AOK: Indometacin-Import

Geht Paragraf vor Patient?

Stuttgart - 05.06.2018, 15:50 Uhr

Wenn die Bürokratie einer (raschen) Patientenversorgung im Wege steht. (Foto: imago)

Wenn die Bürokratie einer (raschen) Patientenversorgung im Wege steht. (Foto: imago)


AOK zu Importen: „Diese Vorgehensweise hat sich bewährt“

Die AOK Nordost sieht bei klassischen Einzelimporten nach § 73 AMG Absatz 3 zunächst einmal den Arzt in der Pflicht: Die Therapie sollte vor Beginn durch den Arzt dringend der Krankenkasse angezeigt werden – „die Apotheke ist hier nicht verantwortlich“, erklärt ein Sprecher der AOK. Werde allerdings ein Import schließlich auf einem GKV-Rezept verordnet, müsse die Belieferung dieses Imports durch die Apotheke „teilweise“ auch von der Krankenkasse abgesegnet werden. Teilweise deswegen, weil die die jeweiligen Arzneilieferverträge der einzelnen Bundesländer dies individuell regeln. Ein bisschen speziell und nahezu abenteuerlich hält es da die AOK Nordost. Sie ist in drei Bundesländern tätig: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin.

AOK prüft Kostenvoranschläge, um Apotheken „Sicherheit zu bieten“

„In Brandenburg oder Berlin muss ein Import nicht vorher angezeigt werden, die Apotheke ist aber verpflichtet, auf Nachfrage der Krankenkasse zu zeigen, dass das günstigste Angebot ausgewählt wurde“, heißt es seitens der AOK Nordost. Bedingung allerdings: Der behandelnde Arzt muss sich zuvor um die Genehmigung der Therapie bei der AOK gekümmert haben.
Anders hingegen in Mecklenburg-Vorpommern, hier erwartet die Krankenkasse immer und direkt drei Kostenvoranschläge pro Import. Und ihrer Ansicht nach aus gutem Grund: die unterschiedliche Preisgestaltung der einzelnen Importeure. „Die AOK Nordost bietet den Apotheken als Serviceleistung an, die Preise im Vorfeld zu überprüfen, zu bestätigen und somit eine Sicherheit zu bieten", indem sie den günstigsten Import genehmigt. Die Apotheke sei dann „ausschließlich für die korrekte Abrechnung des Rezeptes nach Apothekenliefervertrag zuständig“, erklärt der AOK-Sprecher. Und weiter: „Sollte ein Einzelimport allerdings unzulässig oder nicht wirtschaftlich sein, setzt sich der Arzt einem Regressrisiko aus“. Die Apotheke ist anscheinend fein raus, so denn alles lege artis funktioniert.

Diesen bürokratischen Zwischenschritt bewertet der Berliner Apotheker vielmehr als „überflüssige Bürokratie“, schließlich seien die Arzneimittelpreise, die Import-Apotheken zugrunde legten, nicht regional geregelt.

AOK bearbeitet Kostenvoranschläge schneller als gefordert

Keinen Optimierungsbedarf sieht die AOK offenbar bei der Prozedur der Genehmigung. Dass Einzelimporte dort mit „hoher Priorität“ bearbeitet würden, gewährleiste ein Team aus ausschließlich pharmazeutischem Personal. Die pharmazeutische Kompetenz gewährleiste „bei lebensbedrohlichen Erkrankungen die Bearbeitung des Antrags auf wenige Tage, teilweise sogar Stunden“ zu reduzieren. Das sei deutlich schneller als gesetzlich vorgeschrieben: fünf Wochen in Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) oder drei Wochen ohne Unterstützung des MDK. Ob da nicht eher der Wunsch Vater des Gedanken ist? Auf Nachfrage des Berliner Apothekers klang bei einem reibungslos funktionierenden Antrag, inklusive einem gut zu arbeitenden Arzt, der Zeitraum doch eher nach vier bis sechs Wochen.

Nach Ansicht der Krankenkasse hapert es somit weniger an internen Strukturen, denn an den Ärzten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Welchen Wert hat ein Krankenkassenzwangsmitglied?

von Heiko Barz am 06.06.2018 um 12:12 Uhr

"Diese Vorgehensweise hat sich bewährt"......
Wenn sich ALLE in unserem Gesundheitssystem so verhielten wie die AOK Nord-Ost, wäre dieses System nicht mehr existent.
Die AOK, mit der Verpflichtung den Beitragszahlern gegen über, zeigt damit ihren Willen den Schutzbedürftigen Vertragsmitgliedern die dringenden Versorgungsgüter zeitlich expandiert so vorzuenthalten, dass möglicherweise der Bedarf vergeht und hofft gleichzeitig auf Fehler in der Verwaltungskette mit der Hoffnung die Patienten versorgt zu wissen und sich mit Hilfe ihrer Regressunternehmen, der Bezahlung hinterhältig zu entziehen.
Diese Taktik wird von mehreren Kassen genauso verfolgt.
Juristisch mag das ja alles ausgewogen zu sein, nur die sozialen Hintergründe dabei kann man gut und gerne als abartig und absolut unwürdig bezeichnen.

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Welch doofe Frage !

von Ratatosk am 05.06.2018 um 18:39 Uhr

In Deutschland geht schon immer Paragraph vor Patientenwohl, vor allem, da ja der Einsatz einzelner dann von der GKV durch kleinste Formalien kostenmäßig abgewälzt werden kann, hat schlechte Tradition.
Man sollte sich an die Probleme der Krankenhäuser beim Einsatz neuer Medikamente bei der tödlichen EHEC Epedemie vor wenigen Jahren erinnern. Erst hieß es, natürlich muß alles getan werden, dann hieß es oft, hatte doch keine Zulassung in D dafür. Wer auf die seriöse Abwicklung auf solche Zusagen oder in Notfällen hofft, dem kann man nicht mehr helfen, vor allem da alles politisch gedeckt wird.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Arzt und Apotheker

von Dr. Schweikert-Wehner am 05.06.2018 um 16:21 Uhr

Nicht nachvollziehbar, dass der Arzt um eine Genehmigung nachfragen muss, wenn er ein Arzneimittel mit Zulassung , GBA-Erlaubnis und entsprechender Indikation verordnet. Ein Tollhaus ist das. Eine Sonder PZN wegen Import, da nicht lieferfähig oder eine einfache Regelung im Arzneiliefervertrag muss her. Der Apotheker hat schließlich Kontrahierungszwang und muss helfen. Bei Negierung dergleichen kommt einer Körperverletzung seitens der AOK nahe.

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AW: Arzt und Apotheker

von A. Grossmann am 05.06.2018 um 19:39 Uhr

Fairerweise sollte dargestellt werden, dass der Arzt für die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnung zur Rechenschaft gezogen werden kann und das wirtschaftliche Risiko für einen etwaigen Import beim Verordner liegt. Der Arzt sollte, daher auch die Chance bekommen, unter diesen Aspekten seine Therapientscheidung zu überdenken - es gibt schließlich auch Suppositorien mit anderen NSAR, die verfügbar und nicht zu importieren wären. Es steht den Apothekern sicherlich gut an, wenn sie den Arzt auf das bestehende Wirtschaftlichkeitsrisiko hinweisen. Sollte er auf die Verordnung in der vorgelegten Form bestehen, kann die abgebende Apotheke dies auf dem Verordnungsblatt dokumentieren. Dann ist nicht mehr das ob, sondern nur noch der Abrechnungspreis offen und hier greifen unterschiedliche Voraussetzungen bzw. Bedingungen aus den regionalen Lieferverträgen.

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