BfR-Höchstmengenempfehlungen (Teil 2)

Nahrungsergänzungsmittel: Welche, wann und für wen? (2)

Stuttgart - 22.02.2018, 12:15 Uhr

Als Calcium-Quelle sollten Milchprodukte bevorzugt werden. (Foto: Kzenon / stock.adobe.com)

Als Calcium-Quelle sollten Milchprodukte bevorzugt werden. (Foto: Kzenon / stock.adobe.com)


Welche Nahrungsergänzungsmittel kann man in der Apotheke wann und wem guten Gewissens empfehlen? In Teil 1 war zu lesen, was in der Beratung von Schwangeren zu Nahrungsergänzungsmitteln nicht fehlen sollte. Wie sieht es aber mit gesunden Erwachsenen und Kindern aus? Sollte man dieser Gruppe nur zu einer ausgewogenen Ernährung raten und generell von Nahrungsergänzungsmitteln abraten? Zwei Wissenschaftler aus Harvard und das BfR helfen bei der Beratung in der Apotheke.

Wieviel von welchem Nährstoff tatsächlich eingenommen werden sollte, ist bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht immer ganz klar. Anfang des neuen Jahres hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) seine Höchstmengenvorschläge von 2004 aktualisiert. Sie sollen in Deutschland die Grundlage für die Schaffung von gesetzlichen Regelungen bilden und können jetzt schon für die Beratung in der Apotheke hilfreich sein. Der Frage, welche Nahrungsergänzungsmittel ganz grundsätzlich sinnvoll sind, haben sich ebenso zu Beginn des Jahres zwei Wissenschaftler aus Harvard im Journal JAMA gewidmet. Sie versuchen aus den vorhandenen Daten Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Grundsätzlich gilt, dass eine ausgewogene Ernährung Nahrungsergänzungsmittel unnötig machen kann.

Nährstoffsupplemente – Möglichkeiten und Grenzen

Lesen Sie auch in der MMP 

Wie in Teil 1 beschrieben, könnte Calcium bei Schwangeren das Risiko für Gestationshypertonie und Präeklampsie vermindern, jedoch brauche es laut dem JAMA-Artikel dazu noch weitere Daten. Auch beim Thema hohe Vitamin-D-Dosen werden mehr Daten benötigt. Wie steht es nun aber bei anderen gesunden Erwachsenen um die Vitamin- und Mineralstoff-Versorgung?   

Zu viel Calcium und Zink?

Den amerikanischen Empfehlungen zufolge sollten alle Frauen ab 19 Jahren täglich 1000 mg Calcium aufnehmen, auch Schwangere. Als Quelle sollten Milchprodukte bevorzugt werden. Von nahrungsergänzenden Präparaten wird somit ingesamt (auch für die restliche Bevölkerung) eher abgeraten. 

Werden die im JAMA empfohlenen 1000 mg/Tag für Männer (51 bis 70 Jahre) und 1200 mg/Tag für Frauen (51 bis 70 Jahre und Männer ab 70) über die Nahrung nicht erreicht, könnten aber Nahrungsergänzungsmittel in Betracht gezogen werden. Dann seien oft 500 mg/Tag ausreichend.

Laut BfR erreichen vor allem Frauen zwischen 14 und 18 Jahren nicht die empfohlenen Calcium-Mengen. Auch vom BfR wird eine Höchstmenge von insgesamt 500 mg/Tag für NEM vorgeschlagen. Sie soll die unzureichende Aufnahme aus der Nahrung ausgleichen und gleichzeitig das Risiko für unerwünschte Effekte in der restlichen ausreichend versorgten Bevölkerung nicht (erheblich) erhöhen.

Zusätzlich sollte – ab einer Dosis von 250 mg/Tag – der Hinweis auf den NEM angebracht werden, dass auf die Einnahme weiterer calciumhaltiger NEM verzichtet werden soll. Der gleiche Hinweis sollte sich auf Zink-Präparaten finden, die mehr als 3,5 mg Zink/Tag enthalten. Denn laut BfR ist bei Vitamin A, Kupfer, Calcium und Zink die Gefahr hoch, die UL (tolerierbare höchste Tagesaufnahmemenge) durch Supplementierung zu überschreiten.

Vitamin D

Zusammenfassend meinen die Autoren des JAMA-Artikels, dass gesunde Erwachsene von einer Einnahme von Calcium, Vitamin D und Vitamin B12 profitieren könnten. Bis zu einem Alter von 70 Jahren sollten Erwachsene darauf achten, täglich 600 I.E. Vitamin D aufzunehmen, sei es über die Nahrung oder entsprechende Präparate. Ab 70 sollten 800 I.E. Vitamin D aufgenommen werden. Die Empfehlungen mancher Experten zu höheren Dosen (1000 bis 2000 I.E./Tag), werden als umstritten betrachtet. Zwei große Studien könnten aber bald zu neuen Ergebnissen führen (NCT01169259 und ACTRN12613000743763). 

