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Retax vermeiden und Patienten versorgen
Ibuprofen nicht lieferbar – und dann?
Eines der gängigsten Analgetika ist nicht oder immer nur häppchenweise lieferbar: Ibuprofen 600 mg. Wie können Apotheken Ibuprofen-Verordnungen beliefern? Darf bei fehlender 20er Packung auch mit zweimal 10 gestückelt werden, oder gar 400 mg Ibuprofen anstelle von 600 mg Ibuprofen abgegeben werden? DAZ.online hat sich unterschiedliche Ibu-Szenarien angeschaut.
Ibuprofen 600 mg ist derzeit eines der apothekerlichen Sorgenkinder. Die Beschaffung ist eine wahre Herausforderung, und trudelt eine Direktlieferung vom Hersteller ein, reicht der Vorrat an Ibuprofen 600 mg meist nicht allzu lange. Apotheker jonglieren mit Sonder-PZN, mit neuen Verordnungen, mit dem Unmut der Kunden, mit Dosisanpassungen – und mit Stückeln. Von Letzterem lässt man erfahrungsgemäß jedoch eher die Finger. Denn die Erfahrung lehrt: Man verbrennt sie sich allzu leicht.
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Stückzahlverordnung – ist das Ausrufezeichen nötig?
Was ist erlaubt, was nicht? Dürfen Apotheken Ibuprofen 600 mg gegen Ibuprofen 400 mg austauschen, wenn kein einziges Ibuprofen mit der verordneten Stärke mehr verfügbar ist? Oder erlauben die Krankenkassen das Stückeln, wenn einzelne Packungsgrößen fehlen? DAZ.online hat mit den Retax-Experten des LAV Baden-Württemberg (LAV BaWü) und des DeutschenApothekenPortals (DAP) gesprochen.
Ibuprofen 600 mg, N1: Darf man statt einer 20er Packung zwei 10er Packungen abgeben?
Erfolgt eine Verordnung nur mit der N-Bezeichnung, „Ibuprofen 600 mg N1“, schreibt der Rahmenvertrag vor, dass bei Rabattverträgen ein Rabattarzneimittel aus diesem N-Bereich abzugeben ist. Die Packungsgrößen-Verordnung ordnet Ibuprofen als Antiphlogistikum folgenden Kategorien zu:
N1 = 16 – 24; N2 = 45 – 55 und N3 = 95 bis 100
Wenn nun aber keines der Rabatt-Ibuprofene aus dem verordneten N1-Bereich lieferbar ist – darf die Apotheke, so vorrätig, Ibuprofen 600 mg 10 St x 2 abgeben? Die Antwort ist hier nicht ganz einfach. Die Retax-Experten des LAV Baden-Württemberg raten, bei Nichtlieferbarkeit der 20er Packung den Patienten lediglich mit der nächstkleineren Packung (hier: Ibuprofen 600 mg 10 Stück), zu versorgen – und zwar mit einer einzigen. Sie begründen dieses Vorgehen damit, „dass bei den Krankenkassen die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund steht“, so der LAV. Zusätzlich gibt der LAV zu bedenken, dass bei zwei abgegebenen Arzneimittelpackungen auch für den Patienten die doppelte Zuzahlung anfällt. Ihr Tipp: „Schicken Sie den Patienten rechtzeitig wieder zum Arzt, dass er sich um eine Neuverordnung des Arzneimittels kümmert.“ Die erneute Zuzahlung umgeht der Patient allerdings so auch nicht.
Rahmenvertrag erlaubt Stückeln – unter Umständen
Gesetzlich zugrunde liegt dem Stückeln der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung.
Entspricht die nach Stückzahl verordnete Menge, die keinem N-Bereich nach der geltenden Packungsgrößenverordnung zugeordnet werden kann, keiner im Handel befindlichen Packungsgröße, so sind, nach wirtschaftlicher Auswahl aus den zulässigen Packungsgrößen, verschreibungspflichtige Arzneimittel bis zur verordneten Menge abzugeben.
