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Es war ein Jahr voller Frust für uns Apothekers. Die ABDA schweigt zum Apothekerhonorar und zum Gutachten, setzt nur aufs Rx-Versandhandelsverbot, entwickelt keine Alternativkonzepte und vergisst die Digitalisierung. Spahn hält nichts vom Rx-Versandhandelsverbot, knallt uns Apothekers sein Lösungspaket auf den Tisch, und wir sollen es schnellstmöglich akzeptieren. Ganz oder gar nicht. Ob es umsetzbar sind, steht in den Sternen. Es war ein Jahr, von dem wir Apothekers viel erwarteten, aber maßlos enttäuscht wurden.
Januar und Februar 2018
Januar 2018
Der ABDA-Präsident Anfang des Jahres in einem PZ-Interview auf die Frage, was er sich von 2018 verspricht: „Angesichts der schwierigen aktuellen Situation erwarte ich für 2018 nicht allzu viel…“. Mein liebes Tagebuch, er sollte Recht behalten. Die ABDA ging voran – mit Schweigen, nichts als Schweigen. Die Schweigestrategie der ABDA zum 2hm-Honorargutachten, vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben,hielt sie nahezu das gesamte Jahr hindurch aufrecht. Das Gutachten habe derart viele falsche Prämissen, die unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen führten. Dies könne keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung sein. Mein liebes Tagebuch, das Papier ist zwar Schrott, aber eine Strategie des Totschweigens kann nicht aufgehen.
Und während andere Branchen landauf, landab im Digitalisierungs-Hype sind, fristet die digitale Revolution bei der ABDA eher ein Nischen-Dasein. Man unterzeichnet zwar eine Absichtserklärung, einen „Letter of Intent“, mit den Berufsverbänden der Ärzte und der Zahnärzte, um deutlich zu machen, wo’s da lang gehen soll, aber dann passiert nicht mehr viel. Doch, bei den Ärzten. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg erlaubt die Fernbehandlung im Modellversuch. Bei uns Apothekers sieht Digitales so aus: Wir hängen den ersten digitalen Rezept-Briefkasten auf.
Februar 2018
Es hagelt von vielen Seiten Kritik für die ABDA wegen der Schweigestrategie zum Honorargutachten und wegen des passiven Kommunikationsverhaltens. Doch die ABDA ist für andere Argumente nicht zugänglich. Und schon bald muss unsere liebe Standesvertretung feststellen, dass sich das Gutachten nicht in Luft auflöst, es liegt auf den Tischen des Wirtschafts- und Gesundheitsministeriums, es liegt obenauf in den Regierungen der Länder, die Gesundheitspolitiker aller Parteien haben es in ihrer Schublade, auch die Krankenkassen haben es nicht in den Schredder geworfen.
Das Mega-Thema in diesem Jahr: das Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx). Im Februar rückt es fast in greifbare Nähe, manche sprechen sogar von einem „Feiertag“ für Apotheker. Als nämlich mit dem neuen Koalitionsvertrag bekannt wird, dass das Bundesgesundheitsministerium an die CDU gehen soll und dass sich die Koalition fürs Rx-Versandverbot einsetzen will, ist das Aufatmen groß. Dieser Kernsatz im Koalitionspapier geht doch runter wie Öl: „Wir stärken die Apotheke vor Ort: Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“ Was gibt es Schöneres! Auf dem Papier. Noch-Bundesgesundheitsminister Gröhe macht sogar noch Hoffnung: Er wirbt dafür, dass er das Rx-Versandverbot in den Koalitionsvertrag gebracht hat. Doch die Menschen draußen in der realen und virtuellen Welt verstehen das leider nicht – hat ihnen wohl auch niemand so richtig erklärt, warum das gut sein soll.
Und dann der Knaller Ende Februar: Jens Spahn wird Gesundheitsminister der neuen Groko. Was Apothekers ihm mit auf den Weg geben: Die Apotheken sind vor Ort und digital, und Päckchen verschicken hat nichts mit Digitalisierung zu tun. Und alles Weitere steht ja schon im Koalitionsvertrag.
