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Versandapotheken
Verbraucher haben auch bei Arzneimitteln ein Widerrufsrecht
Der jüngste Rechtsprechungstrend zum Widerrufsrecht bei Arzneimitteln setzt sich fort. Nun hat auch das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass Versandapotheken dieses nicht generell ausschließen dürfen. Der klagende Verbraucherzentrale Bundesverband freut sich – und erklärt im gleichen Atemzug, dass die Große Koalition mit ihrem Einsatz für das Rx-Versandverbot „daneben“ liegt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat schon vor einiger Zeit die Internetauftritte und Geschäftsbedingungen von 20 Versandapotheken unter die Lupe genommen. Im Visier hatten die Verbraucherschützer unter anderem die Aufklärung über kostenfreie Beratungsmöglichkeiten am Telefon und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Hinblick auf ein Widerrufsrecht. Denn: Wenn ein Verbraucher Waren im Versandhandel bezieht, hat er ein gesetzliches Widerrufsrecht und kann die Waren innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Der vzbv meinte, dieses Recht müsse Verbrauchern auch bei Arzneimitteln zustehen, die sie im Versand beziehen. Für die betroffenen Apotheken ist das ein Risiko. Schließlich werden sie nicht verantworten können, die zurückgeschickten Mittel erneut zu verkaufen. Dennoch: Die meisten Apotheken reagierten auf die Beanstandungen des vzbv und gaben Unterlassungserklärungen ab. Nur in vier Fällen erhob der Verband Klage. So auch gegen die Versandapotheke Apovia.
„Rechtliches Verderben“ zieht nicht mehr
Apovia hatte in ihren AGB verschreibungs- und apothekenpflichtige Medikamente vollständig vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Der Apothekenbetreiber verteidigte die Klausel vor Gericht damit, dass ihm ein Weiterverkauf der zurückgesandten Medikamente nicht möglich sei und sie damit „rechtlich verderben“ würden. Beim Versand schnell verderblicher Waren gebe es laut Gesetz kein automatisches Widerrufsrecht (§ 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB). Doch das sah schon das Landgericht Konstanz in erster Instanz anders: Es hielt die Ausnahmebestimmung in diesem Fall für nicht einschlägig. Zwar gebe es sicherlich Arzneimittel, die schnell verderben – aber dies gelte nicht ausnahmslos für alle verschreibungs- und apothekenpflichtigen Arzneimittel. Eine Widerrufsausschlussklausel bei Fernabsatzverträgen, wie die Apotheke sie verwendet hatte, benachteilige den Kunden unangemessen, entschied das Landgericht im April 2017. Nun hat das Oberlandesgericht Karlsruhe dieses Urteil bestätigt.
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Das Oberlandesgericht bestätigte die Vorinstanz auch in dem Punkt, dass der Apotheke bei der Erfragung der Telefonnummer des Kunden eine Hinweispflicht auf eine telefonische Beratungsmöglichkeit obliegt. Und: Sie muss Kunden über die Gebührenfreiheit der telefonischen Beratung hinweisen. Apovia hatte unter „Kontakt und Beratung“ lediglich eine kostenpflichtige Telefonnummer angegeben. Nach Auffassung des Gerichts halten Gebühren, auch wenn sie gering sind, Bestellkunden davon ab, die Hotline zu nutzen.
In einem Punkt hatte die Klage des vzbv allerdings keinen Erfolg. Der Verband war der Auffassung, die Versandapotheke müsse dem Kunden die AGB bereits vor der Bestellung in einer speicherfähigen Fassung bereitstellen. Das verneinten beide Instanzen.
Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv, ist mit der Entscheidung aus Karlsruhe zufrieden: „Mit dem Urteil zeichnet sich in der Rechtsprechung immer mehr eine klare Linie zugunsten des Widerrufsrechts beim Online-Handel von Medikamenten ab“. Zuvor hatten bereits das Oberlandesgericht Naumburg und das Landgericht Berlin die Rechtsauffassung der Verbraucherschützer bestätigt.
vzbv pro Rx-Versand
Der vzbv stellte allerdings klar, dass sein Vorgehen gegen einzelne Praktiken von Versandapotheken keine generelle Ablehnung dieser Vertriebsform bedeutet. Vor-Ort-Apotheken seien zwar insbesondere für die Akutversorgung von Patienten eine unverzichtbare Anlaufstelle. Seit mehr als zehn Jahren gehörten zu einer flächendeckenden Versorgung aber auch „sichere und zuverlässige Versandapotheken“. Kai Vogel, Leiter Team Gesundheit und Pflege beim vzbv, meint daher: „Der im Koalitionsvertrag angekündigte Einsatz für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist falsch und nicht im Sinne von Verbrauchern“. Und weiter: „CDU, CSU und SPD sollte klar sein, dass ein Verbot nicht zur notwendigen Stärkung von qualifizierten Leistungen von Apothekern führt. Es löst ebenso wenig die Probleme von Apotheken in strukturschwachen Regionen, die bereits um ihre Existenz kämpfen.“
Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Februar 2018, Az.: 4 U 87/17
1 Kommentar
Securepharm
von Philipp Hoffmann am 23.03.2018 um 9:57 Uhr
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