Apothekenwirtschaftsbericht

Von Fakten und Gefühlen der Apotheker

Berlin - 26.04.2017, 16:00 Uhr

Claudia Korf warf einen Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken. (Foto: P. Külker)

Claudia Korf warf einen Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken. (Foto: P. Külker)


Die aktuellen Zahlen des Apothekenwirtschaftsberichts, die ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf am heutigen Mittwoch beim DAV-Wirtschaftsforum vorstellte, sehen auf den ersten Blick schön aus. Das Apothekenhonorar steigt moderat aber beständig. Auch die Umsätze wachsen. Doch im Reformations-Jahr mahnt Korf mit den Worten Martin Luthers: „Wo Gott eine Kapelle baut, da baut der Teufel eine Kirche daneben“.

Zahlreiche frische Daten und Zahlen präsentierte Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge, beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin. Grundsätzlich gibt es einiges Gutes zu berichten: Das Apothekenhonorar wird im laufenden Jahr steigen – dafür werden die jüngsten Regelungen des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes sorgen. Es gibt bald mehr Geld für Rezepturen und die Dokumentation bei der BtM-Abgabe und bei T-Reeztpten.

Doch auf der anderen Seite steht das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 mit seinen Folgen. Der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers für ein Rx-Versandverbot ist gescheitert. Es gebe zwar Alternativen, erklärte Korf, allerdings „keine relevanten“. Die Konsequenz ist, dass die deutschen Apotheken weiter mit der Inländerdiskriminierung leben müssen. „Das halten wir aus – einfach weil wir gut sind –, aber nicht ewig“, so Korf. Man müsse sich nun überlegen, wo es mit der anstehenden Reform der Arzneimittelpreisverordnung hingehen solle. Bekanntlich lässt das Bundeswirtschaftsministerium derzeit ein Gutachten zum Thema erstellen, die Ergebnisse werden im Herbst vorliegen – mit ihnen wird sich die neue Bundesregierung befassen müssen.

Doch vorerst ist zu konstatieren, dass die Entwicklung beim Apothekenhonorar nach den mageren AMNOG-Jahren 2012 und 2013 positiv verläuft. Zwar sei die Steigerung etwa im Vergleich zu den sprudelnden GKV-Einnahmen, dem Plus beim Bruttoinlandsprodukt moderat – aber eben doch vorhanden.

Kassenabschlag und Zuzahlungsenwicklung

Derweil blieb der Kassenabschlag, den die Apotheken für jede verschreibungspflichtige Arzneimittelpackung an die GKV zahlen, in den vergangenen Jahren konstant bei etwa einer Milliarde Euro jährlich.

Korf verwies zudem auf das Zuzahlungsinkasso, das die Apotheken für die Kassen übernehmen: 2,14 Milliarden Euro waren dies im Jahr 2016. In diesem Zusammenhang warf Korf auch einen Blick auf die Entwicklung der Arzneimittelzuzahlungen im Zeitverlauf – und ihre Verbindung zu den Rabattverträgen. Als vor zehn Jahren die Rabattverträge scharf gestellt wurden, hatten viele Kassen rabattierte Arzneimittel von der Zuzahlung befreit – „um die Umstellung für Patienten charmant zu machen“, wie Korf es umschreibt. So waren 2008 sechs von zehn rabattierten Arzneimitteln zuzahlungsbefreit oder -ermäßigt. Doch im Laufe der Jahre sank die Bereitschaft der Kassen, hier Verzicht zu üben. 2016 waren nur noch 23 Prozent der Rabattarzneimittel ohne oder mit geringerer Zuzahlung zu haben.

Apothekenzahl sinkt im 1. Quartal 2017 auf unter 20.000

Zu den DAV-Wirtschaftsdaten zählt auch der Blick auf die Entwicklung der Betriebsstätten. Diese hatte die ABDA schon vorab kundgetan: Die Apothekenzahl ist im Sinkflug und lag Ende 2016 bei nur noch 20.023. Doch im ersten Quartal 2017 sind laut Korf bereits rund weitere 80 „vom Netz gegangen“. „Damit sind wir auf dem Status von Anfang der 1990er Jahre“. So ein hartes erstes Quartal hätten die Apotheken seit dem AMNOG nicht mehr erlebt. Korf wies zudem darauf hin, dass viele Apotheken zunächst den Weg der Filialisierung gingen – als „milderes Mittel“ zur Schließung. 

Zu beobachten ist zudem, dass immer mehr Apotheker als OHG in die Selbständigkeit einsteigen. Gerade für Frauen sei dies ein interessantes Modell, um die Last der Verantwortung nicht ganz allein tragen zu müssen. Waren es 2005 noch 385 Apotheken, die in Form einer OHG betrieben wurden, waren es 2016 bereits 689.

