Gesundheitsminister in spe

Was erwarten Apotheker, Kassen und Hersteller von Jens Spahn?

Berlin - 27.02.2018, 14:45 Uhr

Auf den neuen designierten Gesundheitsminister warten im Falle einer GroKo große Herausforderungen und hohe Erwartungen. (Foto: Imago)

Auf den neuen designierten Gesundheitsminister warten im Falle einer GroKo große Herausforderungen und hohe Erwartungen. (Foto: Imago)


Es ist nicht leicht, sich als Bundesgesundheitsminister im „Haifischbecken“ Gesundheitspolitik zurecht zu finden: Wie in keinem anderen Politikfeld prallen hier die Interessen unterschiedlicher Akteure aufeinander, die ein Minister zumindest im Auge haben sollte. DAZ.online hat verschiedene Vertretungen von Apothekern, Herstellern und Krankenkassen zu ihren Erwartungen an den neuen Gesundheitsminister befragt.

Die Ernennung von Jens Spahn als designierter Gesundheitsminister im Falle einer Großen Koalition bewegt seit dem vergangenen Wochenende die Medien - und auch die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen.

Der 37-jährige CDU-Politiker hat einschlägige Erfahrung in der Gesundheitspolitik, denn Spahn war seit 2005 im Gesundheitsausschuss sowie von 2009 – 2015 gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, bevor er als parlamentarischer Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium wechselte. 

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ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gratuliert Spahn zu seiner Ernennung. 

Alter Bekannter für die Apotheker

Den Apothekern ist der gebürtige Westfale aus der Vergangenheit wohl bekannt. Im Gegensatz zu seinen Parteikollegen hat sich Spahn bisher noch nicht offziell zum Versandhandels-Konflikt geäußert.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gratulierte Spahn in einer allgemeinen Mitteilung:

„Zunächst einmal gratuliere ich Jens Spahn zur Nominierung für ein Ministeramt in der Großen Koalition. Er bringt jede Menge Expertise für das schwierige Feld der Gesundheitspolitik mit. Die größte Herausforderung dieses Politikfeldes ist es, mit den unterschiedlichen Interessen der vielen Akteure umzugehen. Als streitbarer Geist wird Jens Spahn diese Herausforderung gelassen annehmen.“

DAZ.online hat auch den Landesapothekerverband Westfalen-Lippe befragt. Der Landesapothekerverband aus der Heimat von Jens Spahn stellt konkrete Erwartungen an den CDU-Gesundheitspolitiker. 

„Grundsätzlich begrüßen wir es, dass dem Gesundheitsministerium ein CDU-Politiker vorstehen wird. Zu Jens Spahn als gebürtigem Ahauser haben einige unserer Mitglieder auch persönlichen Kontakt. Er blickt schon jetzt auf über zehn Jahre Erfahrung als Gesundheitspolitiker zurück und versteht unser mitunter kompliziertes Gesundheitssystem sehr gut. Wir sind also zuversichtlich, dass er dieses Wissen im Sinne einer modernen und flächendeckenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erfolgreich nutzen wird. Natürlich finden wir es schade, dass sich Herr Spahn im Rahmen unseres Apotheken-Wahlchecks vor der Bundestagswahl nicht so klar wie andere CDU-Politiker für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen hat. Was aus unserer Sicht auch für Apotheker sehr positiv ist, ist die Tatsache, dass Jens Spahn in einer eher ländlichen Gegend aufgewachsen ist. Er kennt also die Probleme und Herausforderungen der Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Regionen sehr gut. Wie bereits erwähnt, hat sich Jens Spahn beim Thema Rx-Versandverbot – im Gegensatz zu den meisten seiner Parteikollegen – eher zurückgehalten. Hier liegt also noch Arbeit vor uns.“ 

LAV Westfalen-Lippe vermutet bei Spahn neue Prioritäten 

„Herr Gröhe hat sich stets mit viel Engagement und Leidenschaft für die Vor-Ort-Apotheker eingesetzt. Jens Spahn wird seine Schwerpunkte wohl eher in anderen Bereichen legen. Das muss für Apotheker jedoch gar nicht schlecht sein: Mit seinen 37 Jahren hat er einen jungen, frischen Blick auf Themen wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit einem Gesundheitsminister Spahn wertvolle Rückendeckung für neue innovative Entwicklungen wie unser Projekt 'Apotheke 2.0' bekommen, in dem wir digitale und analoge Angebote zur Gesundheitsversorgung älterer Menschen in ländlichen Regionen entwickeln. Er wird sich vor allem dem demografischen Wandel mit seinen vielfältigen Herausforderungen stellen müssen. Schon jetzt gibt es in weiten Teilen Deutschlands einen Pflegenotstand – ohne neue und gezielte Maßnahmen wird sich diese Abwärtsspirale in den nächsten Jahren immer weiter beschleunigen. Ähnliches gilt für die schwindende Zahl an Ärzten und Apothekern, die bereit sind, ihren Arbeitsmittelpunkt in ländliche Regionen zu verlegen. Wenn wir unser flächendeckendes Gesundheitssystem erhalten wollen, muss hier dringend politisch gegengesteuert werden.“ 


Wenn wir unser flächendeckendes Gesundheitssystem erhalten wollen, muss hier dringend politisch gegengesteuert werden. “ 

Landesapothekerverband Westfalen-Lippe


Auch der Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen Lippe, Gabriele Regina Overwiening, ist der CDU-Gesundheitspolitiker aus früheren Diskussionsrunden wohlvertraut.

