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Versandapotheken
Die Rolle Frankreichs im EU-Versandhandel
Rabattschlacht vermeiden, Rx-Versand erhalten: Gelingt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Quadratur des Kreises? Immerhin hat er angekündigt, beim Deutschen Apothekertag seine Reformpläne für den Apothekenmarkt vorzustellen. Darin enthalten ist auch eine Lösung des Versandhandelskonflikts. Wer sich die Branche der Versender genauer ansieht, wird feststellen, dass die Warenströme nicht nur aus den Niederlanden kommen. Selbstzahler, aber auch GKV-Versicherte, bestellen teure Arzneimittel gerne in Frankreich.
Die Pharmacie Billmann im elsässischen Wissembourg und die Pharmacie de la Gare in Saint-Louis im Dreiländereck mit der Schweiz haben einiges gemeinsam: Sie liegen in unmittelbarer Nähe zur deutsch-französischen Grenze und sind eher klein und unscheinbar, vor allem was ihre Präsenz im Internet angeht. Über einen Online-Shop verfügen beide Apotheken nicht. Die Pharmacie Billmann hat noch nicht mal eine Homepage, dafür aber 21 – durchweg positive – Google-Rezensionen und eine Nutzerbewertung mit 4,7 von fünf möglichen Sternen.
Es scheint, als sei Marketing auch gar nicht nötig. In einschlägigen Foren und Communities für deutsche Patienten mit unerfülltem Kinderwunsch werden beide Apotheken unzählig oft genannt und hochgelobt. Nachvollziehbar ist, dass sich die Betroffenen nach preisgünstigen Alternativen umschauen, wenn ihre Krankenkassen für die Versuche nicht oder nur zum Teil bezahlen.
Mehrwertsteuer für Arzneimittel bei 2,1 bzw. 10 Prozent
Dabei kommt den französischen Apotheken zu Gute, dass ihr Staat für erstattungsfähige Arzneimittel eine verminderte Mehrwertsteuer von nur 2,1 Prozent erhebt und für die anderen 10 Prozent. In Deutschland gilt für Arzneimittel ausnahmslos der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Hinzu kommen bessere Einkaufskonditionen und eine fehlende Preisbindung, da sich ausländische Apotheken und Versender nicht an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung halten müssen.
Alles über den französischen Apothekenmarkt
So kostet eine Spritze Gonal F 900 I.E. in der Pharmacie de la Gare laut Homepage nur 336,10 Euro. Deutsche Apotheken müssen sich an die Lauer-Taxe halten, die für das Originalprodukt von Merck 537,26 Euro veranschlagt und den billigsten Reimport – wenn lieferbar – mit 474,39 Euro. 90 Kapseln Progestan 100 mg sind in Frankreich nur halb so teuer wie in Deutschland (14,41 Euro zu 29,04 Euro bzw. 27,06 Euro). Erstaunlich ist auch der Preis für sieben Ampullen Decapeptyl. Diese würden in Deutschland 110,74 Euro kosten. Bei Pharmacie de la Gare gibt es sie für 40,62 Euro.
Aus den Unterhaltungen der
Patienten wird deutlich: Die beiden Apotheken versenden teure, zum Teil kühlpflichtige
Arzneimittel nach Deutschland und das
wahrscheinlich im großen Stil. Offiziell
bewirbt dies niemand – aus gutem Grund, denn der Rx-Versand aus Frankreich ist
„eindeutig illegal, aber es scheint niemanden zu interessieren“, stellt der ehemalige
Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Prof.
Dr. Harald Schweim, fest. Zur Erklärung: Frankreichs Regierung steht dem Versandhandel traditionell kritisch gegenüber. Das Land war auch eines der letzten, das den OTC-Versand in Grenzen überhaupt zuließ. Der Rx-Versand ist weiterhin strikt verboten.
Auch die gesetzlichen Krankenkassen unterstützen offenbar ihre Versicherten bei der Bestellung und übernehmen – nach Abzug einer Verwaltungsgebühr – die Kosten für die Arzneimittel aus dem französischen Versandhandel.
Länderliste ohne Wirkung
Nun ist das Mehrwertsteuergefälle zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern – vor allem bei Arzneimitteln – seit Jahren bekannt. Auch die Tatsache, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung gegen das Unionsrecht verstößt und auf europäischer Ebene nicht gilt, wurde durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Oktober 2016 entschieden. Legitim ist auch und in manchen Fällen durchaus notwendig (Urlaub, Durchreise, etc.), dass deutsche Patienten, die mit einer ärztlichen Verordnung eine französische Apotheke aufsuchen, ihre Arzneimittel ausgehändigt bekommen.
Problematisch könnte es aber werden, wenn kleine Apotheken hinter der Grenze anfangen, groß zu denken und im Rahmen des Versandhandels an Bedeutung und Marktanteilen gewinnen. Die Standesvertretung der Apotheker weist seit dem EuGH-Urteil daher auf das drohende Szenario hin, deutsche Vor-Ort-Apotheken würden durch den zunehmenden Versandhandel aus dem EU-Ausland wirtschaftlich gefährdet. Der Lösungsvorschlag, der es bis in den aktuellen Koalitionsvertrag geschafft hatte, lautet bekanntlich, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten.
Spahn zweifelt am Rx-Versandverbot
Das sieht Jens Spahn allerdings kritisch. Er zweifelt – im Gegensatz zu einigen Rechtsexperten und Gesundheitsökonomen – an der juristischen Machbarkeit des Rx-Versandverbots. In einer Facebook-Live-Diskussion sagte er im Mai: „Das steht im Koalitionsvertrag. Und so wie es vereinbart ist, werden wir uns auch anschauen, ob und wie das europarechtlich umzusetzen ist.“
Prof. Harald Schweim hält dagegen, dass die rechtlichen Grundlagen für den grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel ohnehin schwach sind. „Man muss die Krankenkassen, den deutschen und den niederländischen Gesetzgeber nur dazu bringen, die geltenden Rechtsvorschriften anzuwenden“, erläuterte er in seinem DAZ-Beitrag vom Januar 2017.
Eigentlich steht Frankreich nicht auf der Länderliste
Vor allem existiere mit der sogenannten Länderliste eine ministerielle Bekanntmachung, die besagt, dass ein Arzneimittelversandhandel nur aus Island, den Niederlanden, Schweden, Tschechien und dem Vereinigten Königreich nach Deutschland erlaubt sei, da in diesen Staaten vergleichbare Standards herrschten.
Das Bundesgesundheitsministerium antwortet auf Anfragen zum Rx-Versandverbot stets vage und weist auf den Meinungsbildungsprozess hin. Im Hinblick auf die Länderliste scheint aber so langsam Bewegung in die Sache zu kommen: „In den Meinungsbildungsprozess der Bundesregierung über die Art der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln werden auch Überlegungen zu gesetzlichen Anforderungen an Versandapotheken einbezogen. Dabei wird auch der Stellenwert der Länderliste zu prüfen sein“, so ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der DAZ.
4 Kommentare
Solange ungewollte Kinderlosigkeit mein privatvergnügen ist..
von D. R. am 23.11.2019 um 17:28 Uhr
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Arzneimittelgerechtigkeit auf Europäischer Ebene?
von Heiko Barz am 06.09.2018 um 12:21 Uhr
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Och
von Christiane Patzelt am 05.09.2018 um 12:23 Uhr
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AW: Ja aber ...
von Thorsten Dunckel am 05.09.2018 um 19:26 Uhr
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