Bottroper Skandal

Onkologe sagt im Zyto-Prozess aus

Essen - 08.12.2017, 17:45 Uhr

Der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. mit seinen vier Strafverteidigern am Landgericht Essen. (Foto: hfd / DAZ.online)

Der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. mit seinen vier Strafverteidigern am Landgericht Essen. (Foto: hfd / DAZ.online)


Was passiert, wenn Zytostatika unterdosiert werden? Angesichts der Vorwürfe aus der Anklage gegen den Zyto-Apotheker Peter S. sollte ein Tumorforscher am heutigen Freitag klären, welche Folgen Minderdosierungen für Patienten haben. Er wurde insbesondere von den inzwischen mehr als 40 Nebenklägern ausführlich befragt. 

Am heutigen Freitag wurde im Prozess um den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. der Leiter der onkologischen Klinik der Uniklinik Essen, Martin Schuler, als Sachverständiger vernommen. Da dem Apotheker im großen Stil Unterdosierungen vorgeworfen werden, sollte Schuler klären, welche Folgen derartige Taten auf die Patienten haben. Bislang hat die Staatsanwaltschaft nur bei 27 Patienten, von denen bei der Razzia vor einem Jahr unterdosierte, wirkstofflose oder falsche Krebsmittel sichergestellt wurden, versuchte Körperverletzung zur Anklage gebracht. Die Vertreter der Nebenkläger denken jedoch, dass die Strafkammer versuchte Tötung verhandeln sollte – oder sogar versuchten Mord. 

Im Zuge von allgemeinen Erläuterungen zu Therapiemöglichkeiten für Krebspatienten betonte Schuler, dass man kurative Behandlungsziele – bei denen eine rückfallfreie Genesung von Patienten erreicht werden soll – von palliativen unterscheiden könne. Bei Letzteren gehe es angesichts eines absehbaren tödlichen Ausgangs nur um eine Lebensverlängerung und eine bessere Lebensqualität.

„Individuelle Schadensvorhersage extrem schwierig“

Generell sei die individuelle Vorhersage eines Schadens „extrem schwierig“, betonte Schuler – daher könne man nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Er antwortete dabei auch auf viele Fragen des Vorsitzenden Richters Johannes Hidding zu einem Gutachten, das er in den Wochen nach der Inhaftierung des Apothekers Ende November 2016 angefertigt hatte. Ungewöhnlich sei gewesen, dass er „keinerlei konkrete Information“ zu dem Fall bekommen habe, sodass er die Fragen nur „sehr“ generell beantworten konnte.

Hidding legte Schuler in der Verhandlung eine Liste mit mehreren Dutzend Krebsmitteln vor, die S. laut Anklage unterdosiert hergestellt haben soll. Der Onkologe erläuterte jeweils, welche Wirkstoffklassen wie wirken sollen und auf welchen Wegen sie verabreicht werden. Der Apotheker hörte dabei aufmerksam zu. Allgemein bestehe ein „schmaler Grat zwischen Nebenwirkung und Wirkung“, betonte Schuler – daher werde die Dosis anhand von Gewicht und Größe individuell bestimmt. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.