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INTERPHARM
Welche Lehren müssen aus dem Zyto-Skandal gezogen werden?
Der Bottroper Zyto-Skandal hat bei Patienten bundesweit zu einem immensen Vertrauensverlust geführt. Auf der Interpharm wurde am vergangenen Wochenende darüber und über die richtigen Lehren diskutiert: Unangekündigte Apotheken-Kontrollen werden zumindest in NRW nun flächendeckend durchgeführt. Doch reicht das?
Die Vorwürfe wiegen sehr schwer: Mehr als 60.000 Krebsmittel sollen laut Anklage seit 2012 in der Bottroper Apotheke von Peter S. unter unhygienischen Zuständen zubereitet und in sehr vielen Fällen unterdosiert worden sein. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Pharmazeuten fahrlässige Körperverletzung vor – und Betrug in Höhe von 56 Millionen Euro. Auch bei der Interpharm spielten der Prozess und die Zyto-Versorgung im Allgemeinen eine wichtige Rolle: Auf einer Podiumsdiskussion sprachen der ehemalige kaufmännische Leiter der Bottroper Apotheke, Martin Porwoll, die Versorgungschefin des AOK-Bundesverbandes, Sabine Richard, Amtsapotheker Torsten Wessel vom Kreis Krefeld sowie Klaus Peterseim, Chef des Zyto-Apothekerverbandes VZA, über die Nachbeben des Skandals.
Unterdosierte Zytostatika
Bottroper Zyto-Skandal
Porwoll war nach 2014 in der Bottroper Apotheke tätig. Von Anfang an habe es eine Gerüchtelage gegeben, S. habe Dosierung und Hygienebestimmungen „nicht so genau genommen“, erklärte er. Bei einem Vergleich der rezeptierten und der eingekauften Wirkstoffmenge fiel ihm auf, dass teils womöglich nur 20 bis 40 Prozent bezogen sei. „Das habe ich dann zur Anzeige gebracht“, sagte er.
Apothekerschaft soll sich für Änderungen einsetzen
„Dafür sind wir natürlich sehr dankbar“, erklärte Richard. Allein aufgrund der Verunsicherung sei der Fall sehr tragisch. Über die Anzahl der schwarzen Schafe im Zyto-Bereich wollte sie keine Prognose abgeben, erinnerte aber an die Holmsland-Affäre. „Möglicherweise ist es gar nicht so schwer, in dieser Branche ein schwarzes Schaf zu sein. Die Apothekerschaft müsste ein großes Interesse haben, das nun zu bereinigen. „Wie kann man die Branche so sicher machen, dass die Patientinnen und Patienten auf Dauer vertrauen können?“, fragte sie.
VZA-Chef Peterseim bezog sich auf die 2012 deutlich verschärfte Apothekenbetriebsordnung: Da bei der Sterilherstellung keine Endkontrolle möglich ist, müssten ständige Kontrollen wie auch Personalschulungen eine so hohe Sicherheit erzeugen, das nichts passieren kann. Doch die Regeln sollten Liederlichkeiten und Unachtsamkeiten verhindern – „nicht kriminelles Verhalten“, erklärte Peterseim.
Amtsapotheker Wessel betonte, dass die praktischen Grenzen der Überwachung. In Nordrhein-Westfalen (NRW) sei die Planquote von einem Amtsapotheker pro rund 600.000 Einwohner früher vielleicht ausreichend gewesen, doch mit dem Aufgabenzuwachs sei dies nicht mehr adäquat. Bis vor einigen Jahren seien die Amtsapotheker mit unangekündigten Kontrollen ganz gut gefahren – doch durch Gesetzesänderungen sollten Inspektionen nun angemeldet erfolgen. In NRW werde aufgrund des Skandals bis zum Sommer jedoch jede Zyto-Apotheke unangekündigt begangen – mit Probenziehung. Dies sei „problemlos möglich“, erklärte auch Peterseim. Doch könne es sich nur um Stichprobenkontrollen handeln.
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