DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ (4)

Versuche der Wiedergutmachung

Berlin - 18.08.2018, 07:55 Uhr

Im Zweiten Weltkrieg verloren auch viele jüdische Apotheker ihr Leben, in den Trümmern wurden viele Apotheken zerstört. Teil 4 der DAZ.online-Miniserie über jüdische Apotheker dreht sich um die Frage, wie es für die Überlebenden Pharmazeuten weiterging. ( r / Foto: Imago)

Im Zweiten Weltkrieg verloren auch viele jüdische Apotheker ihr Leben, in den Trümmern wurden viele Apotheken zerstört. Teil 4 der DAZ.online-Miniserie über jüdische Apotheker dreht sich um die Frage, wie es für die Überlebenden Pharmazeuten weiterging. ( r / Foto: Imago)


Rückkehr nach Deutschland

Tausende Juden hatten sich vor den Verfolgungen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates ins Ausland gerettet. Nach Kriegsende standen sie vor der Frage der Rückkehr nach Deutschland. Doch nur wenige entschieden sich letztlich für ein erneutes Leben in Deutschland. Etwa 5 Prozent der ungefähr 500.000 Juden, die aus dem deutschsprachigen Raum ausgewandert waren, kehrten zurück. Der kleinere Teil remigrierte zwischen 1945 und 1952. Der größere Teil kehrte erst zwischen 1952 und 1959 zurück. Der Remigrationswille war abhängig von verschiedenen Faktoren. Je besser die Migranten in den Aufnahmeländern beruflich und kulturell integriert waren, desto geringer die Rückkehrerrate. Außerdem spielten emotionale Gründe eine wichtige Rolle. Die Sehnsucht nach Deutschland musste groß genug gewesen sein.  

Die Rückkehrer entschieden sich unter anderem dann für Deutschland, wenn sie für sich eine gute berufliche Zukunft in ihrem alten Heimatland sahen. Doch nicht immer erfüllten sich diese Hoffnungen. Hinzu kamen die psychischen Belastungen, wieder potentiellen ehemaligen Nationalsozialisten gegenüberstehen zu müssen. So verstarb der jüdische Apotheker Joseph Altmann (Posen 1883-1960 Göttingen) letztlich in einer Nervenklinik, in der er die letzten Monate seines Lebens aufgrund unverarbeiteter Erlebnisse im KZ Sachsenhausen verbringen musste. Andere wiederum legten in ihrem Testament fest, dass sie nach ihrem Tod in der alten Heimat bestattet werden wollten – und nicht im unfreiwillig gewählten Exil. Insgesamt verblieben vor allem diejenigen im neuen Heimatland, die in die USA und nach England ausgewandert waren. Dort war die private und berufliche Integration am reibungslosesten erfolgt.

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Versuche eines Ausgleichs – und einer (Teil-)Wiedergutmachung

Wiedergutmachung ist ein problematischer Begriff, denn es wird immer nur eine teilweise „Wiedergutmachung“ möglich sein. Oder mit anderen Worten: Es kann nie wieder ganz „gut“ sein. Dennoch sollten die Opfer soweit möglich einen Ausgleich für das Nicht-Wiedergutmachbare erhalten. Die Versuche des Ausgleichs für erlittenes Unrecht erstreckten sich im Wesentlichen auf folgende Bereiche: Rückerstattung von Vermögenswerten, Entschädigungszahlungen für Eingriffe in die Lebenschancen, juristische Rehabilitierung nach zum Beispiel zu Unrecht aberkannter akademischer Grade und Entschädigung auch für ausländische NS-Opfer mittels zwischenstaatlicher Abkommen. 

Rückerstattung von Apotheken

An jüdische Apotheker, die den Nationalsozialismus in Deutschland überlebt hatten, und an die wenigen nach Deutschland zurückgekehrten Pharmazeuten wurden bevorzugt Apothekenkonzessionen verliehen. Diese erhielten sie als „Opfer des Faschismus“ im Rahmen von Wiedergutmachungsbemühungen. Gleichzeitig bereitete die Rückgabe der nur unter dem Druck der antisemitischen Gesetzgebung im Nationalsozialismus verkauften Apotheken juristische Schwierigkeiten. Da die Unrechtmäßigkeit dieser Rechtsgeschäfte erst festgestellt werden musste und dies den Opfern häufig aufgrund der geschichtlichen Ereignisse schlicht nicht möglich war. Viele Rückerstattungsverfahren wurden deshalb erst Anfang der 50er-Jahre entschieden.

Rückerstattete Apotheken wurden jedoch nicht immer von den Besitzern wieder selbst betrieben. Einige Apotheker blieben im Ausland und verkauften im Anschluss an die Rückgabe ihre Apotheke. Andere wiederum entschieden sich gegen einen Verkauf und zogen stattdessen eine Verpachtung vor. Für den Fall, dass der ehemalige Besitzer nicht mehr lebte, stand den Erben die Rückerstattung zu. Auch wenn keine Erben mehr ausfindig zu machen waren, fand ein Ausgleich statt. Die Kompensationen erhielt dann als Rechtsnachfolger die „Jewish Restitution Successor Organization“.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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