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Mohren-Apotheken
„Sie denken dabei nicht an Rassismus, weil sie es können …“
Auch wenn es sich viele wünschen: Die Rassismus-Diskussion um die Mohren-Apotheken ebbt nicht ab. Auch nicht nachdem sich selbst diejenigen zu Wort gemeldet haben, die von der Diskussion direkt gar nicht betroffen sind. Deshalb hat DAZ.online bei der kommunalen Ausländervertretung in Frankfurt am Main nachgefragt, wie sie mittlerweile zu ihrem Antrag steht, sich für eine Umbenennung der „Mohren-Apotheken“ einzusetzen.
DAZ.online hat seit dem 26. Januar 2018 immer wieder über den Fall berichtet: Nachdem die kommunale Ausländervertretung (KAV) in Frankfurt am Main in einem Antrag vom 15. Januar 2018 an das Frankfurter Stadtparlament die beiden Namen „Mohren Apotheke“ und „Zeil-Apotheke zum Mohren“ als rassistisch bezeichnet hatte, entbrannte die Rassismus-Debatte nicht nur in den regionalen Medien.
Am 5. Februar berichtete RTL über den Fall. Vergangenen Donnerstag dann auch das ZDF. Noch bevor die Rassismus-Diskussion immer weiter um sich griff, entfernte die Stadteilapotheke in Frankfurt Alt-Eschersheim die stereotype Darstellung eines Kopfes mit Turban, großem Ohrring und dicken Lippen von ihrer Website. Denn wörtlich ging es in dem Antrag der Ausländervertretung nicht nur um den Namen „Mohr“, sondern vor allem auch um die damit verknüpften Bilder: „Die Mohrenapotheke in Eschersheim verwendet nicht nur die herabwürdigende Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe, sondern sogar ein klischeebehaftetes Logo mit einem stilisierten Frauenkopf. Stereotypen, die eigentlich schon lange nicht mehr in den Köpfen vorhanden sein sollten, werden weiter verbreitet.“
Während sich die konkret betroffenen Apotheker zur Kooperation bereit zeigten, regte sich in den Kommentar-Funktionen im Internet und teilweise auch in der Politik deutlicher Widerstand gegen den Antrag.
Die Politik diskutiert
Alexander Schwartz, der Leiter der Zeil-Apotheke in Frankfurt, sagte dem ZDF gegenüber: „Ich finde es auch eine Zensur der Sprache. Außerdem bin ich der Meinung, dass Mohr auch lange Zeit ein positives Image hatte, sodass ich die jetzige Aufregung nicht wirklich verstehen kann.“ Der ZDF-Beitrag erinnert dann an „die Mohren in der Kolonialzeit, die als Sklaven gehalten wurden“.
Thomas Kirchner von der CDU fragt sich vor der ZDF-Kamera: „Ich weiß nicht wie weit das gehen soll.“ Es gebe ja neben Apotheken auch Städte, die den „Mohrenkopf“ im Stadtwappen tragen. Schon gegenüber der Frankfurter Rundschau hatte Kirchner sich ähnlich geäußert: „Die KAV wäre gut beraten, sich mit Themen zu befassen, die im Alltag tatsächlich von Bedeutung sind.“
In der Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt wird laut ZDF heftig diskutiert – die CDU ist gegen eine Namensänderung, die Grünen dafür. Während Kammer und Verband der Apotheker in Hessen keinen Einfluss auf die Namenswahl nehmen möchten, hält Tim Detzner von den Linken in Chemnitz die Debatte gegenüber Tag24 für richtig und wichtig: „Das ist auch eine Debatte über unsere Kolonialgeschichte."
„Anzahl und der Ton der Kommentare sind entlarvend“
Viele Stimmen wurden gehört – wie steht die Kommunale Ausländervertretung von Frankfurt am Main mittlerweile zu ihrem Antrag? Gegenüber DAZ.online bekräftigen die Antragstellerin Virginia Wangare Greiner und der Vorsitzende Jumas Medoff in einer schriftlichen Stellungnahme, wie richtig es war, den Antrag zu stellen.
Das zeigten vor allem die Kommentare in den Medien und die E-Mails die die Ausländervertretung erreichten: „Die Reaktionen sind keineswegs amüsant oder harmlos. Sie sind oft beleidigend, rassistisch oder böse.“ Als politisches Gremium lebe der Ausländerbeirat zwar von Diskussion und Meinungsvielfalt, jedoch sollte nicht das „Niveau des gegenseitigen Respekts“ verlassen werden.
Als „entlarvend“ bezeichnet die Ausländervertretung gegenüber DAZ.online nicht nur den Ton der Kommentare sondern auch die Zahl: „Eine solche Resonanz wäre doch nicht entstanden, wenn wir uns gegen die Namen ‚Aesculap‘ oder ‚Diamant-Apotheke‘ aussprechen würden.“
Viele Verfasser der E-Mails und Kommentare würden sich zudem richtig Mühe geben, ihr „gesamtes Vokabular an rassistischen Ausdrücken zu demonstrieren.“ Die Verfasser wüssten also sehr wohl, dass dieser Ausdruck verletzt und „wollen noch mehr verletzen.“ Die Ausländervertretung bleibt also nicht nur bei ihrer ursprünglichen Forderung, sie sieht sich sogar darin bestätigt.