„Jens Spahn ist uns als politischer Gesprächspartner und ausgewiesener Kenner des Gesundheitswesens, trotz seiner jungen Jahre, schon seit langem vertraut. So hat er als erster Politiker überhaupt im November 2004 als Gastreferent vor dem westfälisch-lippischen Apothekertag gesprochen; als damals 24-jähriger Bundestagsabgeordneter. Seither haben wir ihn als stets gesprächs- und diskussionsbereit erlebt, auch wenn wir nicht immer in allen Punkten einer Meinung waren. Bei Formaten und Veranstaltungen wie den Münsteraner Gesundheitsgesprächen, unserem Apothekertag oder politischen Diskussionsrunden ist Jens Spahn fast jeder Einladung gefolgt und niemals einer unbequemen Frage ausgewichen. Mit Jens Spahn eint mich die Überzeugung, dass wir Veränderungen und Verbesserungen im Gesundheitswesen nicht ohne die Frage der Digitalisierung werden denken können. Er weiß, durch die vielen Gespräche und weil er sich selbst ein Bild von der Apotheke vor Ort gemacht hat, dass wir zu den modernsten und 'digitalsten' Einrichtungen der Gesundheitsbranche zählen. Digitalisierung, Innovation und Kreativität - das werden die Zutaten sein, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zum Wohle der Patienten, gerade auch im ländlichen Raum, fortzuentwickeln."


Digitalisierung, Innovation und Kreativität - das werden die Zutaten sein, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zum Wohle der Patienten, gerade auch im ländlichen Raum, fortzuentwickeln.

Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen Lippe


AOK erhofft Fortschritte bei Digitalisierung und Pflege

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Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Martin Litsch erhofft sich durch die neue Personalie Fortschritte bei Digitalisierung und Pflege. 

Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes erhofft sich von dem neuen Gesundheitsminister Fortschritte bei der Digitalisierung und in der Pflege.

„Durch seine Erfahrungen und sein Wissen im Gesundheitsbereich bringt Jens Spahn beste Voraussetzungen für das Amt des Bundesgesundheitsministers mit. Das ist auch gut so, denn die Herausforderungen sind groß. Vor allem beim qualitätsorientierten Umbau der Krankenhaus-Landschaft und bei der Überwindung der Sektorengrenzen, wo wir noch ganz am Anfang stehen. Neue Impulse erhoffen wir uns von Jens Spahn auch bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen, damit wir in diesem Bereich endlich vorankommen. Ein zentrales Thema der nächsten Legistatur wird außerdem die Pflege sein: Die Pflegeberufe müssen attraktiver werden, nicht nur durch eine bessere Bezahlung, sondern auch durch bessere Arbeitsbedingungen.“

Erwartungen der Herstellerverbände

Die Digitalisierung ist für die Herstellerverbände unabhängig von der neuen Personalie ein großes Anliegen. Dazu sagt Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa):

„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen muss endlich über Absichtserklärungen hinauskommen und konkrete Entwicklungsziele verfolgen. Es bleibt ein Rätsel, warum im Jahr 2018 tagtäglich tausende Patienten in Deutschland mit gerollten Röntgenbildern und Briefen unterwegs sind oder in telefonischen Warteschleifen festhängen, während sich das Land privat über Mobiltelefone verabredet und Bilder austauscht.“

 „Bei der Umsetzung des Arztinformationssystems wird der künftige Gesundheitsminister gleich zu Beginn seiner Amtszeit über ein versorgungssensibles Thema entscheiden müssen.“


Bei der Umsetzung des Arztinformationssystems wird der künftige Gesundheitsminister gleich zu Beginn seiner Amtszeit über ein versorgungssensibles Thema entscheiden müssen.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller


Der Herstellerverband „Pro Generika“ verbindet die Entwicklung der Digitalisierung konkret mit dem neuen designierten Bundesgesundheitsminister. So äußert sich der Geschäftsführer von Pro Generika Bork Bretthauer gegenüber DAZ.online wie folgt:

„Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Jens Spahn. Wir kennen und schätzen seine Sachkenntnis und haben keinen Zweifel an seinem politischen Gestaltungswillen. Ein neuer Minister bedeutet oft auch neue oder andere Impulse. Wir vermuten, dass z. B. das Thema Digitalisierung des Gesundheitssystems dynamischer angegangen wird."

