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November und Dezember 2018
November 2018
Gegen Ende des Jahres reift mit jedem Tag die Erkenntnis: Das Rx-Versandverbot kommt nicht mehr. Spahns Credo: Versandverbote passen nicht in die Zeit. Endlich fängt unsere oberste Spitze ganz offiziell an, darüber nachzudenken, welche Alternativen, welche Substitute es noch geben könnte. Die Suche nach einem Ersatz läuft an, an dessen Ende ein Verlustausgleich für uns Apothekers, sprich Geld, steht. Also, ganz offiziell: Man darf, auch bei der ABDA, über einen Plan B statt eines Rx-Versandverbots diskutieren, aber nicht zu laut. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigt sich auf Kammerversammlungen, die er besucht, offen dafür. Selbst wenn die eine oder andere Kammer (z. B. Nordrhein und Hessen) noch immer mit einer Resolution am Rx-Versandverbot klebt. Sie sollten Schmidt zuhören, der fragt: Löst ein Beharren auf dem Versandverbot unsere Probleme? Tut es natürlich nicht, mein liebes Tagebuch. Denn der unfaire Wettbewerb mit den ausländischen Versendern ist nur eine der vielen Widrigkeiten, denen wir uns gegenübersehen, als da sind: fehlende Anpassung unseres Honorars, ausstehende Einbindung der Apotheker in honorierte Präventionsleistungen, die honorierte Weiterentwicklung unserer beruflichen Tätigkeiten, die Überbürokratisierung. Außerdem stehen Telemedizin und das E-Rezept vor der Tür. Und auf allen Kammerversammlungen wird fleißig nach Lösungen gesucht, wie man Gleichpreisigkeit oder einen Ausgleich herstellen könnte.
Ende November ist es soweit: das Ende des Schweigens. Die ABDA spricht wieder mit Apothekern: Wir haben Fehler gemacht, das Apothekerhonorar und die Digitalisierung vernachlässigt. Und: Schminkt Euch das Rx-Versandverbot ab, es ist nicht mehr realistisch, wir setzen auf Dienstleistungshonorare oder ein ganz neues Maßnahmenpaket. Auf der Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe sagt ABDA-Präsident Schmidt selbstkritisch: „Wenn man eine Umfrage unter den Verbänden machen würde, bekämen wir sicherlich den Preis der verschlossenen Auster.“ Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen. Ja, und dann das Eingeständnis: Es war ein Fehler, sich in den letzten Monaten nur aufs Rx-Versandhandelsverbot zu konzentrieren. Das Apothekenhonorar, die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, die Digitalisierung seien dadurch hinten runtergefallen. Und Desillusionierung beim Fixhonorar: Derzeit gibt’s keine Chance auf eine Erhöhung, deswegen wolle man die Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen zusätzlich zum Fixum. Drei Lösungsansätze sieht er am politischen Himmel, nämlich den Versand zu regulieren, ohne ihn zu verbieten oder die Folgen des Versands zu kompensieren oder Türen zu öffnen, die in eine bessere Zukunft führen. Und was heißt das nun genau? Vermutlich wird es wohl auf irgendetwas in Richtung zusätzliche Honorierung, wie auch immer hinauslaufen. Der Festzuschlag pro Packung soll bleiben, er wird aber auch nicht mehr, das machen die Politiker nicht mit. Zusätzlich wolle man sich für neue Dienstleistungshonorare einsetzen.
Ein Überraschungs-Coup des Bundesgesundheitsministers: Spahn kündigt an, höchstpersönlich zur ABDA-Mitgliederversammlung am 11.Dezember kommen zu wollen.
Dezember 2018
Apothekers digitale Aktivitäten sehen derzeit so aus, dass weiterhin elektronische Briefkästen als Rezeptsammelstellen aufgehängt werden. Mein liebes Tagebuch, schön, aber leider schon von gestern. Wenn man richtig in die Zukunft denkt, werden sie nichts bringen, wenn das E-Rezept da ist. Dann gibt’s Terminals, in die der Patient seine E-Card mit dem gespeicherten E-Rezept steckt oder – noch bequemer – er hat ein Lesegerät zu Hause, steckt dort seine Karte rein und kann sein E-Rezept an jede Apotheke schicken, die er möchte.
Der 11. Dezember, ein Tag, der Hoffnungen wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lässt. Spahn besucht die ABDA-Mitgliederversammlung und bringt seine Vorschläge zur Lösung des Versandhandelskonflikts mit, Vorschläge, die nicht mit seinem Ministerium abgestimmt sind: Kein Rx-Versandverbot, keine Gleichpreisigkeit. Die ausländischen Versender dürfen weiterhin Rabatte auf Rx-Arzneimittel geben. Die Rabatte sollen allerdings auf 2,50 Euro gedeckelt werden. Für diese Kröte sollen die Apotheker Extra-Honorare bekommen, insgesamt in Höhe von 375 Mio. Euro, z. B. für eine verdoppelte Notdienstpauschale und Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen u.a. Mein liebes Tagebuch, ein vergiftetes Angebot mit vielen Unbekannten. Wie und ob die Boni-Deckelung für die ausländischen Versender EU-rechtlich überhaupt machbar ist, hat Spahn nicht verraten. Und ob die Millionen Euro für die neuen Honorare die politischen Hürden nehmen, ist vollkommen offen. Das einzige, was die Apothekers mit diesem Angebot wissen: Es gibt kein Rx-Versandverbot und keine Gleichpreisigkeit. Skepsis und große Bedenken an der Basis, aber auch in Kammern und Verbänden. Soll man dazu Ja sagen, ist das Angebot besser als nichts? Oder lassen wir uns damit all unsere Glaubwürdigkeit, unsere Ziele, für die wir zwei Jahre gekämpft haben, abkaufen? Und was wäre die Alternative, wenn wir dazu Nein sagen? ABDA-Präsident Schmidt meinte: „Das Angebot auszuschlagen, wäre aus meiner Sicht nicht zu verantworten.“ Am 17. Januar will sich die ABDA-Mitgliederversammlung entscheiden, wie sie mit dem Angebot umgehen wird.
Prost Neujahr, mein liebes Tagebuch, wir wünschen allen unseren Lesern und Kommentatoren ein erfolgreiches 2019. Und lasst uns genau hinschauen, in der Krise stecken Chancen.
11 Kommentare
SS
von Conny am 31.12.2018 um 12:27 Uhr
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@ Kirk und @ Herzog
von Thesing-Bleck am 31.12.2018 um 9:20 Uhr
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Gestaltet werden?
von Reinhard Rodiger am 30.12.2018 um 17:47 Uhr
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2019 - Denkstoff
von Reinhard Herzog am 30.12.2018 um 15:27 Uhr
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Das grosse Schweigen
von Dr.Diefenbach am 30.12.2018 um 13:23 Uhr
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Die "verschenkte Zeit" ... kommt nicht zurück.
von Christian Timme am 30.12.2018 um 13:03 Uhr
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RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 30.12.2018 um 12:34 Uhr
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Das Rx-Versandhandelsverbot aus Verbrauchersicht: warum eigentlich?
von Beate Kirk am 30.12.2018 um 12:31 Uhr
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AW: Das Rx-Versandhandelsverbot aus
von Peter am 31.12.2018 um 11:20 Uhr
Der Point of no Return ist überschritten
von Karl Friedrich Müller am 30.12.2018 um 10:55 Uhr
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3x hinter die Fichte mit Jens reicht ...
von Gunnar Müller, Detmold am 30.12.2018 um 10:14 Uhr
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