AOK: Indometacin-Import

Geht Paragraf vor Patient?

Stuttgart - 05.06.2018, 15:50 Uhr

Wenn die Bürokratie einer (raschen) Patientenversorgung im Wege steht. (Foto: imago)

Wenn die Bürokratie einer (raschen) Patientenversorgung im Wege steht. (Foto: imago)


Wie ging die Geschichte aus?

„Es hat sich gezeigt, dass vielen Ärzten die sozialrechtliche Situation bei einem Einzelimport nicht ausreichend bewusst ist. Es kommt immer wieder vor, dass nur ein Rezept ausgestellt wird und die Versicherten beziehungsweise die Apotheke sich um die Genehmigung kümmern sollen“, hat die AOK beobachtet. „Idealerweise setzt sich der Arzt vor der geplanten Therapie direkt mit der AOK Nordost in Verbindung – gleichzeitig sollte eine Apotheke kontaktiert werden, weil Einzelimporte in der Regel mehrere Tage bis teilweise Wochen benötigen“. Eine deutliche Information durch den Arzt an die jeweilige Krankenkasse beziehungsweise den MDK zur Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung, warum Therapiealternativen nicht in Betracht kämen, und zur verfügbaren Studienlage erleichterten und beschleunigten die Bearbeitung. Ein solches ärztliches Versäumnis wurde wohl auch der Berliner Apotheke letztlich zum Verhängnis.

Paragraf geht vor Patient?

Die Apotheke bleibt nicht auf ihren Kosten sitzen. Die Patientin bezahlte das benötigte Arzneimittel in der Apotheke wie eine Privatverordnung. Ob sie die Kosten bei ihrer Krankenkasse einreicht, ist mehr als fraglich. Laut Aussage des Berliner Apothekers ist der Geduldsfaden bei bürokratischen Scherereien mit ihrer Krankenkasse mittlerweile wohl maximal strapaziert, sodass die Patientin das benötigte Präparate selbst bezahlt. Bei relativ günstigen Präparaten ist dies sicherlich ein gangbarer Weg.

Dennoch: Auch wenn nach Gesetzestexten und Verträgen die Krankenkasse völlig korrekt gehandelt hat – und selbst der Berliner Apotheker betont, dieses regelkonforme Verhalten seitens des Kostenträgers. So bemängelt der Pharmazeut jedoch die bürokratischen Hürden, die einer niederschwelligen und möglichst unverzüglichen Patientenversorgung im Wege stehen: „Die AOK hat sich zu 100 Prozent korrekt verhalten“, attestiert der Pharmazeut. Er kritisiert aber im gleichen Satz die Verhältnisse: „Paragraf geht vor Patient“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Welchen Wert hat ein Krankenkassenzwangsmitglied?

von Heiko Barz am 06.06.2018 um 12:12 Uhr

"Diese Vorgehensweise hat sich bewährt"......
Wenn sich ALLE in unserem Gesundheitssystem so verhielten wie die AOK Nord-Ost, wäre dieses System nicht mehr existent.
Die AOK, mit der Verpflichtung den Beitragszahlern gegen über, zeigt damit ihren Willen den Schutzbedürftigen Vertragsmitgliedern die dringenden Versorgungsgüter zeitlich expandiert so vorzuenthalten, dass möglicherweise der Bedarf vergeht und hofft gleichzeitig auf Fehler in der Verwaltungskette mit der Hoffnung die Patienten versorgt zu wissen und sich mit Hilfe ihrer Regressunternehmen, der Bezahlung hinterhältig zu entziehen.
Diese Taktik wird von mehreren Kassen genauso verfolgt.
Juristisch mag das ja alles ausgewogen zu sein, nur die sozialen Hintergründe dabei kann man gut und gerne als abartig und absolut unwürdig bezeichnen.

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Welch doofe Frage !

von Ratatosk am 05.06.2018 um 18:39 Uhr

In Deutschland geht schon immer Paragraph vor Patientenwohl, vor allem, da ja der Einsatz einzelner dann von der GKV durch kleinste Formalien kostenmäßig abgewälzt werden kann, hat schlechte Tradition.
Man sollte sich an die Probleme der Krankenhäuser beim Einsatz neuer Medikamente bei der tödlichen EHEC Epedemie vor wenigen Jahren erinnern. Erst hieß es, natürlich muß alles getan werden, dann hieß es oft, hatte doch keine Zulassung in D dafür. Wer auf die seriöse Abwicklung auf solche Zusagen oder in Notfällen hofft, dem kann man nicht mehr helfen, vor allem da alles politisch gedeckt wird.

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Arzt und Apotheker

von Dr. Schweikert-Wehner am 05.06.2018 um 16:21 Uhr

Nicht nachvollziehbar, dass der Arzt um eine Genehmigung nachfragen muss, wenn er ein Arzneimittel mit Zulassung , GBA-Erlaubnis und entsprechender Indikation verordnet. Ein Tollhaus ist das. Eine Sonder PZN wegen Import, da nicht lieferfähig oder eine einfache Regelung im Arzneiliefervertrag muss her. Der Apotheker hat schließlich Kontrahierungszwang und muss helfen. Bei Negierung dergleichen kommt einer Körperverletzung seitens der AOK nahe.

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AW: Arzt und Apotheker

von A. Grossmann am 05.06.2018 um 19:39 Uhr

Fairerweise sollte dargestellt werden, dass der Arzt für die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnung zur Rechenschaft gezogen werden kann und das wirtschaftliche Risiko für einen etwaigen Import beim Verordner liegt. Der Arzt sollte, daher auch die Chance bekommen, unter diesen Aspekten seine Therapientscheidung zu überdenken - es gibt schließlich auch Suppositorien mit anderen NSAR, die verfügbar und nicht zu importieren wären. Es steht den Apothekern sicherlich gut an, wenn sie den Arzt auf das bestehende Wirtschaftlichkeitsrisiko hinweisen. Sollte er auf die Verordnung in der vorgelegten Form bestehen, kann die abgebende Apotheke dies auf dem Verordnungsblatt dokumentieren. Dann ist nicht mehr das ob, sondern nur noch der Abrechnungspreis offen und hier greifen unterschiedliche Voraussetzungen bzw. Bedingungen aus den regionalen Lieferverträgen.

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