OTC wandern zunehmend in den Versandhandel

Ein weiterer Schwerpunkt des Wirtschaftsberichts ist der Absatz und Umsatz der Apotheken. So war beim Gesamtabsatz im vergangenen Jahr ein leichter Rückgang von 1.412 Millionen auf 1.408 Millionen Packungen auszumachen. Zugleich verschob sich der Anteil leicht zugunsten der Rx-Arzneimittel. Dies, so Korf, sei auch darauf zurückzuführen, dass mehr OTC über den Versandhandel bestellt würden.

Dagegen stieg der Gesamtumsatz der Apotheken von 47,2 Milliarden auf 48,1 Milliarden Euro. Dabei gilt nach wie vor die Faustformel, dass rund 80 Prozent des Umsatzes mit Rx-Arzneimitteln gemacht werden, 10 Prozent mit rezeptfreien Arzneimitteln und 10 Prozent mit dem Randsortiment. Im letzteren befinden sich etwa Hilfsmittel, die etwa 20 Prozent des Randsortiment-Umsatzes ausmachen. Korf betonte dies besonders, da dieses kleine Umsatzsegment den Apotheken doch sehr viel Arbeit macht. Dennoch kümmerten sie sich darum, um ihren Patienten eine Rundum-Versorgung bieten zu können.  

Perspektivische Entwicklung des Rx-Versandhandels

Besonderes Augenmerk legte Korf zudem auf die Entwicklung des Versandhandels – zumal hier „viel Unfug medial perpetuiert“ werde. Korf setzt auf echte Zahlen statt „fake news“. Und die sehen aktuell so aus:

Korf räumt ein: Der Umsatzanteil des Versandhandels am Rx-Gesamtmarkt von 1,3 Prozent im Jahr 2016 klingt nach nicht viel. Doch es ist der Status vor der Änderung der Spielregeln. Und wäre eine „boshafte Lüge, zu behaupten, dass dieses eine Prozent die flächendeckende Versorgung nicht gefährden würde“. Es gebe keine Branche, so Korf, die in den vergangenen Jahren nicht massiv über den Online-Handel an Umsatz verloren habe. Die Apotheken hätten hier keine abgekoppelte Entwicklung.  

Korf zeigte ein mittel- und langfristiges Szenario auf, um zu belegen, dass die Sorgen der Apotheker ihre Berechtigung haben: Würde der Versandhandel 10 Prozent des Rx-Marktes übernehmen, so bedeute dies für die Apotheken bereits einen Rohertragsverlust von 560 Millionen Euro.

Bei einem Marktanteil von 25 Prozent gingen sogar 1,5 Milliarden des Rohertrags verloren. Und das, so Korf, wäre der Todesstoß für die flächendeckende Versorgung. 

Es gibt noch viel zu tun

Dies vor Augen mag verständlich sein, warum sich viele Apotheker derzeit schlechter fühlen als es ihnen den Fakten nach eigentlich geht. Korf rief aber auch dazu auf, das Glück selbst in die Hand zu nehmen. Schwierige Situationen – etwa nach dem EuGH-Urteil – könnten auch ein Impuls für neue Chancen sein. Was selbstverständlich ist, mache nicht glücklich. Annehmlichkeiten würden oft erst wieder geschätzt, wenn sie vom Verschwinden bedroht seien.

Für die Apotheker steht nun einiges auf der Agenda. Es gilt Antworten auf die Fragen zu finden, was fair ist im Wettbewerb, was angemessen in der Honorierung und wie die flächendeckende Versorgung gesichert werden kann. Zudem gilt es, die Entwicklungen auf europäischer Ebene im Blick zu behalten. Und nicht zuletzt wird die Digitalisierung die Apotheken weiter beschäftigen – als Unterstützung, nicht als Ersatz für die Heilberufe, wie Korf betont.

Auch für die Politik hat Korf bereits eine Idee für ein nächstes gesundheitspolitisches Projekt. In der laufenden Legislaturperiode wurde schon vieles per Gesetz „gestärkt": der Wettbewerb, die Selbstverwaltung, die Arzneimittelversorgung. Nun wäre es Zeit, die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu stärken, meint Korf. Angesichts von Befunden der OECD, dass es in Deutschland viel zu viele potenziell vermeidbare Krankenhausaufenthalte wegen Arzneimittelkomplikationen gebe und zahlreiche chronische Krankheiten ambulant besser therapierbar wären, wenn mehr für AMTS getan würde, würde uns ein „ATSG” – Arzneimitteltherapiestärkungsgesetz – gut zu Gesicht stehen.

Sämtliche Folien des Apothekenwirtschaftsberichts 2017 finden Sie auf der ABDA-Webseite als pdf zum Herunterladen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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