In Deutschland empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) ab einem Alter von einem Jahr allgemein (auch für Schwangere und Stillende) eine Zufuhr von 800 I.E. Vitamin D pro Tag (20 µg) – bei fehlender endogener Synthese. Bei häufiger Sonnenbestrahlung könne die gewünschte Vitamin-D-Versorgung ohne die Einnahme eines Vitamin-D-Präparates erreicht werden. 

Mehr zum Thema

Passend dazu lauten auch die neuen Empfehlungen des BfR: „Vitamin-D-haltige Präparate bis zu einer Tagesdosis von 20 µg können laut Expertenkomission BVL/BfArM noch als NEM eingestuft werden; Präparate mit höheren Dosierungen sind als Arzneimittel anzusehen (BVL/BfArM 2016).“

Ab 50 an Vitamin B12 denken

Ab einem Alter von 50 Jahren sollte laut JAMA an eine Vitamin-B12-Suppelmentierung gedacht werden. Ältere Menschen können die natürlich vorkommende Form womöglich nicht ausreichend aufnehmen, um die tägliche empfohlene Zufuhr von 2,4 µg/Tag zu erreichen.

In Deutschland empfiehlt die DGE ab einem Alter von 13 Jahren täglich 3 µg Vitamin B12 aufzunehmen. Bei Schwangeren und vor allem bei Stillenden ist der Bedarf laut DGE erhöht. 

Das BfR führt dazu an: "Laut SCF (2000) sind bei zusätzlicher Aufnahme bis zu 100 µg/Tag keine unerwünschten Wirkungen bekannt geworden." Für den Höchstmengenvorschlag in NEM bleibt die Aufnahme über die normale Nahrung unberücksichtigt. Um Mehrfachexpositionen durch angereicherte Lebensmittel auszuschließen errechnet das BfR eine Höchstmenge von 25 µg Vitamin B12 für NEM.

Mehr zum Thema

Grundsätzlich scheint eine zusätzliche Aufnahme von Vitamin B12 über NEM unproblematisch zu sein, so schreibt das BfR auch: "Bei Nährstoffen, für die keine numerischen Daten zur Risikoabschätzung vorliegen, kann bei denjenigen, die in bisherigen Untersuchungen am Menschen – selbst bei Aufnahmen weit oberhalb der Zufuhrreferenzwerte – keine nachteiligen Effekte gezeigt haben, nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand von einem geringen Risiko für unerwünschte Effekte ausgegangen werden." Damit gemeint sind beispielsweise Vitamin B1, B2 und B12 sowie Biotin und Pantothensäure. Im Arzneimittelbereich gibt es zum Beispiel auch deutlich höhere Vitamin-B12-Dosierungen.

Multimikronährstoffpräparate und Wechselwirkungen

Multimikronährstoffpräparate seien für gesunde Erwachsene allgemein nicht zu empfehlen. Zu diesem Schluss kommen die Autoren des JAMA-Artikels. Geforscht wird in diesem Bereich aber weiterhin, sodass neue Ergebnisse zum Nutzen-Risiko-Verhältnis (bei der Prävention von Krebs und kardiovaskulären Erkrankungen) die Empfehlungen ändern könnten (NCT02422745). Mit der Anzahl der eingenommenen Nährstoffe oder Präparate steigt auch die Gefahr für Wechselwirkungen. Während in der Apotheke jeder Mitarbeiter die Gefahr der Wechselwirkungen kennt, müssen Kunden in der Drogerie ihre NEM selbst im Blick behalten. Laien könnten patientenfreundliche und kostenlose Datenbanken im Internet beim „Interaktionscheck“ helfen (www.drugs.com, www.webmd.com). Auf Deutsch finden Patienten zum Beispiel auch bei der Apotheken Umschau einen Wechselwirkungs-Check

Was die Sicherheit betrifft, sind Arzneimittel gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln grundsätzlich zu bevorzugen. Existieren keine entsprechenden Arzneimittel, raten die JAMA-Autoren auf Zertifizierungen durch unabhängige Tester zu achten (ConsumerLab.com, US Pharmacopeia, NSF InternationalUL). Wer sich weiterführend mit Nahrungsergänzungsmitteln beschäftigen will, findet sowohl als Patient als auch als Angehöriger der Gesundheitsberufe auf den Seiten der National Institutes of Health unter „Office of dietary Supplements“ entsprechende Informationen. Neben dem BfR bieten in Deutschland seit kurzem auch die Verbraucherzentralen gezielt zu NEM an, über das Internetangebot Klartext Nahrungsergänzung. Außerdem findet man auf den Internet-Seiten des Magazins „Gute Pillen – Schlechte Pillen" eine Datenbank, die über gepanschte Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel im Internet aufklärt: Alphabetisches Register Gepanschtes.

Was in der Beratung von gesunden Erwachsenen zu Nahrungsergänzungsmitteln wichtig sein könnte, wissen Sie jetzt. 

Lesen Sie in Teil 3, welche Nahrungsergänzungsmittel bei Kindern und bestimmten Risikogruppen wichtig sind.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.