Es war ein notwendiger Anstoß. In Berlin versucht man schon seit zehn Jahren, die Mohrenstraße umzubenennen. Die Vernunft und der Respekt gegenüber allen Menschen wird letztendlich siegen, davon sind wir überzeugt. Aber es ist beschämend, dass es immer wieder so lange dauern muss und dass es immer einen solchen Widerstand gibt.
Kommunale Ausländervertretung bedankt sich bei Apotheke
DAZ.online wollte außerdem wissen, ob es inzwischen zum Dialog zwischen den beiden betroffenen Apotheken und der kommunalen Ausländervertretung gekommen ist. Denn den direkten Dialog vermisste Karin Schweizer, die Inhaberin der Mohren-Apotheke aus Alt-Eschersheim zunächst: „Ich habe von der Debatte über die Apothekenbezeichnungen vorwiegend aus der Presse erfahren. Bisher hat sich noch niemand von offizieller Seite an mich gewandt.“
„Zumindest versucht“ hätte der Ausländerbeirat die Kontaktaufnahme. Vor Wochen hätten sie beide Apotheken angeschrieben. Der Mohren-Apotheke sei in diesem Brief auch dafür gedankt worden, dass sie so schnell das höchst umstrittene Logo entfernt hat.
Gerne würde sich die kommunale Ausländervertretung mit den Apotheken-Inhabern an einen Tisch setzen und Wege besprechen, „die sowohl für die Apotheken als auch für dunkelhäutige Mitmenschen begehbar wären.“
Vergangenen Freitag berichtete auch die Frankfurter Rundschau über eine Pressemitteilung des Ausländerbeirats aus Frankfurt: Nachdem der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, Thomas Kirchner, den KAV-Antrag als „einfach bizarr“ bezeichnet und hinterfragt hatte, ob das Wort „Mohr“ tatsächlich rassistisch ist, habe die „Welle von Hasstiraden“ noch einmal zugenommen und sich auch in telefonischen Drohungen geäußert.
Kirchner habe als integrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion seit der KAV-Wahl im November 2015 keiner Sitzung des Gremiums beigewohnt. „Kirchners Versuch, den Deutschafrikanern vorzuschreiben, wie man Rassismus zu empfinden hat, werde von der KAV als Beleidigung aufgefasst“, heißt es im Bericht der Frankfurter Rundschau.
Abstimmungs-Tool der Frankfurter Neuen Presse
Am heutigen Montag hat die Frankfurter Neue Presse ein Interview mit der Wissenschaftlerin Maria Ketzmerick vom Zentrum für Friedens- und Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg veröffentlicht – unter dem Motto „Was darf man noch sagen?“ Auf der Internet-Seite können die Leser zudem abstimmen, ob die Mohren-Apotheken umbenannt werden sollten. Zur Mittagszeit hatten am heutigen Montag schon 243 User abgestimmt. Viele sind gegen eine Namensänderung.
Laut Ketzmerick war die Bezeichnung „Mohr“ schon immer abwertend gemeint. Zudem gehe es nicht nur um die Worte, sondern auch um die Symbole. Auch wenn es nicht rassistisch gemeint ist, wer beim „Negerkussbrötchen“ nicht an Rassismus denke, könne das nur, weil ihn das Problem nicht betreffe: „Nur weil mir Dinge nicht bewusst sind, sind sie ja nicht weniger rassistisch. Sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, ist schlicht ein Privileg der Europäer.“
Sie denken dabei nicht an Rassismus, weil sie es können, weil sie das Problem nicht betrifft, weil sie in der Öffentlichkeit nicht mit dem Wort belegt werden ...
Sie gibt zu, dass es hart sein kann, sich bezüglich Namen umzugewöhnen, jedoch gibt sie auch zu bedenken: „Die Tatsache, dass dieses Thema immer so schnell aufgeladen ist, zeigt ja, dass es ein wichtiges Thema ist und noch viel aufgearbeitet werden muss.“ Ihrer Meinung nach ginge es nicht darum etwas zu verbieten, sondern darum zu sagen: „Ich fühle mich verletzt.“ Der „Mir-wird-was-weggenommen“-Reflex verhindere die Debatte und sei narzisstisch: „Ein bisschen Anstrengung muss ja wohl möglich sein, damit es anderen Menschen besser gehen kann.“
Bei ihrer Arbeit stelle Ketzmerick immer wieder fest, dass die wenigsten wissen, dass es auch deutsche Kolonien gab, die gewaltvoll waren. Auch im Fall der Apotheken würde es ihrer Meinung nach helfen, wenn man den Namen in einen Zusammenhang stelle – zum Beispiel mit einer Hinweistafel: „Wissen hilft in vielen Fällen.“
2 Kommentare
Möhren Apotheke
von Wolf Wagner am 14.02.2018 um 23:34 Uhr
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es geht um Tradition
von norbert brand am 13.02.2018 um 8:01 Uhr
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