März und April 2018
März 2018
Verbandschef Fritz Becker macht derweil deutlich: „Wir brauchen den Versandhandel nicht, um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen“, denn man habe Rezeptsammelstellen, man fange jetzt zudem mit digitalen Rezeptsammelstellen an, und man habe die Botendienste. Und überhaupt, mit dem OTC-Versand hätten die Apotheken ihren Frieden gemacht, und beim Rx-Versandverbot gehe es in erster Linie um die Gleichpreisigkeit. Einfache Botschaften, man sollte sie mal mit Herrn Spahn besprechen.
Die Opposition macht schon bald deutlich, dass sie von einem Rx-Versandverbot wenig bis nichts hält. Die Grünen lehnen es ab, die SPD liebt es ebenfalls nicht, will es aber nicht blockieren. So richtig fest an unserer Seite scheint nur noch die Union zu stehen. Doch schon im März fragen Gesundheitspolitiker aller Parteien, ob es richtig ist, dass sich die ABDA aufs Rx-Versandverbot fixiert. Vielleicht sollten die Apotheker auch mal an Alternativen denken, Doch davon will die ABDA nichts wissen.
Immer häufiger blitzt Skepsis in den Äußerungen der Gesundheitspolitiker zum Rx-Versandverbot auf: Es steht zwar im Koalitionsvertrag und der CDU ist es durchaus ernst damit. Nur, mein liebes Tagebuch, so gaaaaanz oberste Priorität scheint das Thema nun auch nicht zu haben. CDU-Gesundheitspolitikerin Maag meint, ein Entwurf zu einem Verbot sei „im Herbst dieses Jahres wahrscheinlich“. Mein liebes Tagebuch, Politikerworte! Unterstützung kommt von der bayerischen Gesundheitsministerin Melani Huml. Sie ist ist eine Verfechterin des Rx-Versandverbots.
Anders sieht es auf oberster Ebene aus. Das Bundesgesundheitsministerium lässt wissen: Der Meinungsbildungsprozess über die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zu Rx-Versandverbot sei noch nicht abgeschlossen. Mein liebes Tagebuch, unglaublich!
Und zum Honorargutachten: Die ABDA schweigt noch immer. ABDA-Präsident Schmidt rechtfertigt das große Schweigen: Er sei einfach davon überzeugt, es sei besser, öffentlich nicht darüber zu reden. Nach wie vor gibt’s auch keine Antwort auf die Frage, wie denn das Apothekenhonorar der Zukunft aussehen soll? An dieser Frage arbeitet zwar bereits seit Jahren die Arbeitsgemeinschaft Honorar der ABDA, sichtlich ergebnislos.
April 2018
Erste Äußerungen vom neuen Gesundheitsminister Spahn im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum Rx-Versandverbot: Mein liebes Tagebuch, man muss genau zuhören und schon weiß man, was er von seiner Realisierbarkeit hält: Nichts, aber auch gar nichts. Er will eigentlich gar nicht. Da ist kein Funken von Zuversicht und Begeisterung zu spüren, wie wir sie von seinem Vorgänger bei diesem Thema kennen. Spahn will den Versandhandel. Und schon im April bereitet er den Weg vor, den er gehen möchte: Das eigentliche Problem im Apothekenmarkt sehe er in der Honorierung, die Honorarstruktur sei „reformbedürftig“, meint er und er wolle zeitnah mit den Apothekern darüber sprechen – er erwarte Antworten und Vorschläge zum Honorar-Thema. Es ist eine Einladung an die ABDA, endlich ihre Vorstellungen zusammenzutragen und anzubieten. Es hätten die Vorstellungen sein können, die wohl die ABDA-Honorartruppe hätte erarbeiten sollen – aber da war nichts.
Und aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums ist immer wieder zu hören: Das Versandverbot hat keine Priorität. Mein liebes Tagebuch, während wir warten und warten und warten, pflastern ausländische Versender die Werbewände mit Plakaten zu, die weismachen wollen, dass Rezepte am besten in die Niederlande sollen, und werfen mit Rabatten für Rezepte um sich.