Stückeln bei N-Verordnungen kein Retaxgrund, wenn wirtschaftlich
Im aktuell betrachteten Fall „Ibuprofen 600 mg N1“ liegt aber keine Stückzahlverordnung vor, sondern eine Normgrößenverordnung. Dazu findet man im Rahmenvertrag ein kleines Hintertürchen, in § 3 Abs. 7e:
Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn (…) die Apotheke bei einer Verordnung, für die § 6 dieses Vertrages keine Regelung enthält, unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit und des Vorranges der Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel Packungen bis zu der vom Arzt insgesamt verordneten Menge abgibt (§ 31 Absatz 4 SGB V).
Aufgedröselt bedeutet das: § 6 enthält keine Regelung für Verordnungen nach Normgrößen, er bezieht sich nur auf die Stückzahl. Stückelt der Apotheker also Verordnungen mit N-Größen, agiert hier aber wirtschaftlich für die Krankenkassen und berücksichtigt Rabattverträge, darf die GKV ihn deswegen nicht retaxieren.
Wann ist eine Therapie aber „wirtschaftlich? Der AOK Bundesverband definiert: „Das angestrebte therapeutische oder diagnostische Ziel muss durch die Leistung effektiv und effizient zu erreichen sein.“ Weil das anscheinend nicht so ganz leicht festzustellen ist, rät der LAV BaWü, wie erwähnt, vom Stückeln ab.
Stückzahlverordnung: „Ibuprofen 600 mg 20 Stück“
Was ist aber, wenn der Arzt auf eine Normgröße verzichtet und rein nach Stückzahl verordnet: „Ibuprofen 600 mg 20 Stück“. Stückelt man zweimal Ibuprofen 600 mg 10 Stück, trifft man einen definierten Normbereich, und zwar N1 mit 16 bis 24 Tabletten. Eigentlich erlaubt der Rahmenvertrag in § 6 Absatz 2 kein Stückeln in einen bestehenden Normbereich.
Die Retax-Experten vom DeutschenApothekenPortal (DAP) haben sich diese Situation angeschaut. Sind Packungen mit der Gesamtstückzahl 20 Stück im Handel, aber keine verfügbar, lautet der Rezeptbelieferungs-Rat:
- „Stückeln in den N-Bereich ausnahmsweise möglich
- Abgabe von 2 x 10 Stück nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, möglichst günstig, vorrangig rabattiert. Es darf nicht retaxiert werden, wenn es teurer ist, man soll nur vorrangig wirtschaftlich handeln
- Kurzer Vermerk der Nichtlieferbarkeit auf dem Rezept (Abzeichnen mit Datum und Unterschrift)
- Archivierung der Defektbelege
- Empfehlung: zusätzliche Arztrücksprache und die Dokumentation dieser, da mit der Abgabe von 2 x 10 Stück auch zweimal Rezeptgebühren anfallen.“
Diese Regelung berücksichtigt der Rahmenvertrag nicht direkt. Denn primär müsste auch hier gelten, dass Stückeln in einen bestehenden Normbereich nicht zulässig ist (Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung § 6 Absatz 2). Allerdings ist der Fall einer Nichtverfügbarkeit von Normgrößen nicht explizit im Rahmenvertrag § 6 geregelt. Somit könnte auch hier der Ausnahme-Absatz § 3 Absatz 7e greifen.
Benötigt dieses Rezept ein Ausrufezeichen oder die exakte Menge in Worten ausgeschrieben? Nein. Die Regelung mit dem Ausrufezeichen oder der exakten Menge greift nur bei reinen Stückzahlverordnungen, die Nmax überschreiten, also die größte Messzahl der Packung.
Ein Vielfaches der größten Packung darf nur abgegeben werden, soweit der Vertragsarzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abgabe der verordneten Menge hingewiesen hat.
Darf man aus einer größeren Packung auseinzeln?