Ein weiteres Anliegen des Generika-Herstellerverbandes ist die Sicherung der Arzneimittelversorgung.

„Die bisherige Gesundheitspolitik hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich Arzneimittel fast ausschließlich auf die Senkung von Ausgaben fokussiert. Angesichts von Engpässen bei Arzneimitteln, die auch Ergebnis dieser jahrzehntelanger Kostensenkung ist, sollte es künftig generell um die Frage sichern: wie sichern wir die Versorgung? Hier sind einige Maßnahmen bereits ergriffen worden, z. B. bessere Informationen über Engpässe oder der Jour Fixe beim BfArM, bei dem alle an der Versorgung Beteiligten an einem Tisch sitzen - jetzt sollte man aber an den Ursachen von Engpässen ansetzen und im Rabattvertragssystem Leitplanken für Versorgungssicherheit einziehen. Aus unserer Sicht muss die Balance zwischen dem Interesse der Krankenkassen und Kliniken nach möglichst günstigen Arzneimitteln einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Versorgungssicherheit andererseits neu austariert werden.“


Aus unserer Sicht muss die Balance zwischen dem Interesse der Krankenkassen und Kliniken nach möglichst günstigen Arzneimitteln einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Versorgungssicherheit andererseits neu austariert werden.

Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika


Eine zukunftssichere Arzneimittelversorgung liegt auch dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am Herzen. Hauptgeschäftsführer Dr. Hermann Kortland kommentiert die Nominierung des neuen Gesundheitsministers in einer Pressemeldung:

„Wir begrüßen, dass die Bundeskanzlerin Jens Spahn zum neuen Bundesgesundheitsminister machen möchte. Er ist ein ausgewiesener Gesundheitsexperte, der sein fachliches Know how in diesem Bereich in den letzten Jahren mehrfach unter Beweis gestellt hat. Seine größte Herausforderung wird darin bestehen, das Gesundheitswesen und insbesondere die Arzneimittelversorgung zukunftsfest zu machen. Dabei denke ich vor allem an die Bewältigung des demografischen Wandels und die Digitalisierung. Für diese großen Aufgaben wünschen wir Herrn Spahn alles Gute und eine glückliche Hand bei seinen Entscheidungen.“


Seine größte Herausforderung wird darin bestehen, das Gesundheitswesen und insbesondere die Arzneimittelversorgung zukunftsfest zu machen.

Dr. Hermann Kortland, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller




Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Jens Spahn

von Alexander Zeitler am 15.03.2018 um 2:55 Uhr

Wir Apotheker erwarten von diesem ??? nichts. Er ist einfach ein arroganter....die Netiquette verwehrt mir mehr, Kotzbrocken, wenn man das schreiben darf. weitere Atribute würden eh gelöscht.
Na, schaun mermal

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Disruptiv ?

von Reinhard Rodiger am 27.02.2018 um 18:48 Uhr

Spannend wird,ob Spahn das Staatsjob-Interesse von seinen wirtschaftlichen Interessen trennen kann.Es zeugt von wenig Gespür, als Staatssekretär im Finanzministerium in Steuersoftware zu investieren oder parteinehmende Kontakte zum Versand zu pflegen. Digitalisierung scheint für ihn nur mit ihrem disruptiven Potential von Interesse zu sein.Daher ist von besonderem Interesse, ob er seine Verantwortung für die Bändigung transformativer , kapitalgestützter Gewalten wahrnimmt.Die Folgen der ungesteuerter Digitalisierung beinhalten das Obsoletmachen vieler Berufsgruppen.Das ist gegenläufig zu vielen gesellschaftlichen Erfordernissen.Hier ist politische Verantwortung gefragt. Da bleibt zu hoffen, dass sie wahrgenommen wird.
Die Gesundheit ist keine Ware.Denn wird sie nur monetär betrachtet, sind breite Kreise schnell ausgegrenzt und auch regional abgehängt.Digitalisierung dient hier der Konzentration auf das rentable.Sorge macht daher das Hofieren der kapitalgestützten Flurbereinigung, die nicht an echte Versorgungsaufgaben orientiert sein muss.
Gerade durch fundierte Kenntnis dieses Bereichs und intensiv neoliberale Einstellung sind die Risiken nicht zu übersehen.
Es ist eine Aufgabe mit weitreichenden Konsequenzen, deren
Schwierigkeit kaum unterschätzt werden kann.

Vielleicht ist eine gemeinsam getragene Definition des häufig missverstandenen Begriffs Digitalisierung ein Anfang, um den disruptiven Charakter rechtzeitig zu erkennen.Sie ist die Schlüsseltechnologie zur Verdrängung menschengebundener
Tätigkeiten.Diese Mechanismen verlangen erhöhte Aufmerksamkeit.Hoffentlich!

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