Und immer offener ist von Gesundheitspolitikern, auch von denen der CDU, zu hören: Es wird nichts mit dem Rx-Versandverbot.
Mai und Juni 2018
Mai 2018
Unsere ABDA bleibt dabei: Sie hat sich an der Forderung nach einem RX-Versandverbot festgebissen. Zum Rx-Versandverbot gebe es keine Alternative, ist unsere Standesführung überzeugt und sie betet dieses Credo herunter wie eine tibetanische Gebetsmühle. Ohne Rx-Versandverbot, so kommt es mittlerweile über, wird es keine Zukunft der Apotheke mehr geben. Wirklich, mein liebes Tagebuch? Ist das so? Haben wir Forderungen in der Schublade, wie unseren Apotheken geholfen werden kann? Sollten wir für die Zukunft stärker auf Zusatzhonorare setzen? Oder auf Fondslösungen? Oder über ganz andere Lösungen nachdenken? Mein liebes Tagebuch, kein Unternehmen der Wirtschaft würde nur auf eine einzige Strategie setzen…
Apotheker Christian Redmann beispielsweise will sich nicht auf die ABDA-Strategie verlassen, er setzt sich mit seiner Petition „Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel – Stellungnahme zum Koalitionsvertrag“ selbst dafür ein, dass das Rx-Versandverbot erhalten bleiben muss.
CDU-Gesundheitspolitiker versuchen es mit einem Appell in Richtung Spahn, das Rx-Versandverbot nicht auszusitzen – der Appell bleibt wirkungslos. Derweil bekräftig die „liebe“ FDP, dass sie Apothekenketten will, die Apothekenliberalisierung. Und gegen das Rx-Versandverbot ist sie sowieso.
Der Glaube der ABDA bleibt unerschütterlich. Auf dem Pharmacon in Meran tönt der Präsident der Bundesapothekerkammer: „Die Große Koalition wird alles dafür tun, das Rx-Versandverbot umzusetzen“, ist sich Andreas Kiefer noch im Mai ganz sicher, „ich bin nach wie vor der Meinung, wir setzen uns mit unseren Argumenten durch.“
In der Digitalisierung gehen die Ärzte voran: Sie wollen die Telemedizin und Online-Rezepte, aber so richtig und mit voller Wucht. Und die ABDA, hat sie die Digitalisierung „vergessen“? Oder schaut sie einfach nur weg, wenn in Baden-Württemberg bereits ein Versorgungsmodell Teleclinic anläuft, bei dem Privatversicherte bereits ein Online-Rezept erhalten?
Juni 2018
Immer wieder kommt es hoch, das vermaledeite Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zur Apothekenhonorierung. Dieses Mal holen es die Krankenkassen aus der Schublade. Eine Milliarde Euro – so viel will der GKV-Spitzenverband am Apothekenhonorar sparen mit Hinweis auf das Gutachten. Mein liebes Tagebuch, mit solchen Einsparungen würde man den Apothekenmarkt aber so was von leerfegen – damit gäbe es keine flächendeckende Versorgung mehr.
Da die ABDA im Juni immer noch zum Gutachten schweigt, wagt die Kammer Schleswig-Holstein sogar eine Resolution gegen das Schweigen der ABDA zu verabschieden. Schweigen im Gesundheitswesen sei noch nie eine erfolgreiche Strategie gewesen, heißt es. Wie wahr! Und zur Digitalisierung mahnen mittlerweile sogar Gesundheitspolitiker Vorschläge von der ABDA an. Bayerns Gesundheitsministerin Huml erwartet von den Apothekern Vorschläge, wie man die Apotheker in der Telemedizin beteiligen kann. Aber, mein liebes Tagebuch, von dieser unserer derzeitigen Führung kann sie leider nichts erwarten.
Die ABDA denkt da lieber darüber nach, wie sie mehr Geld – insgesamt 560.000 Euro mehr – für ihren Haushalt von den Kammern und Verbänden bekommt. An der Basis und in einigen Kammerversammlungen wird das nur mit Staunen, Kopfschütteln und Protest quittiert.
