Interview Maria Michalk (CDU)

Union will SPD noch vom Rx-Versandverbot überzeugen

Stuttgart - 21.04.2017, 07:00 Uhr

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Maria Michalk, hat noch Hoffnung in Sachen Rx-Versandverbot. (Foto: Laurence Chaperon / Abgeordnetenbüro)

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Maria Michalk, hat noch Hoffnung in Sachen Rx-Versandverbot. (Foto: Laurence Chaperon / Abgeordnetenbüro)


Die Union hat das Rx-Versandverbot für diese Legislaturperiode noch nicht abgeschrieben, erklärt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion im Interview mit DAZ.online. Zeitlich sei es knapp – aber noch machbar, wenn die SPD sich bewegt. Während Unions-Fraktionsvize Georg Nüsslein die Verhandlungen für gescheitert erklärt hatte, laufen die Gespräche laut Michalk weiter.

Im Koalitionsausschuss gescheitert, Widerstand von zwei SPD-Ministerien und auch vom Unions-geführten Finanzministerium – und die Zeit rennt davon: Das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Rx-Versandverbot scheint für diese Legislaturperiode gescheitert zu sein. Der für Gesundheitsfragen zuständige Unions-Fraktionsvize Georg Nüsslein (CSU) erklärte gegenüber DAZ.online die Verhandlungen mit der SPD für gescheitert – SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach und er hätten zu unterschiedliche Ziele. Nüßlein wollte das Thema daher mit in den Koalitionsvertrag für die nächste Bundesregierung nehmen. Doch auf Nachfrage zeigte sich Gröhe am gestrigen Mittwoch kämpferisch – und auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Maria Michalk, äußert im Interview mit DAZ.online nun Hoffnung auf eine Verabschiedung noch in der aktuellen Legislaturperiode.

DAZ.online: Das von der Union geplante Rx-Versandverbot wird in dieser Legislaturperiode wohl kaum noch kommen, Frau Michalk. Wie bewerten Sie den Widerstand der SPD?

Maria Michalk: Ich finde es richtig schade, dass wir so viel Zeit verloren haben, weil es zu keiner Einigung kam. Alle Lösungsvorschläge, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind keine Dauerlösungen für die Zukunft. Mein Vorschlag wäre das Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gewesen – damit wir den Rücken frei haben für eine tiefergreifendere Diskussion, wie das Honorarsystem für Apotheken neu gestaltet werden kann.

DAZ.online: Warum konnte die Union denn nicht dem Kompromissvorschlag der SPD-Politiker Sabine Dittmar und Edgar Franke zustimmen?

Der Vorschlag, über das Sozialgesetzbuch V Boni zu begrenzen, ist eine Lösungsmöglichkeit, die neue Probleme mit sich bringt – sowohl rechtliche Bedenken als auch mehr Bürokratie für Apotheker. Wir als Union wollen das Versandhandelsverbot weiterhin in dieser Legislaturperiode, weil es unter anderem sicherstellt, dass ein verschreibungspflichtiges Medikament an jedem Ort den gleichen Preis hat.

DAZ.online: Der Widerstand auch innerhalb der Bundesregierung ist stark – und das nötige EU-Notifizierungsverfahren führt dazu, dass das Gesetz voraussichtlich erst nach einem halben Jahr Verzögerung in Kraft treten kann.

Michalk: Wenn die SPD ihren Widerstand nicht aufgibt, dann kommen wir nicht zusammen – das ist das politische Geschäft. Die Legislaturperiode endet ja, wenn der neu gewählte Bundestag konstituiert ist – das ist ungefähr Mitte Oktober. Rein theoretisch könnte der Bundestag das Versandverbot bis Ende Juni noch beschließen, parallel könnte das Notifizierungsverfahren eingeleitet werden – dann wäre noch fünf Monate Zeit. Das wäre noch hinzubekommen. Normalerweise wird das Notifizierungsverfahren vor der zweiten und dritten Lesung im Bundestag beendet, das schaffen wir nicht mehr – aber es hat schon Fälle gegeben, wo das Gesetz schon beschlossen wurde, während das Verfahren noch lief. Wir haben noch fünf Monate, da wollen wir weiter dran arbeiten.

„Wir haben noch etwas Hoffnung“

DAZ.online: Sie verhandeln also weiter mit der SPD?

Michalk: Gespräche gibt es immer. Die Frage ist nur: Kommt jetzt etwas dabei heraus. Gerade hatten wir drei Wochen sitzungsfreie Zeit – da müssen wir schauen, wie es nun weitergeht.

DAZ.online: Und das EU-Notifizierungsverfahren dauert ja voraussichtlich sechs Monate…

Michalk: Die Realität holt uns so langsam ein, wir haben aber noch etwas Hoffnung. Klar ist es von den Fristen her knapp, aber das Verfahren kann auch schneller gehen.

DAZ.online: Wie würde es aus Ihrer Sicht weitergehen, wenn das Rx-Versandverbot nicht kommt?

