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Elegantes Testmodell
Zebrafischlarven finden spezifische Appetitzügler
Verfahren zum Wirkstoff-Screening, mit denen in kürzester Zeit tausende von Substanzen entweder „ins Töpfchen“ oder „ins Kröpfchen“ kommen, sind in der modernen Arzneimittelforschung unverzichtbar. Forscher der Universität Zürich und der amerikanischen Harvard University haben eine ganz besondere Strategie dafür entwickelt. Sie nutzen das Verhalten von Zebrafischlarven für die Suche nach spezifischeren psychoaktiven Medikamenten und haben Erfolg damit.
Viele zentral wirksame Arzneimittel, die das Essverhalten beeinflussen, haben unerwünschte Nebeneffekte. Der Appetitzügler Rimonabant musste sogar vom Markt genommen werden, weil seine Einnahme Angstzustände und Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken auslöste. Angesichts der Komplexität der Hirnstrukturen stellt Josua Jordi, Forscher am Institut für Veterinärphysiologie der Universität Zürich (UZH) sich die Frage, ob es überhaupt Wirkstoffe gibt, die dort nur ein ganz spezifisches Verhalten auslösen. Nun hat er in Zusammenarbeit mit US-Kollegen von der Harvard University ein neuartiges Testsystem für psychoaktive Substanzen entwickelt, mit dem man entsprechende Wirkstoffkandidaten elegant herausfiltern könnte. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in dem Journal „Science Advances“ publiziert.
Lebende Messinstrumente
Das neue Verfahren ist kein „herkömmlicher“ biochemischer Test. Es setzt stattdessen die Larven von Zebrafischen ein. Der Name lautet eigentlich Zebrabärbling, aber wegen des englischen Namens „zebrafish“ werden sie vor allem im Laborjargon oft Zebrafische bezeichnet. Der besondere Vorteil der etwa 4 Millimeter „kleinen“ Tiere liege darin, dass sie schnell in großen Mengen gezüchtet werden können, sagen die Forscher. Außerdem seien sie biologisch gut charakterisiert. Bei dem Test wird das Verhalten von mehreren tausend Larven mit Hilfe eins automatisierten Messverfahrens gleichzeitig analysiert. Die Wissenschaftler beschreiben das so: Um das Fressverhalten zu quantifizieren, werden die Tiere zum Beispiel mit fluoreszierenden Pantoffeltierchen gefüttert. Je mehr Fluoreszenzfarbstoff in den Magen der Larven gelangt, umso größer war offenbar ihr Appetit. Ähnliche Methoden entwickelten sie für eine Reihe weiterer Verhaltensweisen, wie etwa die Reaktion auf Licht und Töne oder einfache Lernaufgaben. Über Experimente mit bereits bekannten Wirkstoffen konnten sie bestätigten, dass das System wirklich funktioniert. Nikotin zum Beispiel verminderte den Appetit der Larven und erhöhte gleichzeitig ihre Aktivität, ein Effekt, der sich auch beim Menschen zeigt
„Auf Anhieb wunderbar funktioniert“
In einem umfassenden Screening von mehr als 10.000 kleinen Molekülen machten sich die Forscher dann im nächsten Schritt auf die Suche nach geeigneten Appetitmodulatoren. Sie fanden zwar mehr als 500 Substanzen, die den Appetit der Larven in dem Testmodell entweder anregten oder hemmten, aber nur etwa die Hälfte davon wirkte spezifisch. Die andere Hälfte löste gleichzeitig weitere Verhaltensänderungen aus. Auch für dieses Problem bietet das Verfahren eine Lösung. „Durch die parallele Analyse mehrerer Verhaltensweisen konnten wir schon im ersten Schritt eine große Anzahl unspezifisch wirkender Substanzen aussortierten“, erklärt Studien-Erstautor Josua Jordi und fügt hinzu: „Zu unserer großen Zufriedenheit hat der Ansatz gleich auf Anhieb wunderbar funktioniert.“
Neue molekulare Mechanismen: Kein Eingriff in bekannte Systeme
Bei der Analyse der Wirkmechanismen der 22 vielversprechendsten Kandidaten fanden die Wissenschaftler heraus, dass einige dieser Stoffe die Aktivität zentraler Botenstoffe im Gehirn, wie etwa von Serotonin oder Histamin beeinflussten, ein gängiger Mechanismus vieler bereits bekannter Appetitmodulatoren. „Die wichtigste Erkenntnis war jedoch, dass die meisten Substanzen in keines dieser bekannten Systeme eingriffen“, hebt Florian Engert, Letztautor der Studie und Professor an der Harvard University, hervor. Dies deutet nach den Schlussfolgerungen des Teams auf neue molekulare Mechanismen zur Regulierung des Appetites hin.
Um zu verifizieren, ob die vielversprechendsten Appetithemmer nicht nur bei Fischen, sondern auch in höheren Lebewesen funktionieren, testeten UZH-Professor Thomas Lutz und sein Team am Institut für Veterinärphysiologie sie auch an Mäusen. Tatsächlich beobachteten sie den gleichen Effekt auf das Fressverhalten der Versuchstiere, und auch bei diesen wirkten sie selektiver als bekannte Appetitmodulatoren
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Vielerlei Anwendungen denkbar
Josua Jordi will nun herausfinden, ob sich diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen: „Soweit wir wissen, gibt es bis jetzt keine ähnlichen psychoaktiven Moleküle, die so stark und spezifisch wirken wie unsere Kandidaten.“ Dabei soll es aber nicht bleiben. Jordi hofft, dass das Testmodell die Tür für eine ganze Reihe von klinischen Anwendungen, etwa zur Therapie von Fettleibigkeit oder Magersucht öffnen könnte. Außerdem wollen die Wissenschaftler das Zebrafisch-Verfahren auch dazu verwenden, um die Suche nach weiteren psychoaktiven Substanzen wie Antidepressiva zu optimieren.
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