„S.A.M – mein Heimtest“ im Abonnement

HIV-Test per Post, Ergebnisse per Handy

Stuttgart - 20.07.2018, 09:10 Uhr

Testkit von „S.A.M - Mein
Heimtest“. (b / Foto: Deutsche Aids-Hilfe)

Testkit von „S.A.M - Mein Heimtest“. (b / Foto: Deutsche Aids-Hilfe)


Beispielsweise über Apotheken vertrieben sollen in Deutschland ab Herbst HIV-Selbsttests für jedermann zugänglich werden. Ein Pilotprojekt aus Bayern greift dieser Entwicklung ab sofort schon vor und erweitert das aktuell diskutierte Konzept der Heim- und Selbsttests sogar noch: In einem Jahresabonnement können sich Interessierte nicht nur regelmäßig selbst auf HIV, sondern auch auf andere Geschlechtskrankheiten testen lassen.

In Deutschland sollen ab Herbst HIV-Selbsttests für jedermann zugänglich sein. In Österreich kann schon seit diesem Juni jeder HIV-Selbsttests in Apotheken erwerben. Bewusst hat man sich in Österreich für den Vertriebsweg der Apotheke entschieden, auch online sollen keine Tests zu erhalten sein. Wie in Österreich sind in Dänemark, Irland und Spanien HIV-Selbsttests nur über Apotheken und Ärzte zu erhalten. Das hat eine Abfrage der ABDA bei den Mitgliedern der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU) ergeben. 

So hätte die Apotheker-Standesvertretung das auch gerne in Deutschland und hat deshalb noch im Juni beim BMG (Bundesministerium für Gesundheit) eine Gesetzesänderung angeregt: HIV-Selbsttests sollen in Deutschland apothekenpflichtig werden. Das schlug die ABDA in einer Stellungnahme an das BMG zum Gesetzesentwurf vor. Die Tests sollen demnach in die Anlage 2 zu § 2 Nr. 3 der Medizinprodukte-Abgabeverordnung aufgenommen werden. Bislang sind dort nur Hämodialysekonzentrate als apothekenpflichtige Medizinprodukte gelistet. 

Pilotprojekt in Bayern: Online anmelden, Erstgespräch vor Ort

Am gestrigen Donnerstag berichtet nun die Deutsche Aids-Hilfe über ein neues Pilotprojekt in Bayern, das ab sofort ein Jahr lang läuft: „S.A.M – mein Heimtest“. S.A.M. steht für „Sampling“ (englisch für Probenentnahme). Bei S.A.M. handelt es sich nicht nur um einen HIV-Selbsttest, sondern um eine ganzes „System“ an Heimtests für HIV und Geschlechtskrankheiten. Entwickelt hat das Paket die Münchner Aids-Hilfe gemeinsam mit der Deutschen Aids-Hilfe, ViiV Healthcare und dem Labor Lademannbogen in Hamburg. 

Wer sich für das Pilotprojekt interessiert, kann sich online anmelden und in drei bayerischen Städten (München, Nürnberg, Regensburg) ein Erstgespräch mit persönlicher Beratung führen. Anschließend wird mit den Teilnehmern entschieden, ob sie das Testkit – auf HIV, Syphilis, Chlamydien und Gonokokken – alle drei, sechs oder zwölf Monate automatisch zugesandt bekommen möchten. Die Kosten belaufen sich auf 32 Euro pro Testvorgang.

Ein HIV-Test aus der Packstation

Das S.A.M-Testkit werde dann „diskret“ mit der Deutschen Post an die Adresse der Wahl geliefert, auch eine Packstation sei möglich. Auf dem Umschlag würden weder die Deutsche AIDS-Hilfe noch S.A.M erwähnt werden. Weil der Versand per Standardversand erfolgt, sei keine Unterschrift erforderlich. Der Umschlag passe zudem in jeden normalen Briefkasten. 

„Frühe Diagnosen zu fördern, ist heute so wichtig wie nie“, betont Armin Schafberger, Referent für Medizin und Gesundheitspolitik der Deutschen AIDS-Hilfe, in der entsprechenden Pressemitteilung. „Bei rechtzeitiger Behandlung haben Menschen mit HIV mittlerweile eine fast normale Lebenserwartung und können leben wie andere Menschen auch.“

In Deutschland leben laut Aids-Hilfe rund 13.000 Menschen mit HIV, ohne es zu wissen. Rund ein Drittel aller Diagnosen erfolgt erst, wenn bereits Aids oder ein schwerer Immundefekt vorliegen. Auch andere sexuell übertragbare Infektionen bleiben oft lange unerkannt. Nötig seien daher weitere Testangebote, die die Hemmschwelle senken und möglichst bequem sind.

Tests auf HIV, Syphilis, Chlamydien und Gonokokken

Ein kleiner Stich in den Finger zur Blutentnahme, eine Urinprobe, einige Abstriche mit Wattestäbchen, die Proben in einem Plastikbeutel verstauen und in die Post geben. So einfach soll es sein. Blut- und Urinproben sowie Abstriche (im Rachen, rektal und vaginal) sollten zu Hause selbst entnommen werden und anschließend ins Labor nach Hamburg geschickt werden. Wenn keine Infektion festgestellt wird, erhalten die Nutzer per SMS Entwarnung. Liegt eine Infektion vor, wird in einer SMS um Rückruf gebeten – innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Proben im Labor. Dann steht eine medizinische Fachkraft für ein Beratungsgespräch bereit und verweist gegebenenfalls an medizinische Einrichtungen und Aidshilfen weiter.

(Grafik: Deutsche Aids-Hilfe)

Im Fall von HIV-Tests gilt zu bedenken, dass nach einem reaktiven Test zur Bestätigung des Ergebnisses weitere Untersuchungen erforderlich sind. Ergebnisse, bei denen der Test anzeigt, Antikörper gegen HIV gefunden zu haben, obwohl keine HIV-Infektion vorliegt, seien äußerst selten, heißt es. Ein Bestätigungstest verschafft Klarheit.

Für wen das Projekt nicht geeignet ist

Wer in den letzten drei Tagen ein konkretes HIV-Risiko hatte (z.B. ungeschützten Analverkehr mit einer Person mit unbekanntem HIV-Status), wenn Krankheitssymptome bestehen und wenn man glaubt, schwanger zu sein, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen, statt am Heimtest-Projekt teilzunehmen.

Mehr zum Thema

AIDS-Hilfe sieht Selbsttest kritisch

Kein HIV-Test für zu Hause

UNAIDS will die Aids-Epidemie weltweit bis zum Jahr 2030 beenden. Auch die deutsche Regierung hat sich zu diesem Ziel verpflichtet. Mit der Kampagne „Kein Aids für alle!“ möchte die Deutsche AIDS-Hilfe dieses „historische Ziel“ in Deutschland sogar schon bis 2020 erreichen. Welchen Menschen das Pilotprojekt „S.A.M.“ helfen könnte, verdeutlicht eindrücklich die Geschichte von Regina, sie sagt: „Ein HIV-Test hätte mir viel erspart!“



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.