt Wolfgang Kozianka die Bühne. Kozianka ist Mitglied des Rechtsausschusses des BAH.
Jeder Vorschlag hat Potenzial wieder vor dem EuGH zu landen
Der Anwalt beschrieb kurz aber prägnant, warum auch etwa sechs Monate nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung immer noch niemand weiß, wie es mit dem Arzneimittel-Versandhandel nun eigentlich weitergehen soll. Kozianka sagte: „Normalerweise bekommt man ein Urteil, liest sich die Rechtsprechung durch, dann die Begründung. Anschließend ist eigentlich allen klar, was zu unternehmen ist. Bei diesem Urteil ist das nicht so: Keiner weiß, wie nun agiert werden muss.“ Der Anwalt wies darauf hin, dass aus seiner Sicht alle Vorschläge zur Lösung des Konflikts erneut vor dem EuGH landen würden.
Die deutschen Versandapotheken hatten bereits angekündigt, gegen das Verbot klagen zu wollen. Auch die SPD-Bundestagsfraktion wies immer wieder darauf hin, dass das Verbot aus ihrer Sicht weder europarechtlich noch verfassungsrechtlich haltbar sei. Dieser Meinung schlossen sich auch die Ministerien für Justiz, Wirtschaft und Finanzen an, die den Referentenentwurf vom Bundesgesundheitsministerium ablehnten.
Kozianka trug weiterhin vor, dass aus seiner Sicht aber auch alle anderen Vorschläge zur Lösung des Versandhandel-Konfliktes rechtlich unsicher seien. Der von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagene „Boni-Deckel“ für alle Anbieter sei nicht tragbar, weil der EuGH entschieden habe: „Die ausländischen Versender müssen mehr dürfen als deutsche Anbieter.“ Außerdem sei die Übertragung dieser Regelung ins Sozialrecht nicht so einfach möglich: „Der EuGH wird auch das überprüfen. Es ist egal, wo diese Einschränkung steht.“ Kozianka kam daher zu dem Schluss: „Es gibt einfach keine sichere Lösung.“ Für ihn sei es daher sinnvoll, etwas „gegen das Urteil“ zu tun und dafür zu sorgen, dass die Sache erneut vor dem EuGH lande.
Becker: Mit aller Kraft für das Rx-Versandverbot
DAV-Chef Fritz Becker stellte hingegen dar, dass die Apotheker was das Rx-Versandverbot betrifft, noch nicht die Hoffnung verloren hätten. „Wir kämpfen für die Gleichpreisigkeit, sie gibt allen Sicherheit: den Patienten, den Kassen und den Apothekern.“ Mit aller Kraft setze man sich dafür ein, dass das Versandverbot im morgigen Koalitionsausschuss beschlossen werde. Auf Nachfrage, wie es weitergehen solle, wenn der Ausschuss sich nicht auf das Verbot verständigt, erklärte Becker allerdings: „Dann gilt der Status quo: Die niederländischen Apotheken dürfen hierzulande Boni anbieten, für Anbieter in Deutschland gilt allerdings die Arzneimittelpreisverordnung.“
Gerade kleine Landapotheken in Gefahr
Becker unterstrich, dass selbst die kleinste Aufweichung der Preisbindung aus Sicht der Apotheker gefährlich sein könnte. „Natürlich werden bei einem 1-Euro-Bonus nicht sofort alle Apotheken sterben. Allerdings kommen genau die in Gefahr, die für die Versorgung wichtig sind, nämlich die kleinen Landapotheken“, prophezeite der DAV-Chef. Außerdem befürchte er eine Abwanderung zum Versandhandel – egal, wie hoch die Versender ihre Boni ansetzen könnten. „Ich komme aus einer Region, in der das Sparen wichtig ist. Die Leute würden sehr wahrscheinlich zum Versandhandel abwandern“, erklärte der gebürtige Baden-Württemberger. Becker stellte zudem ein Argument infrage, das die Krankenkassen für den Erhalt des Rx-Versandes in Feld führen: „Ich weiß nicht, was am Versandhandel so digital und modern sein soll. Schon vor Jahrzehnten haben wir aus Otto-Katalogen Bestellscheine ausgeschnitten und damit etwas bestellt.“
BVDVA-Chef Buse: „Jedes Verbot wird nicht halten”
