Apotheker sauer über Lagerwertverluste

„Janssen findet zeitnahe Patienten-Versorgung überflüssig“

Stuttgart - 28.08.2018, 17:50 Uhr

Janssen lässt die Apotheker auf dem Lagerwertverlust sitzen. (r / Foto: imago)

Janssen lässt die Apotheker auf dem Lagerwertverlust sitzen. (r / Foto: imago)


Weil der Gemeinsame Bundesausschuss keinen Zusatznutzen feststellte, musste Janssen gemäß den AMNOG-Regeln den Preis für seine HIV-Vierfachkombination Symtuza® senken. Auf dem Lagerwertverlust – bei der Dreimonatspackung sind es über 1000 Euro – blieben die Apotheker sitzen. Und die sind verständlicherweise sauer, zumal Janssen sich auf seiner Homepage hohe ethische Ziele setzt. 

1285 Euro für jede 90er-Packung – so viel beträgt der Lagerwertverlust bei Janssens-HIV-Mittel Symtuza® nach der Absenkung des Preises auf den Erstattungsbetrag zum 15. August. Bei auf HIV spezialisierten Apotheken kommt da schnell ein erkleckliches Sümmchen zusammen. Lagerwertverlustausgleich? Bei Janssen Fehlanzeige. „Janssen hat entschieden, Preisanpassungen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie dem AMNOG-Prozess notwendig sind, nicht zu erstatten“, erklärt das Unternehmen auf Nachfrage von DAZ.online. „Neben unserer Meldepflicht an die Lauertaxe informieren wir unsere Kunden so früh wie möglich, damit sie die Preisanpassung in ihr Bestellverhalten einplanen können und nicht mehr für die Lagerhaltung einkaufen“, heißt es weiter.

Ein betroffener Apotheker berichtet, dass seine Apotheke am 27. Juli über die Preisänderung, die zum 15. August erfolgen sollte, informiert worden sei. Für ihn reichte das nicht, seinen Bestand runterzufahren: Auf einer 90er und eine 30er-Packung blieb er sitzen. Das sei zu kurzfristig gewesen, sagt er gegenüber DAZ.online. Zumal die Information mitten in die Urlaubszeit gefallen sei, in der viele Apothekenleiter, aber auch verordnende Ärzte, gar nicht anzutreffen seien. 

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Großhändler bekommen Abschlag

Nicht mehr für die Lagerhaltung einkaufen, wie Janssen es vorschlägt, bedeutet aber, die Patienten nicht mehr zeitnah versorgen zu können. Denn auch der Großhandel war angesichts der drohenden Preissenkung wenig erpicht darauf, die Präparate in großem Stil an Lager zu halten. Der bekam zwar offenbar eine Erstattung – Janssen begründet das damit, dass Großhändler gesetzlich eine gewisse Vorratshaltung für den Hersteller übernehmen, um die Versorgung auf dem Markt sicherzustellen. Allerdings schien das Apothekern zufolge auch nur ein Abschlag gewesen zu sein.

Seinen Unmut über dieses Geschäftsgebaren hatte der Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitis-kompetenter Apotheken (DAH2KA), namentlich Magdalene Linz, Claudia Neuhaus, Reik Hofmann und Erik Tenberken, in einer Stellungnahme an die Mitglieder kundgetan.

„Menschenverachtender geht‘s ja wohl nicht!“ 

Dort heißt es, die Antwort der Janssen-Chefin Frau Dr. Zemzoum, man werde AMNOG-bedingte Preisanpassungen nicht erstatten, zeige deutlich, dass die apothekerliche Dienstleistung der Lagerhaltung und die zeitnahe Versorgung der Patienten von Janssen eindeutig als überflüssig eingestuft worden sei. So nehme Frau Dr. Zemzoum mit ihrem Vorschlag der Reduzierung auf null Packungen zum Stichtag Versorgungslücken der Patienten in Kauf. Mögliche Therapielücken inklusive. „Menschenverachtender geht‘s ja wohl nicht“! findet der DAH2KA-Vorstand. Und die Apotheken sollen das alles auffangen und bezahlen. Für die Patienten seien die Apotheken die Schuldigen, da diese die lebensnotwendigen Medikamente nicht vorrätig haben können.

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Was das Ganze in der Augen der DAH2KA noch perfider macht, ist, dass Janssen sich hohe Ziele setzt, die auf der Homepage zu lesen sind. Dort heißt es zum Beispiel: „Wir wollen mehr Menschen an mehr Orten auf der Welt Zugang verschaffen: zu unseren Medikamenten und zu nachhaltigen, effektiven Gesundheitslösungen.“ Aber wenn es um Geld gehe, das in diesem Fall den Apothekern abgepresst werde, sei das alles Makulatur, so die DAH2KA-Vortsände. „Hier geschieht genau das Gegenteil! Ethik, Menschlichkeit und partnerschaftliches Verhalten sehen eindeutig anders aus“, kritisieren sie. 

Apotheker überflüssig?