Michalk: Fakt ist jedenfalls: Wenn jetzt nichts passiert, werden die Versandapotheken aggressiver. Das sehe ich selber, bei jedem Einkauf bekomme ich einen Werbeflyer. Auf der Strecke bleiben unsere örtlichen Apotheken, das finde ich absolut schade. Für eine Übergangslösung sehe ich derzeit keine Mehrheiten – von daher ist das alles nicht befriedigend und schadet der Versorgungssicherheit.

DAZ.online: Aus Sicht der Apotheker könnte das Rx-Versandverbot insbesondere Landapotheken vor dem Untergang bewahren. Wie bedroht sind die Landapotheken aus Ihrer Sicht?

Michalk: Wenn mir jetzt schon bestimmte Apotheken im ländlichen Bereich erzählen, dass sie schließen müssen – auch aufgrund ihres Alters oder da sie keinen Nachfolger finden – dann bleibt das wohl nicht bei einzelnen Apotheken. Das ist etwas, was mir große Sorge macht. Wir brauchen die ländlichen Apotheken beispielsweise für die Notfallversorgung und den Wochenenddienst: Als Bund sind wir dafür zuständig, für gleiche Lebensbedingungen in Deutschland zu sorgen. Wenn die Apothekenlandschaft einmal ausgedünnt ist,  bleibt das Problem auf Dauer.

Elektronisches Rezept wäre Vorteil für Vor-Ort-Apotheken

DAZ.online: Kritiker äußern ja häufig, das Rx-Versandverbot sei rückwärtsgewandt. 

Michalk: Wir verschließen uns nicht neuen Lösungen. Ich hätte es beispielsweise gerne gesehen, dass das elektronische Rezept schon Realität ist, dann wäre die Diskussion rund um das Rx-Versandverbot zielgenauer.

DAZ.online: Aber ist das E-Rezept nicht erst recht eine große Unterstützung für den Versandhandel? Apotheker befürchten, dass die Rezepte dann in erste Linie bei den Online-Apotheken landen…

Michalk: Ich glaube, dass auch stationäre Apotheken Vorteile durch das e-Rezept hätten: Wenn der Arzt dem Apotheker des Patienten das elektronische Rezept auf den Rechner schicken kann, kann dann der örtliche Apotheker viel schneller reagieren und das Medikament beispielweise schon vor dem Eintreffen des Kunden bestellen. Bislang beklagen sich viele Bürger, dass sie mit dem papiergebundenen Rezept zweimal zur Apotheke gehen müssen, wenn es nicht vorrätig ist, wobei ich auf den etablierten Bringdienst verweise.

DAZ.online: Sowohl beim EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung als auch beim „EU-Dienstleistungspaket“, das berufsrechtliche Regelungen für Apotheker und Ärzte aufweichen könnte, gibt es Proteste der Heilberufler gegen Regelungen aus Brüssel. Redet uns die EU aus Ihrer Sicht zu viel in die Gesundheitsversorgung hinein?

Michalk: Ja, der Eindruck verstärkt sich. Das Gesundheitswesen ist im nationalen Recht geregelt. Wenn wir durch europäische Institutionen – wie dem Europäischen Gerichtshof – gezwungen werden, unsere Regeln dem EU-Recht anzupassen, dann sagen viele: Wehret den Anfängen. Wir müssen im Gesundheitsbereich an den nationalen Kompetenzen festhalten. In der Vergangenheit haben wir schon sehr viel daran gearbeitet, dass unsere freien Berufe weiter unter den Qualitätsbedingungen, die wir ihnen auflegen, arbeiten. Wenn die Regeln durch EU-Recht so aufgeweicht werden, dass die Qualität in Frage gestellt wird, dann können wir das nicht mittragen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Was soll das, Frau Michalk?

von Heiko Barz am 21.04.2017 um 13:53 Uhr

Dieser Artikel ist ein Paradebeispiel berechnenden Wahlkampfs.
Wenn ich, - Frau Michalk - genau weiß, dass alles was ich sage in keiner Weise zielführend sein kann, weil nichts mehr, siehe Kabinettsbeschluß, änderbar ist, dann kann ich aus wahltaktischen Gründen den Apothekern reichlich bitteren Honig auf Maul schmieren.
Von Frau Michalk war im Vorfeld bei den Grundsatzdiskussionen zum AVHVerbot nichts aber auch gar nichts zu lesen und zu hören. Nun kann sie sich mit der Klarheit, nichts mehr bewegen zu müssen und zu können, bei Diskussionen reichlich aus dem Fenster lehnen. Es hat ja für sie keine politischen Konsequenzen. Zynischer geht es eigentlich nicht mehr.
Zu vergleichen wäre es, wenn der Schlachttermin für die Kuh festgelegt ist und man ihr noch einmal über den Kopf streicht und und ins Ohr flüstert: Keine Angst, es wird schon nicht so schlimm.

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