Das große Treffen von Spahn und ABDA: Beide Parteien haben Stillschweigen vereinbart. Gemunkelt wird von großen Deals darüber, wie es mit den Apothekern weitergehen soll. Vermutet wird, dass Spahn die Apotheker-Spitze schon darauf vorbereitet hat, dass es mit einem Rx-Versandverbot wohl nichts wird. Mitte Juni, Spahn auf Facebook: Man erfährt, dass er bis zum Deutschen Apothekertag ein „Gesamtpaket“ vorstellen will, ein Paket mit einer Reform für die PTA-Ausbildung, fürs Apothekenhonorar und eine Regelung zum Versandhandels-Konflikt. Oh, sollte sich da doch noch etwas bewegen? Das motiviert sogar die ABDA, Verständnis für die Unruhe an der Basis zu zeigen und ein Signal zu senden, eine Lösung des Versandhandelskonflikts könne in den nächsten Monaten (!) präsentiert werden, gemeinsam mit dem BMG. Na, mein liebes Tagebuch, sollte die ABDA zur Besinnung gekommen sein?
Auch in Sachen Digitalisierung. Völlig überraschend, wie aus heiterem Himmel schickt die ABDA ein Zeichen: Wir haben verstanden! Wir arbeiten an einem großen Telemedizin-Projekt mit dem Ziel das E-Rezept zu nutzen. Potzblitz, mein liebes Tagebuch, welch eine Meldung. War die ABDA aufgewacht?
Juli und August 2018
Juli 2018
Die Bayern haben die Ruhe weg. Es genügt ihnen, wenn ihr Verbandsvorsitzender das Stillhalteabkommen mit dem Bundesgesundheitsminister mit den Worten kommentiert: „Wäre die Entwicklung für die Apotheker bedrohlich, würden wir sicher nicht ruhig bleiben.“ Und er appelliert an seine Verbandsmitglieder, mehr Vertrauen in die Verbandsspitze zu haben, denn „es besteht keine alarmistische Stimmung“. Mein liebes Tagebuch, das nennt man bayerische Gemütlichkeit – oben brennt das Dach und nach unten meldet man: Schön, dass es so kuschelig warm ist.
Im Juli geht’s los: Unsere ABDA legt den digitalen Turbogang ein. Oder tut zumindest so. Der ABDA-Präsident überrascht mit einem Übergangsprojekt, mit dem man dem offiziellen E-Rezept zuvorkommen möchte („wir wollen schnell sein damit… wir streben die inhaltliche Führerschaft an“). Und schwupps antichambriert die ABDA sogar schon mit einer Projektskizze beim Bundesgesundheitsministerium, wie man sich ein E-Rezept vorstellen und es einführen könnte.
Eine neue Sprachregelung im Rx-Versandverbotskonflikt: Da es sich immer stärker abzeichnet, dass es mit dem Rx-Versandverbot nichts wird, kann sich die CDU auch mit „wirkungsgleiche Regelungen“ abfinden. Derweil rückt Spahn immer weiter weg vom Rx-Versandverbot. In einem Interview mit der Apotheken-Umschau sagt er, dass ein Versandverbot nicht die oberste Priorität für ihn habe. Er möchte lieber „alles versuchen, um einen fairen Wettbewerb herzustellen“.
August 2018
Es verdichtet sich: Das E-Rezept kommt, sagt unsere ABDA, Ende Juni 2020 soll’s schon da sein. Zuvor müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten geregelt werden. Beispielsweise müssen die Ärzte von unserem E-Rezept überzeugt werden. Und die Krankenkassen. Und die Politik muss im Zeitplan mitspielen. Dann muss bis dahin die Infrastruktur stehen, ein paar Server müssen eingerichtet und vielleicht noch ein paar Apps programmiert werden. Und alles muss zur offiziellen Telematikinfrastruktur, der gesetzlich vorgegebenen Datenautobahn für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, passen. Und vor allem, alle Marktbeteiligten sollten dann schon akzeptieren, dass ein E-Rezept so aussieht, wie wir uns das vorstellen, nämlich: Die freie Apothekenwahl muss erhalten bleiben. Alles super ambitioniert, mein liebes Tagebuch, ABDA goes digital.