Weiter zitiert der DAH2KA-Vorstand ein Interview der Janssen-Chefin, das auf der Homepage zu finden ist. Dort sagt sie auf die Frage, warum ihr das Thema Patientenzentrierung wichtig ist: „Ich bin Ärztin. Und aus meiner Erfahrung als Ärztin weiß ich: Wenn wir alle – Gesundheitspolitiker, Krankenkassen, Ärzte, Kliniken und pharmazeutische Unternehmen – die Patienten-Perspektive einnehmen, können wir die medizinische Versorgung in Deutschland entscheidend verbessern. […]“

Deutlicher kann man in den Augen des DAH2KA-Vorstands einem Berufsstand nicht mitteilen, dass man ihn für überflüssig hält. Da sei die Abwälzung des Lagerwertverlustes von 1285 Euro pro Packung nur folgerichtig. Das beschönigten auch die hohlen Standardfloskeln des Antwortschreibens nicht

Von Apothekern wird Entgegenkommen erwartet

Jeder Apotheker möge nun für sich entscheiden, ob er das Risiko die entsprechenden Präparate vorrätig zu halten, finanzieren kann und will. Zudem raten die Vorstände den DAH2KA-Mitgliedern, um der Gefahr entgegenzuwirken, als Sündenbock dazustehen, die Gründe für die aufgezwungene neue Lagerhaltung offensiv an Patienten und Verordner / Ärzte kommunizieren.

Letztere hätten auch schon ihre Bereitschaft signalisiert, wenn es therapeutische gleichwertige Alternativen anderer Hersteller gibt, diese bevorzugt zu verordnen, erklären die DAH2KA-Vorstandsmitglieder Magdalene Linz und Erik Tenberken gegenüber DAZ.online. Denn sämtliche Mitbewerber von Janssen bekämen solche Preissenkungen seit Jahren ohne Probleme geregelt, ohne dass die Patienten das merkten. Beide sehen allerdings die Gefahr, dass, wenn Janssen damit durchkommt, das Beispiel Schule macht. Von daher wäre wünschenswert, wenn die Firma die Folgen ihrer Entscheidung bemerke.

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Verordnung möglich, aber noch keine Abrechung

Besonders ärgerlich finden Linz und Tenberken das Gebaren von Janssen vor dem Hintergrund, dass die Firma von den Apothekern bei Neueinführungen immer Entgegenkommen fordert. Es gebe nämlich oft einen zeitlichen Abstand zwischen der Auslieferung der Packungen und der Listung in der Lauer-Taxe. Das heißt, Apotheker können die Präparate zwar beziehen und abgeben, aber nicht abrechnen. Damit die Ärzte, bei denen natürlich fleißig geworben wird, sofort nach Einführung die neuen Mittel verschreiben können, werden Apotheker gebeten, diese an Lager zu legen und erst später abzurechnen. Was sie in der Regel bisher auch getan haben, schließlich wolle man die Patienten nicht warten lassen. Doch auch hier hätten Ärzte signalisiert unter diesen Umständen Janssen-Präparate nicht mehr vor der Listung im Artikelstamm zu verschreiben, so Linz.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

Wenn meine Apotheke mein Insulin nicht auf Lager hat...

von Dietmar am 31.08.2018 um 9:30 Uhr

dann bestellen Sie mein Insulin und ich kann es am Nachmittag abholen. Kann ich mir nicht vorstellen, dass die Pharma da kein Transporter Netwerk hat, bei mir klappts immer...

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Aufpassen?

von Wächter am 29.08.2018 um 13:27 Uhr

Ich verstehe den Terz nicht, unsere Kernkompetenz ist Kommunikation (zumindest schreiben wir uns das auf die Fahne)- in Zeiten von Internet und Telefon sollte es doch möglich sein, mit seinen Kunden in solchen Fällen zu kommunizieren und ihnen die Sachlage zu erklären, warum man das Präparat nicht an Lager hat. Kein Patient wird da ein Problem haben, folgende Vereinbarung zu treffen: Patient/Angehöriger ruft bei der Apo an, gibt Bescheid, dass er heute oder morgen ein Rp. beim Arzt holt, Apo bestellt, Patient kommt mit Rezept und muss nicht warten. Wo ist da die Schwierigkeit, wird in der Palliativ-Medizin genauso gemacht? Vielleicht sollte man auch solche Hochpreiser im Auge behalten, wenn man sie unbedingt an Lager legen muss und vor allem die gesundheitspolitischen Vorgänge darum. Dass der GBA das Ganze neu bewertet und dadurch das Risiko besteht, dass der Festbetrag sich ändert, ist ja nicht erst seit heute bekannt. Verlass dich nicht auf Andere und vor allem nicht darauf, dass sie zahlen.

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Lagerwertverluste

von Rita Längert am 29.08.2018 um 11:17 Uhr

bzw. die Enteignungen im 14 Tage-Turnus sind doch sicherlich im Gutachten mit berücksichtigt worden :)

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„Janssen findet zeitnahe Patienten-Versorgung überflüssig“

von Th. am 29.08.2018 um 11:05 Uhr

Das unmögliche Verhalten der Firma Janssen müssen wir ApothekerInnen unbedingt an Patienten und verschreibende Ärzte kommunizieren!
Gleichzeitig können wir die Bevorratung der OTC- Präparate der Firma Johnson & Johnson stark einschränken. Frau Dr. Iris Zemzoum ist schließlich Vorsitzende der Geschäftsführung der Janssen-Cilag GmbH und gleichzeitig Vorsitzende des Aufsichtsrates der Johnson & Johnson GmbH!
Vielleich wacht dann Janssen auf?

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AW: "Janssen findet zeitnahe Patienten-

von Wächter am 29.08.2018 um 13:35 Uhr

Das interessiert doch weder Arzt noch Patient. Was sollen sie auch machen? Das Medikament absetzen für die Apotheke? Was man an Lager legt, fällt irgendwo auch unter das Stichwort Eigenverantwortlichkeit, dafür steht das e in e.K. vielleicht auch ein bisschen? Ein bisschen weniger über die Unzuverlässigkeit Anderer jammern und die selbe Zeit stattdessen in sinnvolle Strategien zur Umgehung von Risiken zu nutzen, würde glaube ich Manchem mehr helfen.

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