Eine ganz andere Sicht auf die Dinge hat weiterhin BVDVA-Chef Christian Buse. Das Verbot sei momentan das „schlechteste aller Mittel“, weil der EuGH eindeutig entschieden habe, dass es in Deutschland „endlich“ auch einen Wettbewerb über den Preis geben müsse. „Jedes Verbot wird nicht halten“, sagte Buse. Als Antwort auf Beckers Attacke erklärte der Versandapotheken-Chef: „Herr Becker, ich lade Sie gerne herzlich zu uns ein. Dann können Sie sehen, mit welchem Digitalisierungsgrad wir arbeiten. Wir verwenden jetzt schon elektronische Medikationspläne, obwohl es diese flächendeckend noch gar nicht gibt.“
DAK-Chef: Für die Mehrheit ist der Rx-Versand keine Option
Buse warb erneut für Alternativen zum Versandverbot. „Zeitlich begrenzt“ wäre beispielsweise der Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion zum Boni-Deckel denkbar. Allerdings gab auch er zu: „Das mit der Überführung ins Sozialrecht wird nicht einfach.“ Dass Apotheken wegen eines 1-Euro-Bonus schließen müssten, ist für Buse nicht glaubwürdig. In Richtung Becker sagte er: „Wenn ihre Patienten wegen eines 1-Euro-Bonus zum Versandhandel rennen, haben Sie ein ganz anderes Problem, dann sind ihre Leistungen nämlich nicht mehr wahrnehmbar.“ Buse selbst kündigte an, in seinen Vor-Ort-Apotheken keine Boni gewähren zu wollen.
Ebenfalls gegen das Rx-Versandverbot sprach sich DAK-Chef Andreas Storm aus. Storm verwies auf eine neue Forsa-Umfrage im Auftrag der Ersatzkassen zum „Potenzial“ des Versandhandels. „24 Prozent der Befragten haben den Versandhandel schon genutzt. Auf die Frage, ob man künftig beim Versandhandel bestellen und Rx-Boni wahrnehmen wolle, antworteten nur insgesamt 9 Prozent der Befragten, dass sie sich das vorstellen könnten. Für die überwiegende Mehrheit ist der Rx-Versand keine Option.“ Storm kommt daher zu dem Schluss: „Wir glauben, dass der Versandhandel mit erlaubten Rx-Boni einen Marktanteil von maximal 3 bis 4 Prozent haben wird und somit die Apotheken nicht gefährden wird.“
Statt eines Verbotes sei es aus seiner Sicht sinnvoller, in der nächsten Legislaturperiode zwei Schritte zu unternehmen. Erstens müsse die Apothekervergütung so umgestellt werden, dass die Beratung und Versorgungsqualität mehr im Fokus steht. „Mit Blick auf den demografischen Wandel werden Apothekern viel mehr und wichtigere Aufgaben zukommen“, kommentierte der Kassenchef. Zweitens plädierte Storm dafür, dass man eventuelle Versorgungsprobleme auf dem Land planerisch lösen sollte. „Man sollte gezielt festlegen und regeln, wo welcher Bedarf besteht und die Verteilung der Apotheken danach steuern.“ Storm benutzte das Wort „Bedarfsplanung“ nicht. Allerdings verwies er auf den Krankenhausbereich. Dort haben die Bundesländer das Recht, die Verteilung der Kliniken im Land je nach Bedarf zu steuern. „Wir sollten die Versorgung dort sicherstellen, wo sie wirklich gebraucht wird“, sagte der Kassenchef.
8 Kommentare
Bedarfsplanung auf dem Land?
von Andreas Grünebaum am 10.04.2017 um 20:41 Uhr
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Beitrag auf WDR 5
von Bernd Jas am 29.03.2017 um 8:13 Uhr
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Verlierersprache
von Ulrich Ströh am 28.03.2017 um 21:10 Uhr
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Aber Herr Buse...
von Marius am 28.03.2017 um 19:44 Uhr
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Gegen Urteil was machen?
von Pöppl Christian am 28.03.2017 um 18:54 Uhr
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Schäbig xxx
von Ratatosk am 28.03.2017 um 18:41 Uhr
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Bedarfsplanung
von Frank Zacharias am 28.03.2017 um 17:12 Uhr
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AW: Bedarfsplanung
von Pues am 28.03.2017 um 19:09 Uhr
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