Die baden-württembergischen Ärzte gehen derweil voran und testen die Telemedizin, die tapferen Apothekers im Land machen mit und bieten das passende E-Rezept an.
September und Oktober 2018
September 2018
Im Herbst dämmert es auch den Letzten, die bisher guten Mutes waren: Die Politik ist weiter denn je davon entfernt, ein Rx-Versandverbot anzustreben. Aus dem BMG ist zu hören, man befinde sich noch immer im Meinungsbildungsprozess. Beim Rx-Versandverbot will er derzeit nicht aktiv werden, sagt unser Bundesgesundheitsminister.
Oktober 2018
Der Apothekertag steht bevor, Krisensitzung des ABDA-Gesamtvorstands im Vorfeld. Wie soll es nun im Rx-Versandhandelskonflikt weitergehen? Für welche Richtung soll sich die ABDA stark machen? Festkleben am Rx-Versandverbot? Oder darf auch schon mal an Alternativen gedacht werden? Mein liebes Tagebuch, es darf, zumindest ein bisschen. Na, immerhin traut man sich mal daran zu denken, dass es nicht so kommen könnte, wie man es sich wünscht. Aber andererseits bleibt die ABDA-Hauptlinie nach wie vor bestehen: die Herstellung der Gleichpreisigkeit, der einheitliche Abgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (ist noch immer die gültige Beschlusslage bei der ABDA) – und das geht aus Sicht der Standesvertretung nun mal am besten mit dem Rx-Versandverbot. Und dennoch hört man die kritischen Stimmen, die zu bedenken geben, dass die Chancen für dieses Versandverbot in der Tat schlecht stehen, politisch wie juristisch. Die überwiegende Mehrheit der Kammer- und Verbandsvorstände spricht sich dann in einer geheimen, schriftlichen Abstimmung dafür aus, auf ein Rx-Versandverbot zu verzichten.
Auf der Pressekonferenz zum Apothekertag räumt die ABDA nun offen ein, dass ihre Hauptforderung – die Umsetzung des Rx-Versandverbots – wohl nicht Wirklichkeit wird. Dennoch klebt man natürlich an der offiziellen Forderung, dass das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag „politisch adressiert“ werde, wolle sich aber zugleich auf Alternativvorschläge einstellen.
Der Apothekertag: Leider „vergisst“ Schmidt, über ein Rx-Versandverbot zu sprechen, das die ABDA doch so vehement von Spahn einfordert (der Minister war bei Schmidts Rede im Saal zugegen!). Auch andere Forderungen, beispielsweise nach Honorierung von Dienstleistungen oder Honoraranpassungen erwähnt Schmidt mit keiner Silbe.
Und dann kommt Spahn – aber außer seinen warmen Worten hat er nichts dabei. Lasst uns reden, diskutieren wir miteinander, ruft er den Pharmazeuten grinsend zu. Denn: „Ich debattiere gern, deswegen bringe ich Ihnen heute auch kein fertiges Konzept mit.“ Ach so, mein liebes Tagebuch, und wir dachten, er schafft Klarheit, wie es mit dem Rx-Versandverbot weitergeht, was man anstatt machen könnte und wie es mit der Honorarfrage aussieht.
ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz spricht dann noch viel von Gleichpreisigkeit und der ABDA-Präsident schwört die Hauptversammlung erneut aufs Versandverbot ein, man glaubt es kaum.
