Kritik am TSVG-Referentenentwurf

BPI: Geplante Impfstoffregelung bringt keine Versorgungssicherheit

Berlin - 26.07.2018, 10:36 Uhr

Minister Spahn will bei Impfstoff-Verträgen nachbessern - doch die Hersteller sind mit seiner Idee ganz und gar nicht zufrieden. (b / Foto: miss mafalda / stock.adobe.com)

Minister Spahn will bei Impfstoff-Verträgen nachbessern - doch die Hersteller sind mit seiner Idee ganz und gar nicht zufrieden. (b / Foto: miss mafalda / stock.adobe.com)


Der Bundesgesundheitsminister reagiert in seinem jüngsten Gesetzentwurf auf den in diesem Jahr entflammten Streit um die Festpreisvereinbarungen für Vierfach-Grippeimpfstoffe. Doch mit seiner Lösung dürften Hersteller wie GlaxoSmithKline oder Sanofi nicht zufrieden sein. Beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie spricht man sogar von einem „deutlichen Rückschritt“.

Im Referentenentwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSGV) ist vorgesehen, dass § 129 Abs. 5 SGB V, der die Rechtsgrundlage für ergänzende Verträge zum Rahmenvertrag auf Landesebene ist, einen neuen Satz enthält. Demnach ist in einem solchen Vertrag zwischen Kassen(verbänden) und Apothekenverbänden über die Versorgung mit Impfstoffen „sicherzustellen, dass die Krankenkassen die Kosten für Impfstoffe bis zum Preis des zweitgünstigsten Herstellers übernehmen“.

In der Begründung heißt es dazu: „Auf diese Weise wird gewährleistet, dass im Sinne der Versorgungssicherheit zumindest zwei Hersteller von Impfstoffen in den Verträgen berücksichtigt werden und zugleich durch die bestehende Wettbewerbssituation im Verhältnis Hersteller zu Apotheken dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung getragen wird. Dies ist zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Impfstoffversorgung und zeitweiligen Lieferproblemen von Impfstoffen erforderlich, da andernfalls nicht gewährleistet ist, dass Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stehen“.

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Hintergrund der Neuregelung ist der Streit um Festpreisvereinbarungen zwischen Kassen und Apothekerverbänden auf Landesebene, die in diesem Jahr erstmals über tetravalente Grippeimpfstoffe geschlossen wurden. Vorreiter waren hier die AOK Nordost und die Apothekerverbände in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Nur ein Hersteller – Mylan – zeigte sich bereit, zu einem für die Apotheker akzeptablen Preis zu liefern. Das missfiel der Konkurrenz und ihrer Lobbyvertretung, die den Festpreis für nicht auskömmlich halten. Sie fürchten erneut Versorgungsengpässe, wenn sich die Nachfrage auf einen Anbieter konzentriert – und dieser dann möglicherweise doch nicht so liefern kann wie versprochen. Gerade deshalb hatte der Gesetzgeber im Frühjahr vergangenen Jahres die Rabattverträge über Impfstoffe aus dem Sozialgesetzbuch V gestrichen.

Und so landete das Vertragskonstrukt vor Gericht: GSK zog vor die Vergabekammer des Bundes, Sanofi vor das Sozialgericht. Ersterer Streit ging zugunsten des Herstellers aus, letzterer zugunsten der AOK – doch zu Ende sind die Verfahren damit noch nicht. Nicht nur der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) forderte daraufhin eine gesetzliche Klarstellung.

Zentgraf: Geringe Einsparungen zulasten optimaler Versorgung

Nun hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) also eingegriffen. Doch  seine Lösung passt dem BPI nicht. Sie sei „ein deutlicher Rückschritt“. Der BPI-Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Zentgraf meint: „Nicht ohne Grund wurden Rabattverträge für Impfstoffe trotz der Zweipartnerlösung abgeschafft“. Zwei Anbieter seien zwar besser als einer, aber gerade bei Impfstoffen keine Versorgungsgarantie, falls einer ausfällt – egal in welcher Vertragskonstruktion. Zentgraf weiter: „Wenn der Gesetzgeber die Impfstoffversorgung sicherstellen will, dann müssen die Impfstoffe aller Hersteller zur Verfügung stehen. Exakt dies hatte der Gesetzgeber erst im vergangenen Jahr mit dem AMVSG geregelt.“ Der BPI-Vorsitzende gibt zu bedenken, dass die Kassen ohnehin nur den EU-Durchschnittspreis zahlen müssen. Dennoch orientierten sie sich „mehr an relativ geringen Kosteneinsparungen für die GKV als an einer optimalen Versorgung der Patienten“.

Tatsächlich werden es GSK, Sanofi und auch AstraZenca vermutlich weiterhin schwer mit ihren tetravalenten Impfstoffen haben – in der Vergangenheit waren es die Rabattverträge, nun sind es die Verträge zwischen Kassen und Apotheken auf Landesebene. Ob eines der Unternehmen künftig zweitgünstigster Anbieter in diesem engen Markt sein wird, bleibt abzuwarten.   

Zu bedenken ist auch: Die AOK Nordost fährt ihr Festpreismodell für generisch verordnete Grippeimpfstoffe bereits seit Jahren. In der Vergangenheit gab es stets eine Co-Vereinbarung mit zwei Herstellern: Mylan und Seqirus beziehungsweise den Vorgängerunternehmen, die diesen Firmen ihre Impfstoffe überlassen haben. Dass es diesmal nur Mylan ist, liegt wohl schlicht daran, dass Seqirus für die kommende Saison noch gar keinen Vierfachimpfstoff im Markt hat. Für Mylan ist es das erste Mal, dass das Unternehmen diese Variante produziert. Ihr Influvac Tetra ist allerdings erst ab 18 Jahren zugelassen. Seqirus hat indessen die EU-Zulassung für einen zellbasierten Vierfach-Impfstoff beantragt.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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