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Die FDP hat dem Land und sich selbst mit ihrem Verhalten in den Sondierungsgesprächen ein Eigentor geschossen. Der Apothekenmarkt ist ein (kleines) Beispiel dafür, dass Deutschland sich keine parteistrategischen Manöver leisten kann – erst recht nicht, wenn es nur zwei politisch denkbare Koalitionsmöglichkeiten gibt. Der letzte Verhandlungsstand und die Umstände des FDP-Exits sprechen dafür, dass die Liberalen das eigene Parteiwohl vor die Regierungsbildung gestellt haben.
Die FDP hat Deutschland in eine politische Krise gestürzt. Eine Partei, die gerade erst mit etwas mehr als 10 Prozent der Wählerstimmen erneut ins Parlament eingezogen ist, und noch vor wenigen Jahren vor dem Total-Zusammenbruch stand, sorgt nun dafür, dass sich Deutschlands politische Führungsriege erstmals nach dem zweiten Weltkrieg ernsthaft fragen muss: Wie geht es weiter? Natürlich muss es möglich sein, dass eine Partei in Sondierungsgesprächen an einen Punkt kommt, an dem sie feststellt, dass eine mögliche Koalition nicht denkbar wäre. Das ermöglicht unser Grundgesetz und ist somit Teil unserer Demokratie. Schaut man sich die genauen Umstände der FDP-Absage an Jamaika an, kann man jedoch nur zu dem Schluss kommen, dass die FDP die Koalition vorwiegend aus strategischen Gründen hat scheitern lassen.
Da wären zunächst die Gründe für das Verlassen der Sondierungsgespräche, die Parteichef Christian Lindner noch in der vergangenen Nacht nannte. Es sei besser gar nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Es habe noch zu viele eckige Klammern, also Baustellen gegeben. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Lösungsfindung wären also nicht möglich gewesen. Und: Es habe keine gemeinsame Idee fürs Regieren gegeben.
Die FDP mag vielleicht vier Jahre lang keine Bundespolitik betrieben haben. Sie ist aber mit so vielen erfahrenen Politikern besetzt, dass klar sein sollte, wie Politik funktioniert. Denn: Bei einer Koalitionsbildung müssen Kompromisse gebildet werden. Für keinen der Verhandlungspartner gibt es daher ein 100-prozentiges „richtig regieren“. Solange alle Parteien sich zumindest in Teilen des Koalitionsvertrags wiederfinden, gibt es also auch kein 100-prozentiges falsch regieren. Und dass sich die FDP im letzten Stand der Sondierungsgespräche nicht wiederfinden konnte, verwundert.
Was war der wahre Grund für den FDP-Exit?
Das Gegenteil ist der Fall: Eines der letzten
Sondierungspapiere trägt eine erstaunlich gelbe Handschrift – dafür, dass die
FDP „nur“ knapp 11 Prozent holte. Einige wenige Beispiele sind die
anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung, die schrittweise Abschaffung des
Solidaritätszuschlages, der Abbau von Bürokratie, die Unterstützung von
Gründern, etc. Letztlich war klar, dass der Weg nach Jamaika steinig wird: Noch
nie hat es im Bund ein Dreier-Bündnis gegeben. Dass Grüne gemeinsam mit CSU und
FDP einen Vertrag unterschreiben, wäre noch vor einigen Jahren undenkbar
gewesen. Da muss man schon mal ein paar eckige Klammern ertragen, bis es klappt.
Und so bleibt auf der Suche nach den wirklichen Gründen für den FDP-Exit nur noch die reine Strategie: Vielleicht hatte Christian Lindner Angst, dass seine Liberalen erneut als Junior-Partner in einer Koalition von der Union „zerquetscht“ werden und in den Umfragen und Wahlen wieder absacken. Ins Bild passt, dass die Online-Crew der Liberalen ein Twitter-Bild mit der Aufschrift „Lieber nicht regieren als falsch“ schon am vergangenen Donnerstag (so steht es im Dateinamen) entwerfen ließ. Die Liberalen bestreiten das alles und erklären, das Sondierungspapier trage eine „grüne Handschrift“, man hätte dies den liberalen Wählern nicht verkaufen können. Und das Twitter-Bild sei rein vorsorglich, also für den Fall der Fälle, entworfen worden. Das kann stimmen, muss es aber nicht.
In jedem Fall ist der Weg hin zur reinen Umfrage-getriebenen Image-Partei kein nachhaltiger. Die Liberalen haben gemerkt, dass ihr der Ruf als Klientel-Partei negativ anhängt. Doch statt den Menschen zu erklären, warum es richtig ist, für die freien Berufe und somit auch für den Erhalt der inhabergeführten Apotheke vor Ort und somit auch für einen Teil ihrer Stammwähler zu kämpfen, verabschiedet sie ein Wahlprogramm, in dem Apothekenketten gefordert werden. In den vergangenen Wochen haben die Liberalen der SPD dann immer wieder vorgeworfen, sich der staatspolitischen Verantwortung zu entziehen, weil sie nicht mitregieren will – und stürzen Deutschland nun in eine Regierungskrise. So erhöht man die Glaubwürdigkeit seiner eigenen Partei jedenfalls nicht.
3 Kommentare
A la minute...
von Andreas P. Schenkel am 21.11.2017 um 21:57 Uhr
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Lindner als one man show again
von Ratatosk am 21.11.2017 um 18:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Mich schaudert es beim Einheitsbrei, der da serviert werden sollte
von Andreas Grünebaum am 21.11.2017 um 17:18 Uhr
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