„Die Abgabe einer Teilmenge aus einer Fertigarzneimittelpackung (Auseinzelung), ist nur auf ausdrückliche ärztliche Anordnung der Auseinzelung zulässig, soweit zwischen den Partnern des Rahmenvertrages nichts anderes vereinbart ist“, formuliert der § 6 Abs. 2 Satz 3 Rahmenvertrag eindeutig. Also nein.
Wenn nur „Ibuprofen 600 mg“ auf dem Rezept steht?
Dieser Fall ist einfach und kein Sonderfall für die Nichtverfügbarkeit von Ibuprofen. „Bei Verordnung eines Arzneimittels ohne Angabe einer N-Bezeichnung sowie ohne Angabe der verordneten Stückzahl, hat die Apotheke die kleinste im Handel befindliche Packung abzugeben“, schreibt der Rahmenvertrag in § 6 Absatz 4. Das bedeutet, in diesem Fall darf die Apotheke nur Ibuprofen 600 mg 10 Stück abgeben, als kleinste Packung zählt nicht die kleinste Normgröße!
Kein Ibuprofen 600 mg ist lieferbar: Ibuprofen 400 mg alternativ?
Notdienst oder fünf Minuten vor Ladenschluss am Samstagnachmittag: Wenn kein einziges Ibuprofen 600 mg mehr in der Apotheke verfügbar ist, darf die Apotheke dann das Rezept mit einem teilbaren Ibuprofen 400 mg beliefern, dem Patienten die korrekte Dosierung erklären und einen entsprechenden Vermerk mit Unterschrift darüber auf das Rezept aufbringen?
Abweichend von Absatz 5 Satz 1 darf der Apotheker bei der Dienstbereitschaft während der Zeiten nach § 23 Absatz 1 Satz 2 ein anderes, mit dem verschriebenen Arzneimittel nach Anwendungsgebiet und nach Art und Menge der wirksamen Bestandteile identisches sowie in der Darreichungsform und pharmazeutischen Qualität vergleichbares Arzneimittel abgeben, wenn das verschriebene Arzneimittel nicht verfügbar ist und ein dringender Fall vorliegt, der die unverzügliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich macht.
Ibuprofen 400 mg statt Ibuprofen 600 mg? Das abgegebene Arzneimittel muss „nach Art und Menge der wirksamen Bestandteile identisch“ mit dem verschriebenen Arzneimittel sein, während die Darreichungsformen vergleichbar sein können. Das bedeutet, auch § 17 Apothekenbetriebsordnung schafft keine Legitimation Wirkstärken im Notfall – bei Akutversorgung oder Nichtlieferbarkeit – auszutauschen. Die einzige Ausnahme, die dieser Abschnitt schafft, ist, dass im Notdienst auch von der Vorgabe Rabatt-Arzneimittel oder bei Nichtverfügbarkeit vom namentlich verordneten oder einem der drei preisgünstigsten abgewichen werden kann. Der LAV Baden-Württemberg empfiehlt auch in diesem Fall, dies schriftlich auf dem Rezept zu begründen, eventuell auch § 17 Apothekenbetriebsordnung zu erwähnen und abzuzeichnen. Diese Ausnahme gilt allerdings ausschließlich zu den Notdienstzeiten der Apotheke.
Apothekenpflichtiges teilbares Ibuprofen 400 mg
Bei Ibuprofen haben Apotheker natürlich durch die Selbstmedikation mit 400 mg Ibuprofen einen gewissen Handlungsspielraum. Lässt sich zwar ein Ibuprofen-600-mg-Rezept nicht mit Ibuprofen 400 mg beliefern und zulasten der GKV abrechnen, können Apotheker dem Patienten ein apothekenpflichtiges und teilbares Ibuprofen 400 mg mitgeben und auf die ärztlich vorgesehene Dosierung verweisen. Unter Umständen kommt dies den Patienten nicht teurer zu stehen als die Zuzahlung.
2 Kommentare
Ibuprofen 800
von Diane Bebber am 09.05.2019 um 9:51 Uhr
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Retax
von Conny am 01.08.2018 um 8:20 Uhr
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