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Gender Medicine
Wirken Herz-Kreislauf-Medikamente unterschiedlich bei Frauen und Männern?
Die gleiche Dosis für jeden?
„Frauen haben mehr Nebenwirkungen, weil für viele Medikamente die gleiche Dosis für jeden empfohlen wird, unabhängig vom Körpergewicht.“ So begründet der Erstautor des Positionspapiers Juan Tamargo, Direktor der Forschungsgruppe für Herz-Kreislauf-Pharmakologie an der Universidad Complutense in Madrid, dieses Phänomen. „Dies kann bei den Patientinnen zu höheren Plasma-Spiegeln und zu Überdosierungen führen." Tamargo befürchtet: „Wenn die Frauen wegen der stärkeren Nebenwirkungen ihre vorbeugenden Medikamente absetzen, sind sie trotz ihres höheren Risikos ohne Schutz.“
Das Beispiel Acetylsalicylsäure
Die europäische Kardiologen-Gesellschaft verweist an dieser Stelle auf geschlechtsbezogene Unterschiede in der Pharmakokinetik einiger breit eingesetzter Herz-Kreislaufmittel. Beispielsweise seien die Bioverfügbarkeit und die Plasmaspiegel von Acetylsalicylsäure bei Frauen höher als bei Männern, möglicherweise bedingt durch eine geringere Aktivität des Enzyms ASS-Esterase sowie eine größere Distribution und niedrigere Clearance des Wirkstoffs. Tamargo beklagt, dass es für solche Mittel keine Gender-bezogenen Empfehlungen im Label gibt, nicht einmal dann, wenn der Unterschied in der Pharmakokinetik zwischen Männern und Frauen bei mehr als 40 Prozent liegt.
Geschlechtsspezifische Unterschiede seien auch hinsichtlich der Pharmakodynamik bekannt. So sei die Schutzwirkung von Acetylsalicylsäure bei Frauen gegen Schlaganfall stärker und bei Männern gegen Herzinfarkt. ASS sei aktiver gegenüber männlichen Thrombozyten und ASS-Resistenz häufiger bei Frauen.
Männliche Ärzte veschreiben Frauen weniger
Die
europäischen Kardiologen wollen mit dem Positionspapier auch die Ärzte stärker
in die Pflicht nehmen. Dabei geht es nicht nur um Überdosierungen. „Männliche
Ärzte verschreiben die empfohlenen Medikamente bei weiblichen Patienten weniger
häufig“, bemängelt Tamargo. „Einige denken, Herz-Kreislauferkrankungen seien für
Frauen kein echtes Problem, weil sie durch Sexualhormone geschützt sind.
Dabei vergessen sie, dass dies mit zunehmendem Alter verschwindet und dass Frauen
länger leben als Männer.“
Geschlechtsspezifische Leitlinien gefordert
Das Papier empfiehlt nun, für Herz-Kreislauf-Medikamente geschlechtsspezifische Leitlinien zu entwickeln und umzusetzen. Für die Gebrauchsinformationen werden Gender-spezifische Dosierungsangaben gefordert. Frauen sollen in klinische Studien mit Herz-Kreislauf-Medikamenten eingebunden werden. Außerdem sollen die Ärzte über Geschlechtsunterschiede in der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Herz-Kreislauf-Medikamenten besser ausgebildet werden.
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