Das Fazit des Apothekertags: Spahn will das Rx-Versandverbot nicht, präsentiert aber auch keine Alternativvorschläge. Und die ABDA hat auch keine – zumindest offiziell nicht. Und vermutlich auch nicht wirklich inoffiziell. ABDA-Präsident Schmidt resigniserend: „Im kommenden Jahr werden wirklich große Veränderungen auf uns zukommen.“ Und er räumt ein, dass „wir mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiterkommen“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, letztlich auch ein Eingeständnis, dass die Schweigestrategie nichts brachte, dass das eiserne Beharren auf dem Rx-Versandverbot mit Spahn sichtlich nicht zu machen ist und überhaupt die Erkenntnis: „Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf.“
Apothekers „Gedenktag“: der 19. Oktober. Vor zwei Jahren verkündete der Europäische Gerichtshof sein Urteil zur Aufhebung der Rx-Preisbindung und zementierte damit den unfairen Wettbewerb zwischen deutschen Vor-Ort-Apotheken und ausländischen Versendern.
November und Dezember 2018
November 2018
Gegen Ende des Jahres reift mit jedem Tag die Erkenntnis: Das Rx-Versandverbot kommt nicht mehr. Spahns Credo: Versandverbote passen nicht in die Zeit. Endlich fängt unsere oberste Spitze ganz offiziell an, darüber nachzudenken, welche Alternativen, welche Substitute es noch geben könnte. Die Suche nach einem Ersatz läuft an, an dessen Ende ein Verlustausgleich für uns Apothekers, sprich Geld, steht. Also, ganz offiziell: Man darf, auch bei der ABDA, über einen Plan B statt eines Rx-Versandverbots diskutieren, aber nicht zu laut. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigt sich auf Kammerversammlungen, die er besucht, offen dafür. Selbst wenn die eine oder andere Kammer (z. B. Nordrhein und Hessen) noch immer mit einer Resolution am Rx-Versandverbot klebt. Sie sollten Schmidt zuhören, der fragt: Löst ein Beharren auf dem Versandverbot unsere Probleme? Tut es natürlich nicht, mein liebes Tagebuch. Denn der unfaire Wettbewerb mit den ausländischen Versendern ist nur eine der vielen Widrigkeiten, denen wir uns gegenübersehen, als da sind: fehlende Anpassung unseres Honorars, ausstehende Einbindung der Apotheker in honorierte Präventionsleistungen, die honorierte Weiterentwicklung unserer beruflichen Tätigkeiten, die Überbürokratisierung. Außerdem stehen Telemedizin und das E-Rezept vor der Tür. Und auf allen Kammerversammlungen wird fleißig nach Lösungen gesucht, wie man Gleichpreisigkeit oder einen Ausgleich herstellen könnte.
Ende November ist es soweit: das Ende des Schweigens. Die ABDA spricht wieder mit Apothekern: Wir haben Fehler gemacht, das Apothekerhonorar und die Digitalisierung vernachlässigt. Und: Schminkt Euch das Rx-Versandverbot ab, es ist nicht mehr realistisch, wir setzen auf Dienstleistungshonorare oder ein ganz neues Maßnahmenpaket. Auf der Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe sagt ABDA-Präsident Schmidt selbstkritisch: „Wenn man eine Umfrage unter den Verbänden machen würde, bekämen wir sicherlich den Preis der verschlossenen Auster.“ Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen. Ja, und dann das Eingeständnis: Es war ein Fehler, sich in den letzten Monaten nur aufs Rx-Versandhandelsverbot zu konzentrieren. Das Apothekenhonorar, die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, die Digitalisierung seien dadurch hinten runtergefallen. Und Desillusionierung beim Fixhonorar: Derzeit gibt’s keine Chance auf eine Erhöhung, deswegen wolle man die Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen zusätzlich zum Fixum. Drei Lösungsansätze sieht er am politischen Himmel, nämlich den Versand zu regulieren, ohne ihn zu verbieten oder die Folgen des Versands zu kompensieren oder Türen zu öffnen, die in eine bessere Zukunft führen. Und was heißt das nun genau? Vermutlich wird es wohl auf irgendetwas in Richtung zusätzliche Honorierung, wie auch immer hinauslaufen. Der Festzuschlag pro Packung soll bleiben, er wird aber auch nicht mehr, das machen die Politiker nicht mit. Zusätzlich wolle man sich für neue Dienstleistungshonorare einsetzen.
Ein Überraschungs-Coup des Bundesgesundheitsministers: Spahn kündigt an, höchstpersönlich zur ABDA-Mitgliederversammlung am 11.Dezember kommen zu wollen.
