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DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ (4)
Versuche der Wiedergutmachung
Das Grauen des Holocausts vernichtete das Leben vom mehr als sechs Millionen Juden. Tausende waren vor Ausgrenzung und Verfolgung geflohen. Sie hatten ihre Heimat verlassen müssen. Kann es angesichts dieses Unrechts überhaupt ansatzweise eine Wiedergutmachung geben? Teil 4 der DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ zeichnet die Entwicklung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges war zugleich das Ende der Nazi-Diktatur – doch noch nicht das Ende des Grauens. Was die Alliierten in den Wochen nach Kriegsende in den befreiten Konzentrationslagern sahen, lässt sich kaum beschreiben. Die Überlebenden waren häufig dem Tod näher als dem Leben. Viele starben noch kurz nach der Befreiung. Unverständlich bleibt für nachfolgende Generationen, dass die Bevölkerung, die in der Umgebung der KZs gelebt hatte, häufig angab, nichts von den Geschehnissen in ihrer Nachbarschaft gewusst zu haben. Die US-Befehlshaber konfrontierten damals Einheimische mit dem Gräuel und denselben Schreckensbildern, die auch die Alliierten bei der Befreiung in den Konzentrationslagern vorfanden. Das „Wegsehen“ sollte nicht mehr möglich sein.
Samuel Fuller, der spätere US-Schauspieler und Filmregisseur, war als US-Infanterist Augenzeuge der Befreiung des KZs Falkenau (Flossenbürger Außenlager): „Die meisten von uns kannten jede Art von Wahnsinn im Krieg. Aber das, was wir hier sahen, übertraf alles.“
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Geschichten von Flucht und Vernichtung
Überlebt – und dann?
Eine kleine Anzahl jüdischer Apotheker überlebte in Deutschland die Verfolgungen im Nationalsozialismus und wurden nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges aus Zwangsarbeit und Konzentrationslagern befreit. Für sie stellte sich die Frage, ob sie für sich noch eine Perspektive in Deutschland sahen und ob sie überhaupt bleiben wollten. Keine leichte Entscheidung. Zudem war die wirtschaftliche und politische Situation im Nachkriegsdeutschland ungewiss und die judenfeindliche Haltung vieler in Deutschland ungebrochen.
Frank Leimkugel beschreibt in seinem Buch „Wege jüdischer Apotheker“, dass damals in Berlin ein Mangel an politisch unbelasteten Mitarbeitern in Ämtern und Behörden herrschte. So wurden auch für die Gesundheitsämter Fachleute gesucht. Einige der jüdischen Apotheker wurden – da politisch unverdächtig – übergangsweise in diesen Ämtern eingesetzt. Eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit ergab sich für die Überlebenden in verwaisten Apotheken. Häufig genug hatten deren letzte Besitzer während der NS-Zeit von den „Arisierungswellen“ profitiert und waren schließlich in den Wirren der letzten Kriegstage ums Leben gekommen oder hatten sich aus Angst vor der Zukunft das Leben genommen.
So arbeiteten auch der zur Zwangsarbeit gezwungene Alexander Fraenkel (1891-1956), der das KZ Theresienstadt überlebende Dr. Georg Cohn (1879-1952) und der aus dem KZ Sachsenhausen zurückgekehrte Arthur Jacobsohn (1879-?) für die Alliierten als pharmazeutische Sachbearbeiter in unterschiedlichen Gesundheitsämtern Berlins. Welchen Wirrnissen die Überlebenden damals ausgesetzt waren, zeigt auch das Beispiel von Richard Rudolphson (1877-1960). Rudolphson war rein zufällig an einer verwaisten Apotheke im Berliner Stadtteil Lichtenrade vorbeigekommen, als ihm russische Soldaten ohne Umschweife die Leitung der Apotheke übertrugen. Der pure Zufall – und das kurzentschlossene Handeln der Russen – verhalf Rudolphson damals zu einer neuen Perspektive.
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