- DAZ.online
- News
- Politik
- Wie sollen teure ...
EU-Expertengremium macht VorschlägE
Wie sollen teure Innovationen in Zukunft bezahlt werden?
Hohe Preise für innovative Arzneimittel sind eine zunehmende Herausforderung für die Gesundheitssysteme in der EU. So kann es nicht mehr weitergehen, meint die EU-Kommission und hat ein Expertengremium damit beauftragt, zu untersuchen, wie kostspielige Arzneimittelinnovationen in Zukunft „besser“ bezahlt werden können. Nun hat das Gremium seine Ideen dazu präsentiert.
Das Expertengremium „Expert Panel on Effective Ways of Investing in Health“ (EXPH) der EU hat im Auftrag der EU-Kommission einen Bericht zur Bezahlbarkeit von Arzneimittelinnovationen vorgelegt. Das multidisziplinäre und unabhängiges Gremium kann von der Kommission mit speziellen Fragen zur Gesundheits-und Arzneimittelversorgung befasst werden. Es hat eine beratende Funktion. Seine Ergebnisse und Empfehlungen sind für die EU-Kommission nicht bindend.
Das EXPH stellt in seiner aktuellen „Draft Opinion“ fest, dass die Kosten für innovative Arzneimittel zu hoch sind und dass die damit verbundenen Ausgaben langfristig die Gesundheitssysteme in der EU gefährden. So könne es mit dem Kostenwachstum nicht weitergehen. Gleichzeitig müsse jedoch die Innovationsfähigkeit der pharmazeutischen Industrie erhalten bleiben. Es gehe darum, neue Weg zu suchen, dass Innovationen produziert werden, die wirklich etwas bringen, dass die Patienten Zugang zu Innovationen haben und dass die Gesundheitssysteme finanziell tragfähig seien. Um diesen drei Zielen näher zu kommen, müssten neuartige Bezahl-Modelle entwickelt werden, glaubt das Gremium. Es sei unwahrscheinlich, dass ein einziges Modell für alle Situationen passend sei.
Regeln für den Innovationsschutz hinterfragen
Die Vorschläge der Experten für die Zukunft gehen in verschiedene Richtungen. So könnte es nach ihrer Meinung zum Beispiel sinnvoll sein, die Kosten für Forschung und Entwicklung, Marketing und Herstellung eines Arzneimittels gegenüber relevanten Behörden offenzulegen. Außerdem sollten die Regeln für den Innovationsschutz durch das Patentrecht und die Marktexklusivität hinterfragt und neue Mechanismen gefördert werden, die echte, hochwertige Innovationen angemessen honorieren. Produkte mit einem zweifelhaften Nutzen sollten mit Hilfe vernünftiger und transparenter Methoden des Health Technology Assessments (HTA) bewertet werden. Weiterhin sollten Methoden entwickelt werden, mit denen der soziale Wert von Arzneimitteln erfasst werden kann. Hinsichtlich der Bezahlmodelle in den verschiedenen Ländern schlagen die Experten vor, langfristig nicht mehr die einzelnen Produkte (Arzneimittel), sondern die Behandlungen zu vergüten. Außerdem, soll glaubt das Gremium, könnte die Verhandlungsmacht der Gesundheitssysteme als Einkäufer gestärkt werden, indem diese gemeinsam mit den Firmen verhandeln.
Mehr zum Thema
Arzneimittel-Preise
Mit Kompetenzzentren gegen Hochpreiser
Nur eins von zehn neuen Arzneimitteln ist eine echte Innovation
Der Bericht des EXPH hebt hervor, dass in Europa nur jedes zehnte neu auf den Markt gebrachte Medikament eine echte Innovation sei, die einen wichtigen therapeutischen Gewinn in Form von klinischen Vorteilen für Patienten mit sich bringe. Umgekehrt hätten neun von zehn Arzneimitteln keine oder nur geringe klinische Vorteile. Die meisten neuen Arzneimittel (30 Prozent aller Neuzulassungen, 12-14 pro Jahr) würden derzeit in dem besonders kostenintensiven Bereich der Onkologie zugelassen. Das Gremium verweist hierzu auf eine aktuelle Analyse aller Neuzulassungen von 2009 bis Mitte 2016 (n = 134). Diese habe ergeben, dass nur 22 davon (18 Prozent) das Gesamtüberleben um mehr als drei Monate erhöhten und dass für 37 (27 Prozent) zum Zeitpunkt der Zulassung weder Daten zum progressionsfreien Überleben noch zum Gesamtüberleben verfügbar waren.
Managed Entry Agreements für hochpreisige Arzneimittel
Die Stellungnahme des EXPH geht auch auf die Mechanismen ein, die die Länder für die Erstattung hochpreisiger Arzneimittel entwickelt haben und die zu einem unterschiedlichen Zugang der Patienten zu den Präparaten führen. In vielen Ländern wurden für Zweifelsfälle bezüglich der klinischen Evidenz und er Kostenwirksamkeit neuer Pharmaka so genannte „Managed Entry Agreements (MEA) für die Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen etabliert. Hierbei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Pharmaunternehmen und dem Kostenträger, bei denen beide Seiten einen Teil der „Unwägbarkeiten“ tragen. Die MEAs können unterschiedlich ausgelegt sein und zum einen auf die Preise abstellen, wie etwa Rabatte und Preisnachlässe, Budgetierungen, und zum anderen auf das klinische Ergebnis (z. B. Erstattung nur bei Behandlungserfolg).
Kosten für onkologische Arzneimittel steigen rasant
Die Inhalte der Managed Entry Agreements seien meist vertraulich, heißt es in der Stellungnahme. Und obwohl sie in vielen Ländern bereits seit einigen Jahren eingesetzt werden, gebe es keine öffentlich zugänglichen Erkenntnisse, ob sie die in sie gesetzten Erwartungen tatsächlich erfüllen, sei es, dass sie die Unsicherheiten bezüglich des klinischen Nutzens reduzieren oder auch zur Höhe etwaiger Kosteneinsparungen. Nach einer aktuellen Erhebung für den Bereich der Pharmakotherapie in der Onkologie gibt es in Belgien, England, Italien, Schweden, Schottland und Wales insgesamt 164 spezifische MEA, die sich auf 58 individuelle Arzneimittel beziehen. Die meisten davon werden in Italien angewandt (63), gefolgt von Schottland (43), England und Belgien (jeweils 28). Zwischen 2005 und 2014 sollen die Gesamtausgaben für onkologische Arzneimittel in Europa von 7,6 auf 19,1 Milliarden Euro angewachsen sein.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.