Dezember 2018
Apothekers digitale Aktivitäten sehen derzeit so aus, dass weiterhin elektronische Briefkästen als Rezeptsammelstellen aufgehängt werden. Mein liebes Tagebuch, schön, aber leider schon von gestern. Wenn man richtig in die Zukunft denkt, werden sie nichts bringen, wenn das E-Rezept da ist. Dann gibt’s Terminals, in die der Patient seine E-Card mit dem gespeicherten E-Rezept steckt oder – noch bequemer – er hat ein Lesegerät zu Hause, steckt dort seine Karte rein und kann sein E-Rezept an jede Apotheke schicken, die er möchte.
Der 11. Dezember, ein Tag, der Hoffnungen wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lässt. Spahn besucht die ABDA-Mitgliederversammlung und bringt seine Vorschläge zur Lösung des Versandhandelskonflikts mit, Vorschläge, die nicht mit seinem Ministerium abgestimmt sind: Kein Rx-Versandverbot, keine Gleichpreisigkeit. Die ausländischen Versender dürfen weiterhin Rabatte auf Rx-Arzneimittel geben. Die Rabatte sollen allerdings auf 2,50 Euro gedeckelt werden. Für diese Kröte sollen die Apotheker Extra-Honorare bekommen, insgesamt in Höhe von 375 Mio. Euro, z. B. für eine verdoppelte Notdienstpauschale und Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen u.a. Mein liebes Tagebuch, ein vergiftetes Angebot mit vielen Unbekannten. Wie und ob die Boni-Deckelung für die ausländischen Versender EU-rechtlich überhaupt machbar ist, hat Spahn nicht verraten. Und ob die Millionen Euro für die neuen Honorare die politischen Hürden nehmen, ist vollkommen offen. Das einzige, was die Apothekers mit diesem Angebot wissen: Es gibt kein Rx-Versandverbot und keine Gleichpreisigkeit. Skepsis und große Bedenken an der Basis, aber auch in Kammern und Verbänden. Soll man dazu Ja sagen, ist das Angebot besser als nichts? Oder lassen wir uns damit all unsere Glaubwürdigkeit, unsere Ziele, für die wir zwei Jahre gekämpft haben, abkaufen? Und was wäre die Alternative, wenn wir dazu Nein sagen? ABDA-Präsident Schmidt meinte: „Das Angebot auszuschlagen, wäre aus meiner Sicht nicht zu verantworten.“ Am 17. Januar will sich die ABDA-Mitgliederversammlung entscheiden, wie sie mit dem Angebot umgehen wird.
Prost Neujahr, mein liebes Tagebuch, wir wünschen allen unseren Lesern und Kommentatoren ein erfolgreiches 2019. Und lasst uns genau hinschauen, in der Krise stecken Chancen.
11 Kommentare
SS
von Conny am 31.12.2018 um 12:27 Uhr
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@ Kirk und @ Herzog
von Thesing-Bleck am 31.12.2018 um 9:20 Uhr
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Gestaltet werden?
von Reinhard Rodiger am 30.12.2018 um 17:47 Uhr
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2019 - Denkstoff
von Reinhard Herzog am 30.12.2018 um 15:27 Uhr
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Das grosse Schweigen
von Dr.Diefenbach am 30.12.2018 um 13:23 Uhr
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Die "verschenkte Zeit" ... kommt nicht zurück.
von Christian Timme am 30.12.2018 um 13:03 Uhr
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RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 30.12.2018 um 12:34 Uhr
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Das Rx-Versandhandelsverbot aus Verbrauchersicht: warum eigentlich?
von Beate Kirk am 30.12.2018 um 12:31 Uhr
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AW: Das Rx-Versandhandelsverbot aus
von Peter am 31.12.2018 um 11:20 Uhr
Der Point of no Return ist überschritten
von Karl Friedrich Müller am 30.12.2018 um 10:55 Uhr
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3x hinter die Fichte mit Jens reicht ...
von Gunnar Müller, Detmold am 30.12.2018 um 10:14 Uhr
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